Modellbahn-Einblicke - Dr. Hans-Ludwig Schneider und Holger Hamm verbinden auf ihrer Anlage Heimatliebe und Reisefreude / Bauwerk mit sehr viel Liebe zu Details

Hier fällt der Weihnachtsmarkt nicht aus

Von 
Katja Bauroth
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Kennen Sie das Miniatur-Wunderland in Hamburg? Nicht nur für Liebhaber von Modelleisenbahnen ist dies ein Paradies und eine echte Augenweide: Über 15 Kilometer Gleise wurden hier auf 1500 Quadratmetern verlegt. Auf ihnen fahren über 1000 Züge. Verschiedene Länder mit bekannten Orten werden gezeigt, alle möglichen Szenen, die einen Alltag ausmachen, nachgestellt. Ein Tag ist viel zu kurz, um diesen kleinen Kosmos zu erkunden.

Einen ähnlichen Wow-Effekt wie in Hamburg habe ich auch in dem Raum, in den mich Dr. Hans-Ludwig Schneider führt. Er und sein Mann Holger Hamm haben wie etliche Leser auf den Aufruf in unserer Zeitung reagiert und zur Stippvisite ihrer Modelleisenbahnanlage im Maßstab H0 1:87 eingeladen. Die erstrecke sich über vier Etagen, kündigen sie in der E-Mail an die Redaktion an. Ich mache genau genommen sogar fünf Etagen aus – Schattenbahnhöfe und ein dreistöckiges Tunnelsystem in einem Berg inklusive. Einfach beeindruckend!

Doch schon der Weg in das Dachzimmer wird von Modelleisenbahngeschichte begleitet. Verschiedene Zugminiaturen mit Waggons hängen in Schaukästen an den Wänden, dazu nostalgisch anmutende Plakate und selbst geschossene Fotos. „Da waren wir noch, als die Züge über den Gotthard-Pass gefahren sind“, deutet Hans-Ludwig Schneider auf eine vergrößerte Aufnahme der Gotthard-Bahn aus 2016, einer seiner Lieblingsstrecken. Im selben Jahr wurde der Gotthard-Basistunnel, mit 57 Kilometern der längste der Welt, in der Schweiz fertiggestellt. Ein Zugmodell mit Waggons, die dem berühmten Orient-Express ähneln, ist in einem Schaukasten zu sehen – gezogen von einer Lok der badischen Baureihe IVh. Ein Zug mit anderen Waggons transportiert eine kleine Glocke, dazu die handgeschriebene Aufschrift „Dresdner Frauenkirche“. „Das hat mein Vater selbst gebaut und beschriftet“, erklärt Hans-Ludwig Schneider die schöne Erinnerung. Von seinem Vater hat er auch seine Begeisterung für Modelleisenbahnen übernommen. Die Leidenschaft für dieses Hobby brachte ihn sogar mit seinem Mann zusammen. Die Modelle in den Schaukästen drehen manchmal auf der Anlage, die ein etwa 45 Quadratmeter großes Zimmer ausfüllt, ihre Runden, wenn die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind und sie sich digital steuern lassen.

Ein Stück Rheinland in der Kurpfalz

Die Anlage selbst lässt das Herz jedes Modellbahnfans höherschlagen. Hier stecken unzählige Stunden Arbeit, viel Fingerfertigkeit, Feingefühl, Fantasie und jede Menge Herzblut drin. Die Gleisanlage, Züge, Lichter und Soundeffekte werden hauptsächlich über zwei programmierte Module gesteuert. Das sind zwei graue Kästchen mit Tasten und einem Drehregler. „Hier ist die Anlage drin gespeichert“, aktiviert Hans-Ludwig Schneider mit einem Spezialstift das Display der sogenannten „Central Station“, Modell „CS2“ von Märklin.

Holger Hamm und Hans-Ludwig Schneider leben und lieben ihr Hobby, das ist in diesem Zimmer absolut zu spüren: Auf einem Basteltisch warten winzige Figuren und Gleise darauf, verbaut zu werden, kleine Schraubenzieher und Pinzetten dienen als Werkzeuge. Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. An einem Ende des Anlagentischs ist ein Bauernhof auszumachen mit allen möglichen Tieren, dahinter im Wald versteckt sich eine Jagdszene samt Jäger und geschossenem Rotwild. Es gibt einen gemütlichen Biergarten im bajuwarischen Ambiente, eine Straße mit Fahrzeugen samt Rennradfahrer, ein Mähdrescher und ein Traktor, die Getreide ernten. „Moment, ich schalte das Licht ein“, sagt Hans-Ludwig Schneider, als ich die Ernteszene fotografieren möchte, und drückt entsprechende Schalter.

