Plankstadt. Viele Bewohner unserer ehemals landwirtschaftlich geprägten Region zählen „Igelmomente“ wie den folgenden zu ihren bleibenden Erinnerungen: “Wir saßen nach einem ausschweifenden Essen mit Freunden noch bis tief in die laue Julinacht bei Kerzenschein und Wein zusammen, als plötzlich im fahlen Licht der Straßenlaterne ein großer, dicker Igel durch das offene Gartentürchen den Weg in unsere Richtung einschlug, so selbstverständlich, als käme er als später Gast zur Runde hinzu. In aller Seelenruhe trippelte er am Tisch vorbei und entschwand unseren gleichsam erstaunten wie amüsierten Blicken in die Dunkelheit des hinteren Gartenteils.“
Bis vor zehn Jahren war der heimische Braunbrustigel ein „Allerweltstier“, dem jeder besonders während der Nacht beinahe überall begegnen konnte. Das hat sich grundlegend geändert. Seine Bestände sind in manchen Regionen wie in Bayern bereits um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Die Zerstörung seiner Lebensräume durch die intensive Landwirtschaft und Stadtentwicklung werden ihm immer mehr zum Verhängnis. Zusätzlich dazu kommen eine halbe Million Igel jährlich im Straßenverkehr ums Leben. Da die Tiere in der Regel nur einmal im Jahr Nachwuchs bekommen, können sie die Verluste nicht ausgleichen. Deswegen führt die Weltnaturschutzunion ( IUCN ) den westeuropäischen Igel nun als“ potenziell gefährdet“ auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten.
Zehn Tipps für Leserinnen und Leser, die Igeln helfen wollen
- Den Garten im Frühjahr nicht gleich beim ersten Sonnenstrahl „aufräumen“. Igel und deren Insektenfutter schlafen noch unter Laub und Hecken.
- Im Herbst Laubhaufen als Winterquartier für Igel im Garten belassen. Den Garten möglichst naturnah gestalten und bewirtschaften.
- Keine Motorsensen und Laubbläser verwenden. Mähroboter niemals während der Dämmerung und nachts laufen lassen.
- Durchgänge für Igel in Gartenzäune aller Art einschneiden.
- In Kellerschächte, Brunnen und Teiche eine Kletterhilfe (Brett, Kantholz etc.) stellen.
- Auf Rattengift und Schlagfallen verzichten. So wenig Insekten- und Schneckengifte wie möglich einsetzen.
- Wer Igel im Garten oder in der Umgebung vermutet, sollte sie in Absprache mit einer Igelstation füttern, denn sie finden in der freien Natur nicht mehr ausreichend Futter. Niemals Milch, immer Wasser in Schälchen anbieten.
- Die nächste Igelstation mit dort erwünschten Futterspenden oder anderen Zuwendungen unterstützen. Die Kosten für die Pflege dort abgegebener Igel sind hoch und bleiben oft an den Leiterinnen der Stationen hängen.
- Ökologisch wirtschaftende Gartenbau- und Landwirtschaftsbetriebe zum Beispiel durch Einkaufsgemeinschaften unterstützen.
- Familie, Freunde und Arbeitskollegen auf die Not der Igel aufmerksam machen.
Motorsensen und Mähroboter sind die Feinde des Igels
In den Hausgärten sind es besonders Insektengifte, Motorsensen und nachts laufende Mähroboter, die den in der Dunkelheit aktiven Stacheltieren gefährlich werden. „Es sind grässliche Wunden, die Robotermesser den Tieren zufügen: Abgeschnittene Schnauzen und Beinchen und aufgerissene Seiten, aus denen Organe quellen“, berichtet Simone Stohner, die in Plankstadt eine private Igelstation betreibt. Mit der Unterstützung der ganzen Familie hat sie ein Zimmer in der Wohnung und einen Teil der Terrasse für die Igelpflege hergerichtet. Simone Stohner nimmt verletzte, untergewichtige und kranke Tiere auf. Auf den Ausgaben für tierärztliche Behandlung, Futter und sonstiges Material für die Igelhaltung bleibt sie meistens sitzen. „ Würde ich von den Leuten verlangen, dass sie für diese Kosten aufkommen, würde mir bald niemand mehr einen Igel bringen“, schätzt die engagierte Tierschützerin diese Lage ein.
Doch wegen des Geldes lässt sich Simone Stohner nicht entmutigen. Seit sie selbst einen kranken Igel fand und aufpäppelte, haben es ihr die stacheligen Gesellen einfach zu sehr angetan. Wenn sie bei der Aufnahme zuhause aus Platzgründen an Grenzen stößt, versucht sie sogar, die Tiere an gleichgesinnte und ebenso igelkundige Menschen zu vermitteln. Zum Beispiel an Diana Hertenstein in Oftersheim oder Nicole Blem in Schwetzingen, die ebenfalls Igel auffüttern und überwintern. Doch vor der Weitervermittlung testet Simone Stohner in jedem einzelnen Fall die Bereitschaft der Igelbringer, das bedürftige Tier selbst zu päppeln.
