Theater unterhält, reflektiert, polarisiert. Theater dient der Verständigung der Kulturen. Um an seine Bedeutung zu erinnern, wurde 1962 der Welttag des Theaters eingeführt, der am 27. März begangen wird. Joerg Steve Mohr lebt Theater. Wir sprachen mit dem Indentanten des Theaters am Puls in Schwetzingen über seine persönliche Laufbahn und die Herausforderungen dieser Zeit für Kulturschaffende.
Warum haben Sie sich eigentlich für eine Laufbahn am Theater entschieden?
Joerg Steve Mohr: Der Wunsch, Theater zu machen, ist zurückzuführen auf meine Kindheit. In der fünften Klasse besuchte ich die Handpuppen-Theater-AG an meiner Schule. Ich hatte einen tollen Lehrer, der mich für das Geschichtenerzählen mit Handpuppen begeisterte. Mein Interesse war geweckt und ich fing an, mich für das Marionettenspiel zu interessieren, besuchte Kurse und begann mit kleinen Auftritten. In den letzten beiden Jahren meiner Schulzeit fing ich an, mich für das darstellende Spiel als Schauspieler zu interessieren, und nahm an der Theater-AG der Schule teil. Ich denke, meine Begeisterung für das Theater hat wirklich recht frühe Wurzeln. Zu sagen, woher die Begeisterung kam, kann ich eigentlich nicht wirklich. In meiner Familie bin ich wohl der „einzige Verrückte“. Vielleicht habe ich es meinem Opa zu verdanken, der mich schon recht früh mit in die Oper des Nationaltheaters nahm. Er hatte ein Abo und ich durfte ihn recht oft begleiten. Es war für mich schon immer eine spannende kreative Welt – das Theater, die Bühne.
Was hat Sie fasziniert beziehungsweise fasziniert Sie an der Bühnenkunst?
Mohr: Ich denke, das lässt sich gar nicht so in ein paar Sätzen sagen. Ich bin dankbar, dass ich diese Möglichkeit habe, dass ich vielen tollen Menschen auf diesem Weg begegnen durfte. Menschen, die mich inspiriert, mir weitergeholfen haben. Ich habe Glück, in Schwetzingen eine Stadt gefunden zu haben, die unsere Arbeit wertschätzt und unterstützt. Allen voran Oberbürgermeister Dr. René Pöltl. Die Faszination Theater findet auf verschiedenen Ebenen statt. Zum einen ist es die Arbeit mit Menschen. Zum anderen die Magie, die Theater für mich hat. Sechs Wochen proben, das ist die Regel. Sechs Wochen darf ich eintauchen in die unterschiedlichsten Geschichten, darf forschen, mich mit den Schauspielern auf die Suche machen. Wie funktioniert der Mensch, wie funktioniere ich? Ich habe immer wieder von Berufs wegen die Möglichkeit, mich zu hinterfragen, mich Themen zu stellen, die ganz abstrakt, wie in einem Versuchslabor (der Bühne) angeordnet, mir Einblicke in unser Denken und Handeln geben. Am Ende steht natürlich die Aufführung. Man möchte die Zuschauer teilhaben lassen an dem, was sich so in den sechs Wochen aufgetan hat. Für mich selbst, zumindest als Regisseur, endet die Arbeit hier. Ich denke, jede Inszenierung hat mir geholfen, mehr über mich und meine Umgebung zu lernen.
Theater dient ja nicht nur der Unterhaltung, sondern vor allem der Reflexion beziehungsweise es ist ein Spiegel der Gesellschaft und von Missständen. Ist das vielleicht auch ein Grund dafür, dass diese Kunst nicht immer das Rampenlicht bekommt, die es eigentlich verdient?
