Gelungenes Debüt: Ein spannendes Spiel von Schein und Wirklichkeit

Von 
Maria Herlo
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„Ich studierte die Akte, blätterte jede Seite einzeln durch und suchte nach einem Indiz, das mir helfen würde, den Mann hinter dem Zeugen ausfindig zu machen.“ Als der Ich-Erzähler in Alessandro Bellarditas Debütroman „Der Zeugenmacher“ diese Gedanken formuliert, hat man bereits fast die Hälfte des Buchs gelesen und weiß schon einiges über ihn: Sein Name ist Francesco De Benedetti, ein Heidelberger Staatsanwalt, alleinerziehender Vater einer 16-jährigen Tochter und Freund von Marie. Sie ersetzt zwar nicht seine bei einem Verkehrsunfall verstorbene Frau, aber vom ersten Augenblick, als er ihr zufällig in Heidelberg begegnete, verbindet sie ein „unsichtbares Band“.

Tiefe Freundschaft verbindet ihn auch mit Thomas, der sich viel Zeit für ihn nimmt. De Benedetti entspricht keinem üblichen Klischee. Er ermittelt professionell, sachlich, aber nicht kalt, gelassen, aber interessiert und achtsam. Morgens macht er sich mit einem Espresso munter, besucht regelmäßig seine Mutter, die ihn vaterlos aufzog. In seiner Jugend haben ihn die Erzählungen seines Onkels Gaetano geprägt, vor allem die Geschichten aus der Welt der griechischen Mythologie. Auch sonst ist er an Literatur interessiert, an italienischer und an deutscher, an Musik und an guten Rotwein.

Vor diesem Hintergrund lässt der Autor den Staatsanwalt Francesco De Benedetti einen längst abgeschlossenen Fall wieder aufrollen. Eine junge, attraktive Frau, Jessika Morelli, sucht ihn auf, um ein unerhörtes Geständnis abzulegen: Vor zwei Jahren hat sie einen Lehrer, mit dem sie eine Affäre hatte, der Vergewaltigung bezichtigt. Nun behauptet sie, er sei unschuldig. Sie tat es aus Rache, weil er seine Frau nicht verlassen wollte. De Benedetti nahm sich die Akte vor und stellte fest, dass der Lehrer aufgrund eines plötzlich auftauchenden Zeugen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Er sei ein Nachbar von Frau Morelli und habe ihre Schreie in der besagten Nacht gehört.

Als De Benedetto in einem weiteren Vergewaltigungsfall auf eine ähnliche, perfekt ausformulierte Zeugenaussage stieß, wird er stutzig. Im Zuge seiner Ermittlungen kommt er zur Gewissheit, es mit einem professionellen Zeugenmacher zu tun zu haben. Wer ist dieser Mann, dessen Identität schleierhaft ist, und welches Motiv treibt ihn an, die Unwahrheit vor Gericht auszusagen?

Klare, schlüssige Sprache Anspielungen auf seine Beweggründe streut der Autor schon im „Prolog“ und in den „Intervallen“ ein. Auf diese Weise hält er die Spannung von Anfang bis Ende aufrecht. Doch ist es nicht die Erzählkonstruktion allein, die den „Zeugenmacher“ zu einem lesenswerten Roman macht. Es ist das Spiel von Schein und Wirklichkeit, auf das auch das Buchcover hinweist, sowie die anrührend erzählte Geschichte über Liebe, Freundschaft und tiefer menschlicher Solidarität. Auch die Passagen, in denen der Staatsanwalt über Recht und Unrecht nachdenkt, über Wahrheit und Lüge, Verantwortung und Moral und über die Glaubwürdigkeit der Justiz, sind literarisch äußerst gelungen.

In einer klaren, schlüssigen Sprache zeichnet Bellardita zudem ein lebendiges Bild vom Milieu des Staatsanwalts, von seinen Träumen und Traumata, aber auch von den Menschen, mit denen er zu tun hat sowie von den Schauplätzen der Handlung. Man freut sich auf eine Fortsetzung. her

Das Buch: „Der Zeugenmacher“ von Allessandro Bellardita, J. S. Klotz Verlagshaus 2021, 208 Seiten, 10 Euro, ISBN: 978-3-948968-54-0.

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