Schwetzingen. Eines vorab: Von den beiden Autoren dieses Artikels zum 67. Kurpfälzer Fasnachtszug in Schwetzingen ist eine beim Verfassen dieser Zeilen möglicherweise etwas erschöpft – vom Sektflasche halten (wirklich!). Aber das sei nur kurz erwähnt (mit der klitzekleinen Bitte um Verständnis – Fassenacht is halt Fassenacht). Grundsätzlich war dieser Zug durch Schwetzingen einfach eine Klasse für sich und tat nach der pandemiebedingten Zwangspause richtig gut. Das war auch den teilnehmenden Protagonisten sowie dem großen Publikum anzumerken.
Die Stadt (und später auch die Gaststätten rund um den Schlossplatz) war bumsvoll – geschätzt knapp 30 000 Zaungäste verfolgten das närrische Treiben bei frühsommerlichen Temperaturen. Da gab es am Ende nicht nur einen „Brand“ zu löschen, der an den Fasnachtsdienstag erinnerte, sondern mit dem leichten Sonnenbrand auch einen zweiten.
86 Zugnummern hatte das Komitee des Fasnachtszugs in seinem Programm aufgeführt, die fast alle zugegen waren. Besonders toll anzusehen: die Prinzessinnen. Die Hoheiten Julia II. aus Oftersheim (CC Grün-Weiss), Denise I. von den Hellesema Grumbe, Jacqueline I. vom KC Phönix Schwetzingen, Sandra I. (KV Reilingen), Melanie Jasmin I. und Kinderprinzessin Angelina I. von den Rohrhöfer Göggeln, Anna-Lisa I vom CC Blau-Weiss Hockeneheim und Michèle I. von den Kollerkrotten Brühl sowie Nathalie II. von der Narrhalla Ketsch haben in ihren traumhaften Kleidern nicht nur Mädelsaugen zum Leuchten gebracht.
Mittendrin tauchte überraschenderweise auch Schwetzingens Spargelkönigin Anna I. auf, der im Porsche mit Peter Much am Lenkrad Ahoi-Rufe entgegengeschmettert wurden. Doch da gab’s auch Gleichgesinnte in den Zuschauerreihen: Zig Eisprinzessinnen gaben sich neben Meerjungfrauen ein Stelldichein und sammelten genauso galant wie manch ein Spiderman und Darth Vader geworfene Bonbons ein. Die Stimmung in Schwetzingen und vor allem rund um den Schlossplatz war prächtig.
Fasnachtszug in Schwetzingen: Launiger Zugsprecher
Dafür sorgte nicht zuletzt Andreas Lin. Der stellvertretende Redaktionsleiter dieser Zeitung ist im Vorstand des Zugkomitees sowie Moderator – und er füllte diesen Job wieder vorzüglich aus. Spontan, keck und launig kommentierte er die Gruppen und sorgte für Stimmung. Erstmals stand ihm mit Tobias Kreichgauer ein Platzreporter zur Seite, der direkt im Geschehen agierte. Lin sagte: „Tobi ist Schriftsteller. Er sammelt für sein neuestes Werk Telefonnummern.“ Dafür versuchte der junge Mann natürlich ganz nah an die Zugteilnehmenden zu kommen, also auf die Wagen – und ward dann irgendwann auch spurlos verschwunden . . .
Apropos Wagen: Eine Menge Stunden und Freizeit steckten in den Präsentationen. Mühe gaben sich dabei alle. Dominierend waren unter anderem Themen zum Klimaschutz und hier – passend zur Jahreszeit: das Skifahren. Der Reit- und Pferdesportverein Brühl widmete sich dem Après-Ski (Jurywertung Platz drei) und so manch einer erinnerte sich dabei modisch an den eigenen Kleiderschrank aus den 1990er Jahren. Als Sieger ging die Gruppe des BKA hervor, die der Medikamentenknappheit einfach einen Gutselstand entgegensetzten. Süß ging es auch bei der Hoggema Jugend weiter. „Nach zwei Jahren Zwangspause steigt bei uns die Candy-Sause“, so deren Motto. Die Gaußianer auf Abwegen (AGAA) waren mit ihrem Motto „Im AGAA-Dschungel ist was los, Forscher, Tiere klein und groß. Friedlich leben wir zusammen, ganz egal woher wir stammen“ ein echter Hingucker und Hinhörer, immerhin hat Alexander Hartmann aus Reilingen sogar ein eigenes Lied für diese Fasnachtsession komponiert gehabt.
