Ernährungsberaterin Vanessa Schäfer begleitet Daniel Vennari aus Brühl durch den Januar und gibt Tipps in Sachen Ernährung. Wir befragen Sie zum Thema vegan leben.
Heißt vegan leben nur Verzicht?
Vanessa Schäfer: Tatsächlich glaubt man als Mischköstler immer, dass vegetarische oder vegane Ernährung mit Verzicht einhergeht. Das ging mir vor meiner Ernährungsumstellung nicht anders. Vermutlich liegt es daran, dass man sich vor Augen führt, was man alles nicht essen darf. In der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Es ist jetzt mehr als vier Jahre her, seit ich mich vegan ernähre und ich habe keinen Tag als Verzicht empfunden. Ganz im Gegenteil: Ich habe so viele neue Lebensmittel und Gerichte für mich entdeckt, dass meine Küche heute viel facettenreicher und bunter ist als jemals zu meinen Zeiten als Vegetarierin und Mischköstlerin.
Von heute auf morgen vegan leben – ist das machbar und gesund?
Schäfer: Machbar ist das tatsächlich – dafür bin ich selbst ein Beispiel, auch wenn ich mir damals eigentlich nur eine vierwöchige Challenge auferlegt hatte. Letztendlich ist es aber Typsache und eine Frage der Motivation. Die Frage nach dem Gesund ist nicht pauschal zu beantworten. Keine Ernährungsform ist automatisch gesund oder ungesund. Es hängt immer davon ab, wie vollwertig und bedarfsdeckend sie gestaltet wird. Wenn ich nur Pommes und Chips esse, ist das zwar vegan, doch von gesund weit entfernt. Meinen Kunden empfehle ich für einen Ernährungsumstieg eine langsame Umstellung. Dieser Weg ist bei den meisten nachhaltiger. Das heißt, es werden zunächst neue pflanzliche Lebensmittel in den Speiseplan integriert, dann einfache Mahlzeiten ausgetauscht. Dieser Austausch wird sukzessive immer weiter ausgebaut. Man muss einfach sehen, dass wir uns unsere Ernährungsgewohnheiten oft über Jahrzehnte angeeignet haben. Um diese Gewohnheiten durch neue zu ersetzen, braucht es Zeit. Deshalb funktioniert die langsame Heranführung bei den meisten in der Praxis eher als eine radikale Umstellung von heute auf morgen.
Welchen ersten kleinen Schritt würden Sie zum Vegansein empfehlen?
Schäfer: Im ersten Schritt sollte man einfach offen für eine pflanzliche Ernährung sein und kein Urteil fällen, ehe man es nicht selbst probiert hat. Als praktischen Tipp kann ich jedem nur an die Hand geben, einmal vegan zu kochen und zu essen. Viele Gerichte, die man kennt, haben ohnehin eine pflanzliche Basis. Wenn man hier und da ein paar Zutaten durch andere ersetzt, wird man merken, dass vegan gar nicht so viel anders schmeckt und auch alles anderes als kompliziert ist.
Wenn ich mir vorstelle, die Menschheit würde von heute auf morgen allen tierischen Produkten entsagen, sehe ich die globale Wirtschaft zusammenkrachen. Sie nicht?
Schäfer: Was für ein Szenario! (lacht) Tatsächlich würde ich es nicht ganz so negativ sehen. Denn die Betriebe und Produktionen, die sich überwiegend auf tierische Produkte spezialisiert haben, würden weiterhin gebraucht werden – nur eben für pflanzliche Produkte. Viele Branchen und Berufe würden sich teils natürlich ändern, aber nicht wegfallen. In einigen deutschen Großstädten gibt es zum Beispiel bereits Metzger, die ihr Sortiment auf pflanzlich umgestellt haben. Die machen weiterhin ihre Würste, Rollbraten und Schnitzel, nur eben auf pflanzlicher Basis. Der Bedarf, die Bevölkerung zu ernähren, ändert sich ja durch das Entsagen aller tierischen Produkte nicht. Der Appetit wäre derselbe – nur dass er dann durch pflanzliche Kost gestillt werden würde.
Wie machen Sie unseren Lesern Appetit auf das vegane Leben?
Schäfer: Ich lade sie dazu ein, den Veganuary zu nutzen, um sich an eine pflanzlichere Ernährung heranzutasten und serviere ihnen auf meinem Blog „schuerzentraegerin.de“ so viele Rezepte dafür, dass sie damit gleich ein ganzes Jahr füllen könnten. Essen ist Genuss und viele wissen gar nicht, wie lecker eine rein pflanzliche – und im besten Fall noch gesunde – Ernährung sein kann. Da entgeht einem einiges! Deshalb: Probieren Sie es einfach mal aus! kaba
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