Lehrschwimmbecken - Petition „Rettet die Bäder“ der DLRG im Bundestag besprochen / Ortsvereinsvorsitzender Dr. Marc Hemberger will unbedingt erreichen, dass die Nordstadthalle saniert wird

„Es ist ein Kampf um jeden Meter Wasserfläche“

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Janina Hardung
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Nicht mehr selbstverständlich: Marc Hemberger (l.) bringt den Anfängern das Schwimmen bei. © Hemberger

Region. Drei von fünf Kindern sind am Ende der Grundschulzeit keine sicheren Schwimmer. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 2017 in Auftrag gegeben hat. Im Jahr 2018 habe die Zahl der Ertrunkenen mit 504 einen neuen Höchststand erreicht.

Grund sei nach Ansicht der DLRG der „unheilvolle Trend zur Bäderschließung“, erklärte DLRG-Präsident Achim Haag in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag. In der Petition wird die Aufstellung eines bundesweiten Masterplans zur Rettung der Schwimmbäder gefordert – im Sportausschuss dann unter der Leitung von Dagmar Freitag (SPD) in einer Expertenanhörung über die Situation der Schwimmbäderinfrastruktur weiter beraten. Freitag sehe auf jeden Fall Handlungsbedarf und sei zuversichtlich, dass der Bund zukünftig Mittel freigeben werde. Damit bezieht sie sich auf eine Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich Ende vergangenen Jahres positiv zu einem Sportstättenförderprogramm geäußert hat – ein „goldener Plan“.

Im vergangenen September hatte die DLRG in Berlin ihre Petition „Rettet die Bäder!“ an den Deutschen Bundestages übergeben. Mehr als 130 000 Unterzeichnende fordern eine angemessene und nachhaltige Bäderversorgung, damit auch in Zukunft Menschen das Schwimmen lernen und die Möglichkeit bezahlbarer sozialer Angebote erhalten bleibt. Der Vorsitzende des DLRG Ortsvereins Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt, Dr. Marc Hemberger, sieht diese Probleme auch in unserer Region. Die Nordstadthalle in Schwetzingen sei beispielsweise aus dem Jahr 1974. „Dort wird nicht viel gemacht und wenn dann nur, wenn etwas kaputt ist“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Wasserpumpe wurde im vergangenen Jahr repariert, das habe drei Wochen gedauert. In der Nordstadthalle haben die Schwimmer der DLRG fünfmal die Woche Training. Falls dort etwas kaputt gehe, sei das ein „unkalkulierbarer Ausfall. Im vergangenen Jahr hatten sie nur eine Woche zu – zum Glück“. Die DLRG schwimme dort regelmäßig mit etwa 200 Kindern. Außerdem nutzen sechs Grundschulen und das Hebel-Gymnasium das Bad. „Vermutlich wird das Geld nicht in die Hand genommen, weil das Bad dann zu lange geschlossen wäre“, vermutete Hemberger. Alle Schulen müssten dann ausweichen – vermutlich ins Bellamar. Ob das mit dem alltäglichen Schwimmbetrieb vereinbar wäre, sei aus Sicht von Hemberger nicht sicher. „Es ist oft schon schwierig, den Bereich für die Schnellschwimmer freizuhalten.“

Das Bundesland diskutiert über Förderprojekte für kommunale Bäder. „Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann sagt, die Kommunen müssen das machen, obwohl es im Bildungsplan steht. Wenn das Bad einem Verein oder einer Schule gehören würde, könnten sie eine Förderung vom Land oder dem badischen Sportbund erhalten. Weil es allerdings kommunale Bäder sind, geht das nicht“, erklärte Hemberger. Von dem Haushalt mit 50 000 Euro wurden im vergangenen Jahr zwar die Umkleiden in der Sport- aber nicht in der Schwimmhalle saniert.

Die DLRG gibt 20 Stunden, fünf Tage die Woche Schwimmunterricht. Sie bieten 30 Plätze für Anfänger, haben aber 100 Anfragen. „Es ist ein Kampf um Wasserfläche.“

Bürgermeister Matthias Steffan unterstützt das Schwimmbad: „Die Stadt steht uneingeschränkt hinter dem Nordstadtschwimmbad und seiner Bedeutung als Lehrschwimmbad für Schulen und Vereine. Gerade vor dem Hintergrund, dass deutschlandweit aktuell rund 25 Prozent der Grundschüler keinen Zugang zu einem Schwimmbad haben und somit auch keinen Schwimmunterricht erhalten. Das sind alarmierende Zahlen, die wir in Schwetzingen unbedingt vermeiden wollen. Daher werden in den nächsten Jahren fortwährend finanzielle Mittel zum Betrieb des Bades und zum laufenden Erhalt bereitgestellt. Mittelfristig ist eine Sanierung, also der Austausch größerer Teile der Badtechnik, geplant.“ Auch die Friedrichschule Plankstadt wurde für 3,5 Millionen Euro grundsaniert. Für nächstes Jahr ist ein neues Becken geplant. Das jetzige ist in den 1960er Jahren gebaut worden. „Plankstadt hat das so entschieden, weil es keine Alternative gibt“, sagte Hemberger. Das Becken in der Kurpfalzhalle in Oftersheim ist nur 1,35 Meter tief, also für ein Lehrschwimmbecken zu niedrig. Auch von der Entscheidung des Bundestages erhofft sich Hemberger Unterstützung.

Ausbildung im ortsnahen Bereich

Aus Sicht vom Vizepräsidenten des Deutschen Schwimm-Verbandes, Wolfgang Hein, sollte die Schwimm-ausbildung im „ortsnahen Bereich“ stattfinden. Dort wo es Kitas und Schulen gebe, sei es sinnvoll, „die alten klassischen Lehrschwimmbäder wieder aufleben zu lassen“. Sie seien nicht kostenintensiv, ermöglichten aber die sehr nahe Schwimmausbildung, schreibt der Deutsche Bundestag in einer Pressemitteilung.

