Verkehr

Fünf Monate nach tödlichem Unfall in Heidelberg: Fall gibt weiter Rätsel auf

Am 13. Februar 2025 werden zwei Frauen im Neuenheimer Feld von einem Lkw überfahren. Die Ermittlungen in dem Fall sind bis heute nicht abgeschlossen. Wer trägt die Verantwortung?

Von 
Agnes Polewka
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Die Unfallstelle am 13. Februar. © Marco Priebe

Heidelberg. Der 13. Februar 2025 war ein Tag, an dem sich die Schlagzeilen überschlugen. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Messerattentäter von Mannheim begann. Und während die Bundesanwältin am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim die Anklage verlas, raste in München ein Mann in einen Demonstrationszug. Eine Mutter und ihr Kind starben, insgesamt zählten die Ermittler 54 Verletzte. Beide Ereignisse haben sich tief in das Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt. Und so ging am 13. Februar 2025 fast unter, was später an diesem Tag in Heidelberg passierte.

Am frühen Nachmittag waren zwei Mitarbeiterinnen der Abteilung für Translationale Pneumologie im Neuenheimer Feld unterwegs, auf der Straße, die an das Institut grenzte, in dem sie als Medizinisch-Technische-Assistentinnen arbeiteten.

Die Pneumologie beschäftigt sich mit Lungenerkrankungen. „Translational“ bedeutet vereinfacht: Wissenschaftler versuchen Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik zu übertragen.

Auf dem Gehweg neben dem Pneumologie-Gebäude standen an diesem Tag im Februar blecherne Baucontainer und so mussten die Frauen auf die Straße ausweichen.

Auf dem angrenzenden Gelände der ehemaligen Kinderklinik entsteht das neue Heidelberger Herzzentrum – ein Prestigeprojekt, das sich immer wieder verzögerte, die Gesamtkosten belaufen sich auf über 550 Millionen Euro. Der Leitende Ärztliche Direktor der Klinik beschrieb das neue Projekt im Gespräch mit dieser Redaktion vor einigen Monaten als „Innovations-Hub für die Universitätsmedizin“, wo alle Fächer, „die zum Thema Herz arbeiten“ gebündelt zusammenlaufen sollen, vollständig digitalisiert.

Und in der Nähe des Areals, auf dem das neue Herzensprojekt der Heidelberger Universitätsmedizin entsteht, war am 13. Februar um 14.30 Uhr ein LKW unterwegs, womöglich steuerte der Fahrer den Laster aus einer Einfahrt, vielleicht war er auch in entgegengesetzter Richtung unterwegs. Fest steht, dass er die Baustelle „bediente“.

Das tonnenschwere Fahrzeug überrollte die beiden Frauen, die auf der Straße liefen. Sie starben.

Sachverständiger mit Gutachten zur Unfallrekonstruktion beauftragt

Auch fünf Monate nach dem Unfall ist nicht klar, wie es zu dazu kommen konnte. Wie schnell der Lkw-Fahrer fuhr, ob er vorwärts oder rückwärts unterwegs war, als er die beiden Frauen überfuhr. Auch, warum sie nicht ausweichen konnten, in welche Richtung sie liefen, all das ist bislang nicht öffentlich geworden.

Kurz nach dem Unfall sagte ein Sprecher der Polizei, dass ein Sachverständiger beauftragt wurde. Er sollte den Unfall rekonstruieren, der sich laut Polizei nicht auf der Baustelle, sondern im „öffentlichen Raum“, also auf der Straße, ereignete. Und er sagte, der 65 Jahre alte Unfallfahrer habe einen Schock erlitten, er sei nicht alkoholisiert gewesen und habe keine Drogen genommen.

Zu welchen Ergebnissen ist der Sachverständige gekommen? Wer trägt die Verantwortung für den Unfall? Gegen wen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet? Auf Anfrage dieser Redaktion sagt ein Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Unfallfahrer wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet worden sei. Weitere Fragen könne er aufgrund der noch laufenden Ermittlungen nicht beantworten.

Rechtsanwalt Christian Janeczek aus Dresden ist Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der AG Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, im Gespräch mit dieser Redaktion skizziert er, wie es im vorliegenden Fall weitergehen könnte. „In der Straßenverkehrsordnung gibt es einen Paragrafen, der ganz klar regelt: Wer aus einer Einfahrt auf eine Straße auffährt, muss eine Gefahr für andere ausschließen und sich gegebenenfalls einweisen lassen“, sagt Janeczeck. Verletzt der Fahrzeugführer dabei eine oder mehrere Personen, dann liegt ein Verstoß gegen diesen Paragrafen vor. „Der LKW-Fahrer wird auf jeden Fall ein Verfahren bekommen und bei zwei Toten wird er auch eine Strafe bekommen“, sagt Janeczeck.

Pflichtverletzung wegen „erheblicher Sicherheitsmängel“?

Noch offen ist indes, ob auch andere wegen einer Pflichtverletzung zur Verantwortung gezogen werden müssen. In einer anonymen Zuschrift, die diese Redaktion erreicht hat, ist von „erheblichen Sicherheitsmängeln“ die Rede. Fotoaufnahmen dokumentieren die Unpassierbarkeit des Weges, schwer einsehbare Ecken zum Zeitpunkt des Unfalls.

Ob eine Pflichtverletzung vorliegt, hängt von vielen Faktoren ab. So ließe sich zum Beispiel fragen, ob die Bauherrin, in diesem Fall die Universität, die Belegung des Gehweges beantragt hatte. Falls ja: Wurde dies von der Stadt genehmigt? Und stellte diese Genehmigung vielleicht eine Pflichtverletzung dar?

Überall in Deutschland gebe es Straßenabschnitte, die nicht von Gehwegen flankiert werden, wo Fußgänger gezwungen seien, auf der Straße zu laufen, sagt Janeczeck. „Das ist gefährlich, ich kenne allerdings kein Gesetz, das besagt, dass an der Straße ein Gehweg entlanglaufen muss.“

Der Fußweg, der an das Gebäude der Translationalen Pneumologie grenzt, ist inzwischen wieder begehbar. Keine Container, keine Rohre mehr, die den Straßenrand säumen. Mehr noch, ein Bauzaun grenzt den Weg inzwischen von der Straße ab. Ein Mitarbeiter auf der Baustelle weist Fußgänger freundlich darauf hin, auf der anderen Straßenseite bitte den Fußweg zu benutzen.

Eine Anfrage dieser Redaktion an den Leiter der Translationalen Pneumologie bleibt Ende Juni zunächst unbeantwortet, dann meldet sich eine Sprecherin der Universitätsmedizin und bittet um Verständnis dafür, dass dieser sich nicht äußern möchte. Nicht zu dem Unfall am 13. Februar, nicht zum Verlust der Mitarbeiterinnen oder den Monaten danach.

Auf der Website der Abteilung finden sich Bilder der beiden Frauen, die nur 44 und 45 Jahre alt wurden. „Am 13. Februar sind unsere beiden wundervollen Kolleginnen bei einem tragischen Verkehrsunfall im Neuenheimer Feld ums Leben gekommen“, heißt es dort. Und weiter: „Wir sind fassungslos und zutiefst erschüttert von dieser Tragödie! Unser tief empfundenes Beileid gilt den Familien der Verstorbenen.“

Bis Ende Juni fanden sich dort auch Links zu Spendenkampagnen für die Hinterbliebenen der beiden Frauen, diese wurden offenbar vor wenigen Tagen geschlossen.

Redaktion

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