Notinseln - Über 75 Anlaufstellen helfen in Gefahrensituationen / Schwetzinger Projektpartner berichten über ihre Erfahrungen / Mithilfe der Eltern gefragt

Ein sicherer Zufluchtsort für Kinder

Von 
Catharina Zelt
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Region. Ein Fahrradunfall, gemeine Mitschüler oder angsteinflößende Verfolger – der tägliche Weg zur Schule oder nach Hause kann für Kinder schnell zur Gefahr werden. Allein im Jahr 2018 wurden insgesamt fast 3500 Fälle von Misshandlungen an Kindern polizeilich erfasst. In solchen bedrohlichen Situationen bieten sogenannte Notinseln einen Zufluchtsort und helfen, wo Hilfe benötigt wird.

Vor mehr als 15 Jahren hat die Stiftung „Hänsel+Gretel“ aus Karlsruhe das Projekt Notinsel ins Leben gerufen, an dem die Stadt Schwetzingen seit 2006 teilnimmt. Ziel des Projektes ist es, ein Netzwerk von Geschäften aufzubauen, welche Kindern in Gefahrensituationen als erste Anlaufstelle und Schutzraum dienen. Mit einem blauen „Notinsel-Aufkleber“ und entsprechenden Plakaten zeigen die Projektpartner, dass Kinder dort unmittelbar Hilfe erfahren.

In Schwetzingen beteiligen sich bereits über 75 Geschäftsleute, Ärzte, Banken und Einrichtungen an der Kampagne. Darunter befindet sich auch die „Bücherinsel“. „Einmal kam in meine Filiale in Brühl ein kleines Mädchen, das Angst hatte, von ihrem Vater geschlagen zu werden und bei mir Schutz gesucht hat“, erzählte Chefin Barbara Hennl im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie habe dann mit beiden gesprochen und die Situation so deeskaliert.

Auch bei der Sparkasse wurde die Funktion als Notinsel schon in Anspruch genommen. „Vor über einem Jahr ist ein Kind mit dem Fahrrad hingefallen und hat bei uns Hilfe gesucht“, meinte Mitarbeiterin Renate Pfohl im Gespräch. „Ich habe damals die Eltern des Kindes angerufen, die dann hergekommen sind“, fügte sie hinzu. Genau das ist laut einer Pressemitteilung der Stadt die Aufgabe einer Notinsel: Projektpartner sollen keinesfalls psychologische Beratung leisten, sondern „nur“ eine Hilfskette in Gang setzen, die die Benachrichtigung der Eltern oder der Polizei beinhaltet. Es müsse auch nicht immer gleich der „böse Onkel“ sein, der kleine Mädchen entführt, denn viel häufiger widerfahre Kindern kleiner Kummer.

Tränenreiches Wiedersehen

So passiert es beispielsweise im Schlossgarten, der ebenfalls Teil des Projektes ist, immer mal wieder, dass sich Kinder in der weitläufigen Gartenanlage verlaufen. „Die Kleinen bekommen bei uns am Eingang etwas Süßes und werden getröstet. Meist melden sich dann auch schon die besorgten Eltern bei uns und es gibt ein tränenreiches Wiedersehen“, beschrieb Walter Weis von der Einlaufkontrolle die Situationen, in denen das Schlosspersonal jungen Besuchern hilft.

„Wir sind schon mindestens zehn Jahre eine Notinsel“, erklärte Annette Robinson von „Zahn Optik“ im Gespräch. „Ich finde das Projekt sinnvoll – so haben Kinder eine zuverlässige Anlaufstelle.“ Zu ihnen ins Geschäft sei aber noch kein hilfsbedürftiges Kind gekommen. Anders sieht es bei der Confiserie Schneider aus, die in gleich zwei Fällen als Zufluchtsort fungierte. Einmal seien laut Monika Schneider Jugendliche, die geärgert wurden, in den Laden gekommen, ein anderes Mal hatte ein kleines Mädchen ihre Eltern verloren.

Neben verschiedenen Geschäften und Dienstleistern sind auch viele Schulen und Kindergärten Teil des Projektes Notinsel. So auch der Edith-Stein-Kindergarten, der bereits als Anlaufstelle von zwei ehemaligen Kindergartenkindern genutzt wurde. „Die beiden Kinder kamen nach Hause und es war niemand da, was ihnen Angst machte“, erklärte Natalie Schreiner den Vorfall. Im Kindergarten konnten die Schüler dann ihre Eltern anrufen und die Zeit überbrücken, bis diese wiederkamen. „Notinseln werden bei uns immer mal wieder thematisiert, zum Beispiel weisen wir bei Spaziergängen auf die blauen Aufkleber hin und erklären, dass dort im Notfall geholfen wird“, meinte die Erzieherin. Auch im Kindergarten Spatzennest wird das Projekt Notinsel laut Leiterin Ilke Heuser regelmäßig in Stuhlkreisen angesprochen oder auch spontan, wenn ein Kind von einem Erlebnis erzählt, bei dem es Angst hatte oder sich verfolgt fühlte. Damit möglichst alle Kinder von diesem Projekt profitieren können, ruft die Stadt in einer Pressemitteilung die Eltern zur Mithilfe auf. So solle zusammen mit dem Kind der genaue Schulweg festgelegt und gezeigt werden, wo auf der Strecke Notinseln zu finden sind.

Schwetzinger Gewerbetreibende, die auch Notinsel-Partner werden möchten, können sich an das Generationenbüro wenden. Mitmachen kann jeder Geschäftsinhaber, der über ein Geschäft mit Publikumsverkehr verfügt und dessen Ladenraum ebenerdig liegt.

Info: Einen Schulwegplaner gibt es unter www.notinsel.de

Tipps und Informationen für den Schulweg

Eltern und Kinder sollten gemeinsam den Schulweg planen und sich informieren, wo auf der Strecke Notinseln sind.

Für den eigentlichen Weg soll genug Zeit eingeplant werden, so dass morgendliche Hektik vermieden wird.

Kindern sollte das „Notinsel-Symbol“ nahegebracht und gezeigt werden, wo es sich in Geschäften oder an Gebäuden befindet.

Für Kinder ist es wichtig zu wissen, dass bei Gefahr der erste Schritt immer Schreien ist – am besten „Feuer“ oder „Hilfe“.

Angreifer oder lästige Personen sollten immer gesiezt werden, so dass Umstehende merken, dass keine persönliche Beziehung besteht. Dann sofort wegrennen.

Es ist wichtig, dem Kind beizubringen, „Nein!“ zu sagen; es muss nicht aus Höflichkeit Fremden antworten.

Trotzdem soll Kindern keine grundsätzliche Angst vor Fremden vermittelt, sondern über die eventuelle Gefahr informiert werden. lama

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