„An jeder mehrzügigen Grundschule wäre ein solches Lehrschwimmbecken durchaus sinnvoll“, befand demnach Hein. Die Unterhaltungskosten lägen bei 20 000 bis 50 000 Euro pro Jahr. „Das sollte uns die Schwimmfähigkeit der Kinder auch wert sein“, sagte der DSV-Vizepräsident.

Klaus Hebborn vom Deutschen Städtetag verwies auf die schlechte Datenlage. Niemand wisse genau, wie viele Bäder es in Deutschland gebe, kritisierte er. Die letzte Erhebung stamme aus dem Jahr 2001. Drei Dinge müssten aus Sicht des Städtetages passieren: Die Datenbasis müsse verbessert werden, um eine bedarfsgerechte Planung durchführen zu können. Eine Modernisierung der Infrastruktur, wobei das vom Bund zur Verfügung gestellte Geld „hilfreich, aber zu wenig“ gewesen sei. Außerdem brauche es die Zusammenarbeit vom Bund, den Ländern, den Vereinen und der DLRG.

Marc Riemann, Vorstandsmitglied bei der Internationale Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS), plädierte für den Erhalt der derzeitigen Wasserflächen. Aus Analysen sei deutlich geworden, dass Deutschland im Jahr 2030 mindestens so viele Wasserflächen brauche wie heute. Dabei geht es laut Reimann um qualifizierte, bedarfsgerechte Wasserflächen. Nicht die Anzahl der Bäder, sondern das Angebot sei entscheidend. Manchmal sei es aus Sicht des Angebots und der Kosten sinnvoll, aus drei kleinen Bädern ein großes Bad zu machen, sagte er.

Eckhard Drewicke, Schulsportreferent im Bildungsministerium des Landes Brandenburg, forderte als Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK), Schulschwimmen müsse bei der Verteilung von Hallenkapazitäten berücksichtigt werden.

Im Vorschlag der CDU Fraktion zum Landeshaushalt 2020/21 steht außerdem: „Die CDU hat ein Projekt zur Stärkung der Schwimmfähigkeit von Vorschulkindern initiiert. Dazu sollen in den nächsten beiden Jahren insgesamt 2,2 Millionen Euro bereitgestellt werden. Hintergrund ist eine Umfrage des Kultusministeriums der zufolge 29 Prozent der Kinder die Grundschule in Baden-Württemberg ohne die wünschenswerten Schwimmfähigkeiten verlassen. Gemeinsam mit den Schwimmverbänden und den Landesverbänden der DLRG sollen Maßnahmen ergriffen werden, die dazu führen, dass mehr Kinder schwimmen lernen, bereits bevor diese eingeschult werden.“

Info: Ein Video zum Schwimmbad-sterben gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

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Rettet die Bäder (DLRG)

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Daniel Born fordert Schwimmbadprogramm

An jeder vierten Grundschule im Land kann kein Schwimmunterricht stattfinden – so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Kultusministeriums. Hauptgrund ist meist das Bädersterben. In der Sitzung des Bildungsausschusses hat der Schwetzinger Landtagsabgeordnete Daniel Born (SPD) diese Umfrage als „überdeutliches Warnsignal an die Landespolitik“ bezeichnet. Wie sieht es im Wahlkreis Schwetzingen aus?

Alle 19 der 20 Grundschulen des Wahlkreises, die sich an der Umfrage beteiligt haben, können Schwimmunterricht anbieten. In zehn Grundschulen allerdings nur in einer Klassenstufe, nur in zwei Schulen lernen die Kinder in allen vier Klassenstufen das sichere Bewegen im Wasser. Born: „Das sind definitiv zu wenig! Es ist wichtig, dass Kinder ausreichend Zeit haben, schwimmen und tauchen zu erlernen. Wir würden ja auch nicht zusehen, wenn andere Fächer nur in einer Klassenstufe unterrichtet werden könnten – bei der Sicherheit unserer Kinder dürfen wir genauso wenige Abstriche machen. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.“

Die Basisstufe der Schwimmfähigkeit am Ende der Grundschulzeit erreicht gerade mal 69,9 Prozent der Kinder im Wahlkreis, obwohl diese im Bildungsplan als Lernziel formuliert ist. Born, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Grundschulpolitik, sieht deutlichen Handlungsbedarf: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass alle Kinder richtig schwimmen können und dafür brauchen wir mehr Schwimmbäder.“

Auch die Transferzeiten zwischen Schulort und Schwimmbad sind zu lang – bis zu 40 Minuten. Das geht von der effektiven Zeit im Wasser ab. „Ich weiß aus meinen Gesprächen vor Ort, welchen Kraftakt die Kommunen stemmen müssen, um eine Schwimminfrastruktur vorzuhalten und welchen großen Einsatz die Schulen und die Vereine beim Schwimmunterricht leisten. Aber wenn das Land Bildungsziele definiert, muss es auch Verantwortung übernehmen. Darum werde ich mich weiter für ein Schwimmbadprogramm des Landes starkmachen.“

In den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2020/21 hat die SPD-Landtagsfraktion ein Sanierungsprogramm für Schwimmbäder gefordert. Die Landtagsmehrheit hat den Antrag abgelehnt. „Das von uns geforderte Programm von 30 Millionen Euro hätte Grün-Schwarz nicht wehgetan und vor Ort viel bewirkt“, so Born. Städte und Gemeinden bräuchten finanzielle Unterstützung des Landes, sonst bleiben und werden weitere Bäder geschlossen. zg

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