Schuldenbremse? Staatsverschuldung? Kreditaufnahme? Das sind Begriffe, die oftmals in Diskussionen verwendet werden, ohne konkret deren Bedeutung für den Staatshaushalt genau einschätzen zu können. Die Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus hatte sich deshalb einen besonderen Gast eingeladen. Der ehemalige finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lothar Binding aus Heidelberg nahm Stellung zur Finanzpolitik des Bundes.
„Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe und für die Bundesrepublik eine finanzpolitische Herausforderung besonderer Art“, begann Binding seinen Vortrag. Sie ließe sich jedoch bewältigen, betonte er. Soziale Belastungen müssten frühzeitig erkannt und möglichst kompensiert werden. Das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Belastungen sich in eine Reihe von weiteren Krisen und Zukunftsaufgaben einfügen. Hier seien die enormen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Corona-Krise ebenso zu nennen, wie die durch den Klimawandel erforderlichen zusätzlichen Ausgaben.
Binding erklärte, dass „der Staat keine schwäbische Hausfrau“ sei und Schulden auch ihr Gutes haben könnten. „Staatsschulden sind gut für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder, denn wir Bürger kaufen über unsere Versicherungen, Bausparkassen oder Banken Staatsanleihen und bekommen am Ende der Laufzeit unser Geld sicher zurück.“ Mit diesem geliehenen Geld baue der Staat inzwischen Schulen, Straßen, sorge für Sicherheit und schaffe somit Werte für unsere Gesellschaft: „Entscheidend ist, wie viele Staatsschulden wir uns leisten können – also die Schuldentragfähigkeit“, sagt der Finanzexperte.
So musste der Bund im Jahr 2000 17,7 Prozent seiner Steuereinnahmen für Zinsen ausgeben. 2019 lag diese Quote bei 3,3 Prozent! Deutschland besitze eine hohe Bonität und Schuldentragfähigkeit, weshalb auch die Ausgaben im Zuge der Corona-Krise und im Ukraine-Krieg beherrschbar seien.
„Ob Energie, Wohnen oder Lebensmittelpreise – wir alle müssen für einige Dinge mehr bezahlen“, so Binding und kam auf die gestiegene Inflationsrate und das Entlastungspaket der Bundesregierung zu sprechen. Er stellte klar, dass dieses Paket eine erste, aber keine dauerhafte Antwort darstelle. Für Menschen, die sich in der Grundsicherung befänden, wolle die SPD in der Koalition diese anheben. Der Bundesvorsitzende der SPD 60 plus sparte nicht an Kritik an dem Paket. „Für Senioren und für Studierende muss noch etwas geschehen.“ Ein Beschluss der Arbeitsgemeinschaft sei schon gefasst und den Koalitionsfraktionen zugeleitet, berichtete er.
Die zusätzlichen Belastungen in der Gesellschaft nimmt Binding ernst. „Bei einer unsicher gewordenen weltwirtschaftlichen Lage, die ein Exportland wie Deutschland in besonderer Weise trifft, können auch Gefahren für unsere Gesellschaft entstehen.“ Infolge gestiegener allgemeiner Unzufriedenheit könne unser Zusammenleben schwieriger werden und unser Gemeinwesen gerate unter Druck. Staatliche Ausgleichsmaßnahmen sowie eine stärker einkommens- und vermögensbezogene, also gerechtere Steuerpolitik seien wichtig. nt/zg
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