Attentat

Donald Trumps Faust erschreckt Sicherheitsexperten

Der Heidelberger Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Karl A. Lamers ist über das Attentat auf den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump entsetzt. Er befürchtet schlimme Folgen.

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Madeleine Bierlein
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Der blutende Trump - dieses Bild wird in die Geschichte eingehen. Und möglicherweise den Wahlkampf entscheiden. © Gene J. Puskar

Verteidigungsexperte Karl A. Lamers verurteilt den Angriff auf Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Im Interview zeigt er sich äußerst besorgt über die politische Lage in den USA.

Herr Lamers, das war im wortwörtlichen Sinne sehr, sehr knapp für Donald Trump.

Karl A. Lamers: In der Tat. Mich hat die Nachricht von diesem Attentat zutiefst erschüttert, ich verurteile es aufs Schärfste. In einer Demokratie darf es in der Auseinandersetzung mit einem politischen Gegner nie zu Gewalt kommen. Die Auseinandersetzung muss mit Worten ausgetragen werden. Einsatz von Gewalt zur Erreichung von Zielen steht in drastischem Widerspruch zum Grundgedanken der Demokratie.

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Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers (73) saß 27 Jahre für den Wahlkreis Heidelberg im Deutschen Bundestag.

Er ist Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, war 24 Jahre Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Nato.

Er ist außerdem Honorarkonsul für Estland.

Trump hat den schrecklichen Moment instinktiv perfekt genutzt, die Faust emporgestreckt - und damit wahrscheinlich ein historisches Bild geschaffen. Die Message: Ich kämpfe. Was denken Sie: Wird ihm dieses Attentat für seinen Wahlkampf nutzen?

Lamers: Dass er in der Sekunde des Anschlags, als er verletzt wurde, die Faust ballt, ist für mich keine Demutsgeste. Das klingt eher nach Kampfansage. Mich erschreckt das.

Was wäre die bessere Reaktion gewesen?

Lamers: Politiker haben eine besondere Verantwortung. Sie müssen Hassgefühle vermeiden, damit aus Sprache nicht harte Wirklichkeit wird und jemand zur Waffe greift. Ich hoffe, dass die Nation nun innehält und hier ein Stopp-Signal gegeben wird. Aber die geballte Faust ist für mich nicht ein Zeichen, dass Trump sagt, wir wollen uns der Gewalt widersetzen, sondern eher ein Signal an seine Unterstützer, das verhängnisvoll werden könnte.

Inwiefern?

Lamers: Es macht mir Sorge, dass jetzt vielleicht die Verschwörungsideologen weitergehen und sagen, dass die Demokraten und der Staat Trump mit allen Mitteln von der Präsidentschaft abhalten wollen. Das ist ein schrecklicher Gedanken.

Das Attentat passt gut in die Version von Trump, der sich immer wieder als Märtyrer und Opfer darstellt. Glauben Sie, dass dieser Anschlag das Potenzial hat, zu weiterer Gewalt zu führen?

Lamers: Ich schließe das nicht aus. Zumal Trump mit der Erstürmung des Kapitols, also mit Gewalt in Verbindung gebracht wird. Wenn er gefragt wurde, ob er ein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnis am 5. November akzeptieren würde, auch wenn er nicht gewählt würde, hat er nie klar geantwortet. Das entsetzt mich. Amerika wäre dann auf dem Weg weg von einer Demokratie hin in eine autoritative Herrschaftsform - eine fürchterliche Vorstellung.

Wir erleben Trumps Gegner im Wahlkampf, US-Präsident Joe Biden, derzeit als einen gebrechlichen, nicht mehr voll leistungsfähhigen alten Mann. Ist er überhaupt noch in der Lage, angemessen auf diesen Anschlag zu reagieren, Ruhe reinzubringen, um weitere Gewalt möglichst zu verhindern?

Lamers: Ich habe US-Präsident Joe Biden persönlich kennengelernt. Ein großartiger Staatsmann, der über fünf Jahrzehnte hinweg die USA und die Welt geprägt hat. Ich bin trotzdem der Meinung, dass auch ein amerikanischer Präsident sehen muss, wann er kognitiv und physisch nicht mehr in der Lage ist, eine Weltmacht wie Amerika zu führen. Mein Wunsch wäre, dass Joe Biden erkennt, dass jetzt besser wäre, einen Schritt zurückzugehen und dem Volk zu sagen, dass es an der Zeit ist für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Für eine Person, die mit großer Kraft das Land führt und die Demokratie in die Welt trägt.

Glauben Sie, dass die Lager in den USA überhaupt noch zu versöhnen sind?

Lamers: Das liegt daran, wer an der Spitze der Nation steht und ob diese Person mit großer Kraft für die Werte einsteht, für die Amerika weltweit steht. Wenn das der Fall wird, sehe ich die Chance, dass die Gegensätze überwunden werden können. Das braucht Amerika und das braucht die gesamte freie Welt.

Redaktion Nachrichtenchefin mit Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus

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