„Einen Igel zu füttern und zu überwintern ist kein Hexenwerk“, stellt sie fest und erklärt jedoch zugleich, dass ein jedes Tier in jedem Fall zuvor in einer Igelstation untersucht werden müsse. Nur dort werde entschieden, ob das betreffende Tier in Laienhände gegeben werden könne oder nicht. Und manchmal bringt ihr jemand einen „Problemigel“ ins Haus, bei dem sogar Simone Stohner nicht mehr weiter weiß. In solchen Fällen wendet sie sich an das „Igelnest Mannheim“, an Gabriele Popp in Friedrichsfeld.
Anlaufstellen
Ein Igel benötigt offensichtlich Hilfe, wenn er bei Tageslicht unterwegs ist, torkelt, untergewichtig erscheint, verletzt oder mit Parasiten übersät ist. Hier sechs Anlaufstellen für Leserinnen und Leser, die einen bedürftigen Igel finden:
- Simone Stohner, Plankstadt, Telefon 0171/2087563.
- Diana Hertenstein, Oftersheim, Telefon 0152/O8523716.
- Nicole Blem, Schwetzingen, Telefon 0151/15153939.
- Tierschutzverein Schwetzingen, Telefon 0173/4540254.
- Birgit Schmidt, Brühl, Telefon 06202/780193.
- „Igelnest Mannheim“, Gabriele Popp, Telefon 0176/63454636. sim
Denn im „Igelnest“ befindet sich eine Ambulanz, die eingerichtet und ausgestattet ist wie eine Tierarzt-Praxis. Auf einem Schild nicht weit vom Eingang steht: „Ein Garten ohne Igel ist wie ein Himmel ohne Sterne“. Bereits über 30 Jahre Erfahrung in der medizinischen Betreuung und Versorgung von bedürftigen Igeln hat Gabriele Popp in enger Zusammenarbeit mit dem Verein „Pro Igel“ und igelkundigen Tierärzten gesammelt. „Manche Tierärzte rufen bei mir an und holen sich Tipps“, erzählt die einladend herzlich wirkende Expertin und lächelt verschmitzt. Ein paar Schritte neben der Ambulanz im Garten befinden sich mehrere Gehege, in denen ein Teil ihrer Schützlinge gerade Winterschlaf hält. „ Die ersten wachen gerade auf; andere schlafen noch bis Anfang Mai weiter. Die Länge des Winterschlafs ist je nach Tier unterschiedlich“, meint Gabriele Popp, die heute noch auf Besuch wartet.
Klimawandel bringt die Igel durcheinander
Ein Paar aus Mannheim-Stadt und eine Frau aus Seckenheim haben sich mit jeweils einem Notfall bei ihr angemeldet. Telefonisch hat sie die Finder angewiesen, wie sie die Tiere notversorgen sollen: Den Igel in einen Korb oder Karton auf eine nicht zu heiße, wohltemperierte und handtuchbedeckte Wärmflasche legen. Seinen Körper von oben ebenfalls mit einem Handtuch bedecken, dass die Wärme rundum wirken kann. Und genauso eingepackt kommen die beiden neuen Schützlinge fast gleichzeitig im „Igelnest“ an. Vorsichtig nimmt Gabriele Popp die Tiere nacheinander aus den Kartons und wiegt sie in einer Schüssel auf der Waage in der Ambulanz. Beide Tiere wiegen jeweils nur um die 250 Gramm. Deutlich weisen sie einen „Hungerknick“ auf, eine Magerfalte im Genick der Tiere.
Gabriele Popp stellt fest, dass es sich um zwei wohl im November geborene Jungtiere handelt, die keinen Winterschlaf halten konnten.“ Irgendwie haben sie sich den Winter über durchgeschlagen und sind völlig erschöpft bei den Findern gelandet. Durch den Klimawandel wird es immer früher warm und später kalt. Das bringt manche Igel dazu, zweimal im Jahr Nachwuchs zu bekommen. Doch viele der Spätgeborenen erfrieren leider“, erklärt die Igelexpertin.
Zuerst gibt sie den Tieren Infusionen mit Elektrolyten, die deren Flüssigkeitshaushalt in Ordnung bringen, dann einen Vitamincocktail plus Glukose. Mit der Futterspritze versorgt sie die Tiere anschließend solange mit einem Aufbaufutter , bis sie wieder selbst feste Nahrung zu sich nehmen können. „Haben die Igel ein Gewicht von über 500 Gramm erreicht, kommen sie in der Regel zurück zu ihrem Finder. Allerdings nur dann, wenn dieser sich verpflichtet, den Igel in seinem Garten artgerecht zu füttern“, schränkt die ehrenamtliche Tierschützerin ein.
Denn einen aufgepäppelten Igel könne man nicht einfach irgendwo zurück in die Natur setzen, da dort ein ausreichendes Nahrungsangebot nicht gegeben sei. „Wenn der Mensch keine geeignete Lebensräume zur Verfügung stellt, werden Igel bei uns aussterben“, so das bittere Fazit von Gabriele Popp, die selbst gerade kurzfristig wegen Eigenbedarfs der Vermieter eine Bleibe für sich, ihre Igel und Shih-Tzu-Rüde „Tashi“ sucht.
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