Es waren nur 27 Minuten Film, die beim Café International in den Räumen der evangelischen Kirche am Schlossplatz gezeigt wurden. Aber diese 27 Minuten entwickelten vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Afghanistan einige Wucht. Denn die Bilder, die der Filmemacher Mohammad Hassan Nazeri aus Afghanistan mitbrachte, offenbarten das Scheitern der westlichen Politik lange vor 2021.
Der Westen, so wurde es vor allem mit dem ersten Kurzfilm über Kinder und deren Bildungschancen deutlich, erreichte die Menschen nie wirklich. Eine Mischung aus Desinteresse, vielen Fehlern und massiver Korruption verhinderte am Ende, dass sich das Land am Hindukusch auf den Weg machte, tatsächlich eine Heimat für alle zu werden.
Endlich, so Johanna Senn-Dietrich und Thomas Vobis vom Café International, herrsche hier wieder einmal Leben. Der Innenhof war gut besucht und die Wiedersehensfreude nach der langen Corona-Pause war unübersehbar. Ebenfalls nicht zu übersehen war, dass es mittlerweile viele Erfolgsgeschichten gibt. Nicht wenige von den ehemals Geflüchteten scheinen angekommen zu sein. Überall hört man gutes Deutsch, manche sind in Ausbildung und andere schon in der Festanstellung. Am eindrücklichsten waren aber die entstandenen Freundschaften über alle Nationengrenzen hinweg. Sich immer wieder begegnen, sich zu unterhalten, gemeinsam zu essen und zu trinken, habe am Ende halt doch eine Wirkung, so Vobis.
Bewegendes Interview
Wirkung hatten auch die drei kurzen Filme, die nach dem gemütlichen Beisammensein gezeigt wurden. Die Werke zu den Themen Kinder, Frauen sowie Flucht und Ankommen öffneten Augen. Vor allem der erste Kurzfilm über die Lebensumstände der Kinder schien Zuschauer zu erschüttern. Allein der Schulweg durchs Gebirge war eine Herausforderung, die manch ein Kind mit dem Leben bezahlte. Ein Schulgebäude oder -materialen suchte man vergebens. Im Grunde bestehen viele Bildungseinrichtungen nur aus einer Tafel, die irgendwo in den kargen Boden gerammt wurde. Nicht besser wurde es mit dem Film über die Frauen, der deutlich machte, dass sie Menschen zweiter Klasse seien. Nur schwer auszuhalten war dabei ein kurzer Interviewteil, in dem eine junge Frau von ihren Träumen und Wünschen sprach. So viel Hoffnung in den Augen, die aller Wahrscheinlichkeit nach enttäuscht werden.
Die beiden Filme waren eine Reise in die Vergangenheit. Entstanden sie doch in den Jahren 2014 und 2015 in der Region Waras, ziemlich genau in der geografischen Mitte des Landes. Es war besonders, weil die Bilder den Zuschauer von Kabul wegführten und einen sehr authentischen Blick in das Leben der Menschen in Afghanistan erlaubte. Und weil sie die vielen Fehler westlicher Politik offenbarten.
Etwas schwieriger einzuschätzen wurde der Abend mit der später einsetzenden Diskussion, in der Nazeri die These aufstellte, dass es aus geopolitischen Gründen das inhärente Ziel des Westens war, den Taliban zur Macht zu verhelfen. Allein, so Nazeri, hätten die Taliban das nie geschafft. Nur mit Hilfe des der USA und Deutschlands hätten sie die Macht in dem Land ergreifen können. Die Irritierung der Zuschauer war mit Händen zu greifen. Sicher, so der Tenor in dem Saal, der Westen habe enorme Fehler gemacht. Die falschen Politiker – meist frühere Warlords – gestützt von der gigantischen Korruptionsmaschinerie, haben den Blick abgewendet und ganz allgemein in vermeintlicher Souveränität mit unterkomplexen Methoden in dem hochkomplexen Gefüge Afghanistan agiert. Bestandteile westlichen Handelns, die die Machtübernahme der Taliban am Ende sicher mit ermöglichten. Das Ganze aber als großen, geheimen Plan des Westens zu bezeichnen, war für nicht wenige Zuschauer dann doch zu viel.
Die Filme waren toll und am Ende schmälerten die fragwürdigen geopolitischen Ansichten Nazeris die Wirkung der Filme auch nicht. Doch es war irritierend und es war zu spüren, dass hier etwas aufbrach, was zumindest an diesem Abend nicht mehr überbrückt werden konnte.
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