Schwetzingen. Es sind bald zwei Jahre vergangen, seit das Coronavirus ähnlich einem Meteor einschlug und das beständige Leben mehr oder weniger beendete. Natürlich habe das alle Menschen betroffen. Doch eine Gruppe, so die Leiterin des Jugendzentrums Andi Kroll, sei dabei besonders unter die Räder geraten. Und dieses Sprachbild nutzte Kroll beim Pressetermin zur Lage der Jugendlichen und der Jugendarbeit in Zeiten von Corona sehr bewusst.
Zwar sei es seit diesem Sommer etwas besser geworden, doch über weite Teile hätten Politik und Gesellschaft die Jugendlichen kaum im Blick gehabt. Und wenn, so Kroll, habe man sie nur als Schüler mit Bildungsauftrag gesehen. Dabei sei der Bildungsaspekt, so wichtig er ist, nur ein Aspekt jugendlichen Seins. Aus der Perspektive von Jugendlichen könnten weite Teile der Corona-Politik, so Kroll und ihr Kollege Joshua Baumgart, durchaus als ignorant bezeichnet werden.
Dabei geht es beiden gar nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um die Art, wie die Pandemie Jugendlichen vermittelt, genauer gesagt eben nicht vermittelt wurde. Sie seien ins gesellschaftliche Gespräch kaum bis gar nicht eingebunden worden.
Auch die Jugendarbeit sei in dieser Zeit massiv ausgebremst worden. Bis 17. März war das Jugendzentrum zu. Man habe zwar abends eine Sprechstunde angeboten. Doch am Kern der Jugendarbeit ging das eher vorbei. Auch die ersten Öffnungsschritte im Frühling seien schwierig gewesen. „Es durften nur zehn Jugendliche kommen und die mussten sich anmelden.“ Niederschwellig und flexibel, ansonsten die Angebotsachse für gelingende Jugendarbeit, war da nichts. Ab Mai wurde es dann mit 33 zugelassenen Jugendlichen langsam besser. „Und der Sommer war wieder toll.“ Zahlreiche Projekte wurden gestemmt und, so Baumgart, sie kamen gut an. Zwischen Kreativität, U 18-Wahl und Chillen herrschte fast so etwas wie Normalität. Ganz groß war natürlich die Graffiti-Aktion für die Rückseite der Hilda-Halle.
Kein verlässlicher Kontakt möglich
Trotzdem, so Baumgart, sei das öffentliche Bild der Jugendlichen unschärfer geworden. Jugendarbeit fuße elementar auf verlässlichem Kontakt – und zwar analog. Wirklich vertrauensvolle Beziehungen könne man auf digitalem Weg kaum aufbauen. Man sage ja immer, dass Jugendliche ständig online seien. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Jugendlichen von dem andauernden Online-Alltag ermattet, ja sogar erschöpft sind.“ Und um das zu unterfüttern, startet das JUZ nun eine Umfrage mit „Du und Corona“, „Du und Schwetzingen“ sowie „Du und die Jugendarbeit“, die in drei Blöcke aufgeteilt ist. „Wir wollen wissen, wie es den Jugendlichen geht.“ Bereits Ende dieser Woche werde der Link an alle Schulen geschickt.
Bis 22. Dezember hätten die Jugendlichen Zeit, Fragen zu beantworten und dem JUZ zukommen zu lassen. Ziel ist es, mit den Daten im Frühjahr 2022 in den Gemeinderat zu gehen und mit dafür zu sorgen, dass Jugendliche nicht noch einmal unter den Tisch fallen. Kommendes Jahr sei ja das von der EU ausgerufene Jahr der Jugend. Kroll ist es wichtig, dass der Blick über die Schule hinaus geweitet wird. Und das gelte nicht nur für die Politik. Auch an Schulen müsse deutlich werden, dass Jugendliche nicht nur Schüler seien.
Der Vorschlag, mit Schülern aus Schwetzingen in der Vorweihnachtszeit einzelne Stunden ins JUZ zu kommen, um Plätzchen zu backen, Billard zu spielen oder zu quatschen, wurde fast nur mit verständnislosen E-Mails quittiert. Den Lehrplan erfüllen, keine Zeit für nebenschulisches, Schüler müssten lernen, so der Tenor. Kroll und Baumgart glauben, dass es wichtig wäre, jetzt auch solche Angebote zu bekommen. Jugendliche sehen, sie einbinden und anhören, oder ganz kurz, sie wirklich ernst nehmen. „Genau darum geht es im kommenden Jahr der Jugend.“ Da gehe es nicht um „nice to have“, sondern um das Fundament gelingender Gesellschaft. Nur wer eingebunden werde, könne Verantwortung empfinden.
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