Die Gewinner
- Wagen: 1. BKA, 2. Hoggema Jugend, 3. Reit- und Pferdesportverein Brühl, 4. AGAA (Alte Gaußianer auf Abwegen), 5. Landjugend Heidelberg.
- Fußgruppe: 1. Hoggema Jugend, 2. Sängerbund/Liederkranz Schwetzingen, 3. BKA, 4. TV 1864 Schwetzingen.
Bei den Schwetzinger Fußgruppen stachen vor allem der Sängerbund und der Liederkranz hervor. Die Vereine hatten die Tempo-30er-Zonen in Schwetzingen zusammen in den Blick genommen und festgestellt: „Überall ist Tempo 30 und die Stadt verdient daran fleißig.“ Lokalkolorit, das am Ende mit Platz zwei hinter der „Hoggema Jugend“ belohnt wurde. Aber den Sonderpreis gibt’s für die Teilnehmerin schlechthin: Ilse Fackel-Kretz sorgte mit ihren 90 Jahren mit Tempo 90-Schild für Stimmung – Respekt!
Die Leimbachstelzen aus Schwetzingen gingen auch kunterbunt voran, ebenso die „Rock and Bowl“-Gruppe aus den Bowlingcenter Schwetzingen, die die heimischen Farben gut vertraten. Der TV 1864 versuchte, noch mehr Bewegung ins Geschehen zu bringen, allerdings gelang dies anderen an diesem Tag besser. Auffallend: Es fehlte etlichen Gruppen an Gefolge. Erst die finalen Zugnummern hatten vor allem viele jugendliche Anhänger. Insgesamt blieb alles – zumindest bis Redaktionsschluss – friedlich und Zugmarschallin Sibylle Karle und ihr Gefolge dürfen stolz auf einen solch fantastischen Fasnachtszug sein, den nicht nur Oberbürgermeister Dr. René Pöltl lobte.
Fasnachtszug in Schwetzingen: Einfach „schön“ und „geil“
Der Tenor zum kurfürstlichen Fasnachtszug war einer Umfrage dieser Zeitung zufolge durchweg positiv und irgendwo zwischen „einfach so schön“ und „geil“ über „super toll“ bis zu „schlicht großartig“ im Superlativ verortet. Silvie, im Alltag Lehrerin, am Fasnachtsdienstag aber als Flamingo unterwegs, besucht den Lindwurm schon sicher seit 20 Jahren. Damals noch etwas jünger, heute mit Kindern, findet sie den Fasnachtszug immer noch „super toll“.
„Er ist es wert, dass man nach Schwetzingen kommt, immer wieder.“ Eine Sicht, die man mehrere 1000 Male hätte hören können.
Fasnachtszug in Schwetzingen: Auf der ewigen Gutseljagd
In ein ganz ähnliches Horn blies die 85-jährige Elfriede Hildebrandt. Sie würde sich niemals vom Gang zu den Narren abhalten lassen. Mit dem Gehwagen brachte sie sich gerade in Stellung, um das Geschehen im Blick zu haben. Vor allem die Jugendlichen findet sie gut. „Das ist doch Lebensfreude pur.“ Und das habe in den vergangenen beiden Jahren schon gefehlt. Für die 17-jährige Luisa waren die zwei Jahre mehr als es scheint. Angefühlt habe es sich nämlich eher wie zwei Jahrzehnte. Doch zurückschauen sei jetzt nicht angezeigt. Denn jetzt gelte es, so Luisa, mit Freunden zu feiern.
Ein ganz anderes Ziel hatte der achtjährige Lucas. Ausgerüstet mit einer großen Tüte wollte er auf die Jagd nach Süßigkeiten gehen. Und er versicherte gegenüber der Schwetzinger Zeitung mit Blick auf seine Eltern, dass er erst gehe, wenn sie voll sei. Svenja, 16 Jahre alt, will, wie die meisten ihrer Altersgenossen, vor allem feiern. Aber nicht nur mit ihren Freunden, sondern mit der ganzen Stadt. Hier kämen doch wirklich alle zusammen und bereiteten dem Leben ein Fest.
Am Ende genügte ein Blick in die Menge, überall glücklich strahlende Gesichter, allerorts Jubel – und dann noch das Wetter, dem Leben wurde hier und am Fasnachtsdienstag wahrhaft ein Fest bereitet.
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