Auffällig ist ein „verglaster“ Brückenübergang über acht Gleise. Den gibt es so unter anderem in Neustadt an der Weinstraße. „Dort ist er allerdings kürzer“, verdeutlicht Hans-Ludwig Schneider. Jeder der fünf Aufzüge an dem Übergang ist sogar mit LED-Lichtern ausstaffiert. Bis zu sechs Stunden Bastelarbeit stecken in einem solchen Detail.

Der Bahnhof mit dieser Brücke ist auch bekannt: Er ähnelt dem Bonner Hauptbahnhof, ein Stück Heimat für Hans-Ludwig Schneider, der aus dem Rheinland stammt und seit 1994 im Badischen lebt. Im Hintergrund sind zudem die typischen Häuser aus dem Stadtbild der Rheinmetropole auszumachen. Selbst der kleine Bahnhof Kottenforst, den es noch heute an der Strecke Bonn – Euskirchen gibt, wurde im Modell verewigt, genauso wie ein Auszug der Rheinschleife samt beleuchtetem Ausflugsschiff. Es gibt einen Hauptbahnhof mit Drehscheibe, über die der gewünschte Zug auf den Weg gebracht werden kann.

Hommage an die Schweiz

Ein weiterer Hingucker ist das Bergmassiv, durch dessen Tunnelgänge sich die Züge einer Schmalspurbahn (H0m) hinauf in ein Bergdorf schlängeln. Der Berg ist eine Hommage an die Schweiz, ein beliebtes Reiseziel der beiden Modelleisenbahnfreunde, vor allem auch wegen der Matterhorn-Gotthard-Zahnradschmalspurbahn. An den steilen Felswänden klettert eine Seilschaft empor, ein Wasserfall „spritzt“ über das Gestein. „In den Wintermonaten tauchen wir das Bergdorf in Schnee – und im Gegensatz zu Schwetzingen findet dort auch in diesem Jahr ein Weihnachtsmarkt statt“, sagt Hans-Ludwig Schneider über jahreszeitliche Umbauten und lächelt.

Es sind so viele Feinheiten, die es zu entdecken gilt. „Ich mache jetzt mal aus einem Güterzug drei“, weist er auf einen Auflaufberg mit Kupplungsgleis hin – darauf ist er besonders stolz. Dort werden, wie auch bei den normalen Zügen, die Waggons automatisch über einen elektromagnetischen Impuls abgehängt und entsprechend auf die Gleise gelenkt, auf die sie sollen. „Nur bei der Deutschen Bahn gibt’s computergesteuerte Bremsen“, kommentiert Hans-Ludwig Schneider dabei das etwas unsanfte „Andotzen“ an die Waggons. Nebenbei erzählt der 57-jährige Physiker, dass er gerade ein Studium der Leit- und Sicherheitstechniker im Eisenbahnwesen macht, rein aus Interesse.

Geschenk von der Patin

Gefragt nach seinem Lieblingszug lässt er eine Tenderlok der Baureihe 81 losfahren, dazu bimmelt ein Glöckchen, „das hört sich so schön an“. Die Lok war ein Geschenk seiner Patin zu seinem 14. Geburtstag. „Ich musste die Achsen und Getriebe bei Märklin erneuern lassen, weil die schon im wahrsten Sinne des Wortes ,runtergefahren‘ waren“, erzählt er zu dem kleinen Fahrzeug, dessen Vorbild bei der Deutschen Reichsbahn für den Rangierdienst genutzt wurde. Überhaupt gibt es zig Bahnmodelle auf der Anlage von Holger Hamm und Hans-Ludwig Schneider. Die lassen die beiden Männer in ihrer Freizeit gerne fahren und verbringen so lange Winterabende und verregnete Wochenenden gemeinsam, „nur einen Fahrplan haben wir noch nicht ausgearbeitet“.

Natürlich kommt auch heute immer wieder etwas zur Anlage dazu. Ein Traum hat sich für Hans-Ludwig Schneider allerdings noch nicht erfüllt: Er hat noch einen alten, sehr verkürzten Rheingold-Aussichtswagen mit Panorama-Dach. Doch der passt nicht zu den übrigen neuen TEE-Wagen, den diesen Zug zu einem Rheingold-Express machen würde. „Ich habe schon bei Märklin angefragt, wann hier ein neuer kommt“, erzählt er. Noch ist nichts in Aussicht. So bleibt ihm nur der Waggon, den er derzeit hat und der in einem der Schaukästen wunderbar zu bestaunen ist.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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