Groß zu werden ist ein Abenteuer und steckt voller Herausforderungen, aber auch Gefahren, an denen man wachsen kann. Darum geht es in der wundervollen Geschichte des Florentiners Carlo Lorenzini. Unter seinem Pseudonym Carlo Collodi hat er das Buch „Pinocchio“ verfasst. Das fast 140 Jahre alte Werk wurde in 240 Sprachen übersetzt. Es ist als Kinderbuch und seit den 1970ern auch eine als Erwachsenenbuch gelesene Geschichte fester Bestandteil der Gegenwartskultur. Literarische Größen wie Giorgio Manganelli, Antonio Tabucchi und Umberto Eco weisen auf Parallelen zur Jesus-Legende und spätantiken Satire hin. Nun inszenierte Intendant Joerg Steve Mohr das weltberühmte Stück im Theater am Puls (TaP) in Schwetzingen. Die Premiere war ausverkauft.
In den späten 1870er Jahren erschienen erste kurze Texte von Collodi über die Holzpuppe, die zum Menschenkind wird – und diese waren schon nach kurzer Zeit so erfolgreich, dass er sie 1883 in einem Buch zusammenfasste. Dass es dabei um so viel mehr geht, als „nur“ einen pädagogischen Text, der Kindern aufzeigen soll, wie man zwischen Gut und Böse unterscheidet, dass sie durchaus auch in einer gefährlichen Welt leben und ihre Handlungen stets Konsequenzen haben, bewiesen Michael Hecht, Klaus Herdel, Irina Maier, Tobias Rieseberg, Johannes Szilvássy, Daniele Veterale sowie Simon Speer auf wundervolle Weise. In ihren zahlreichen Rollen erweckten sie die fantastisch fiabeske Erzählung in dem kleinen Schwetzinger Schauspielhaus zum Leben, untermalt von gefühlvoller Musik von Stefan Ebert.
Transgendern geht auch hier
Die auch aus zahlreichen Verfilmungen bekannte Erzählung vom besonderen, sprechenden Stück Holz, aus dem der arme und kinderlose Holzschnitzer Geppetto eine Puppe fertigt und als Sohn annimmt, beginnt in der Inszenierung von Joerg Steve Mohr mitten im Krieg. Fünf Soldaten erzählen abwechselnd davon. Eingekesselt in einem Abbruchhaus wie die Gruppe um Tom Hanks in dem Hollywood-Epos „Der Soldat James Ryan“ tauschen sie sich aus, sprechen von ihren Gefühlen und aus ihrer Seele heraus. Fantastisch der erste Kampf zwischen Klaus Herdel als Geppetto und seinem Freund, dem Tischler „Kirsche“, alias Johannes Szilvássy: Da wird geschubst, gebissen und gehauen, dass es nicht nur für die Kinder eine Freude ist, um sich am Ende doch wieder zu vertragen. Klar wird so: Man befindet sich in einem Kinderstück (mit Tiefgang), das Erwachsenen genauso Freude bereitet.
Termine und Tickets
- Pinocchio: Sonntag, 28. November, 16 Uhr; Samstag, 4. Dezember, 18 Uhr; Sonntag, 12. Dezember, 16 Uhr; Samstag, 18. Dezember, 18 Uhr; Sonntag, 19. Dezember 16 Uhr; Sonntag, 26. Dezember, 16 Uhr; je 24/18/12 Euro.
- Karten gibt es im Kundenforum der Schwetzinger Zeitung, Carl-Theodor-Straße 2, oder unter www.theater-am-puls.de. lh
In die Rolle des Pinocchio schlüpft der 14-jährige Simon Speer, der bereits in anderen TaP-Produktionen brillierte. Und er spielt grandios! Das Premierenpublikum fieberte mit, wenn er sich auf Abwege begab, dabei in Gefahr geriet und dies am Ende bitter bereute. Bis hin zur definitiven Läuterung im Bauch des Wals, aus dem er – nun als verantwortungsbewusster junger Mann – zusammen mit seinem alten Vater fliehen kann und ihn so rettet. Aus Kindern werden Erwachsene und die vormals Kleinen kümmern sich später um die Großen.
Mit viel Humor katapultierte Mohr das Stück in die heutige Zeit: Fuchs und Katze treten als transgendrische „Felicitas Fox“ (Michael Hecht) und einarmiger „Lothar Katze“ (Daniele Veterale) auf. Wunderbar ist das Aufzeigen der Gedankengänge der „Großen“, wenn die Erzähler untereinander streiten, wie das Verhalten des Kindes zu werten sei. So wundert es nicht, dass die Schauspieler am Ende zu Recht viel Beifall ernteten, allen voran Simon Speer, der mit einem Beifallssturm und Bravo-Rufen gewürdigt wurde. Eine besondere Erwähnung verdient der 13-jährige Tobias Rieseberg, der in seinen Rollen als Soldat, Junge, kleine Fee und Docht nicht nur vollkommen aufging, sondern auch Bühnenpremiere feierte.
„Voll cool“, kommentierte die kleine Marie, die mit Stiefpapa und Grünen-Landtagsmitglied Dr. Andre Baumann nebst Gattin die Vorstellung genoss. Er kommentierte: „Grandios, wie ein kleines Stadttheater ein Stück so groß machen kann.“ Und Gemeinderat Carsten Petzold (SFW) fand: „Sehr gut inszeniert. Wir lassen uns immer überraschen und sind jedes Mal aufs Neue begeistert.“
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