Mohr: Ich denke, das ist von Standort zu Standort verschieden. Es gibt tolles Theater auf dieser Welt und mal bekommt Theater die Aufmerksamkeit, die es verdient und manchmal hat das Theater nicht so viel Glück. Vielleicht, weil die Bewohner in der Umgebung nicht wirklich mitbekommen, dass es ein Theater um die Ecke gibt. Vielleicht, weil sie ohne Theater sozialisiert sind. Nicht wahrgenommen zu werden, ist natürlich der Tod des Theaters und nur wenig wahrgenommen zu werden wie es verständlicherweise in der Pandemie nun ist, tut natürlich weh. Man möchte ja die Geschichten, die man erzählt, mit anderen Menschen teilen.
Was glauben Sie ist die größte Herausforderung für Theater in der heutigen Zeit – und in der Zukunft?
Mohr: Sein Publikum zu finden. Gutes Theater zu machen, das die Menschen erreicht. Theater ist eine wirkliche Alternative zu allem Digitalen. Theater ist und muss analog bleiben. Live erzählte, gelebte Geschichten, gespielt von Menschen für Menschen. Dabei entsteht Magie. Es wäre wirklich ein Verlust für unsere Zivilisation, wenn die Kunst und damit auch das Theater aus unserem Leben verschwände. Theater lässt sich nicht in den digitalen Raum verschieben. Was in einem Zuschauerraum und auf der Bühne passiert, lässt sich nicht mit einer Kamera einfangen. Das Rockkonzert im Fernsehen wird niemals ein echtes Rockkonzert ersetzen und so ist das auch mit dem Theater. Aber ich bin da optimistisch. Ich denke und hoffe, dass das Theater nicht totzukriegen ist. Es ist nur zurzeit anstrengend, den Schaden, den die Pandemie angerichtet hat, nämlich das Fernbleiben der Zuschauer, auszuhalten. Es wird recht lange dauern, bis wir wieder da sind, wo wir vor dem 13. März 2020 waren (fast alle Vorstellungen waren ausverkauft). Ich rechne mit einer langen Durststrecke und ich hoffe, wir überleben diese. Sowohl was die ausbleibenden Einnahmen betrifft als auch die Motivation aller Mitwirkenden. Und natürlich hoffe ich, dass uns nicht die Gelder gestrichen werden aufgrund der momentanen Weltlage.
Auf was dürfen sich Besucher im Theater am Puls demnächst freuen?
Mohr: Die letzte Premiere in dieser Spielzeit steht am 9. April an. „Brigitte Bordeaux“, die Komödie des Ludwigshafener Autors Sergey Gössner, passt wunderbar in unsere Spargelstadt. Und ich freue mich schon sehr auf die Reaktionen.
Gibt es eigentlich jetzt wieder alle Sitzplätze nach den Corona-Lockerungen?
Mohr: Was die Sitzplätze angeht, sind seit dem 19. März die Kapazitäts- sowie Kontaktbeschränkungen nicht mehr Teil der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg. Das bedeutet für unser Haus, dass wir wieder mit einer Auslastung von 100 Prozent, das heißt für 90 Zuschauer, spielen können. In den vergangenen Monaten haben wir uns alle doch sehr daran gewöhnt, Abstand zu halten und nicht zu eng neben Fremden zu sitzen. Wir werden die Auslastung daher zunächst von 50 auf etwa 75 Prozent erhöhen. Somit haben die Zuschauer die Möglichkeit, sich langsam wieder an einen voll besetzten Theatersaal zu gewöhnen. Weiterhin bleibt natürlich unser Luftreinigungssystem, das uns die Stadtwerke Schwetzingen finanziert haben, in Betrieb. Die Maskenpflicht besteht allerdings in geschlossenen Räumen weiterhin – sowie die 3G-Regel.
Termine
Die aktuelle Spielzeit im Theater am Puls geht noch bis 4. Juni.
Premiere: Samstag, 9. April, „Brigitte Bordeaux“ (ausverkauft).
Weitere April-Termine: Freitag, 1. April, 20 Uhr: „Männerschnupfen – AlsWir“ (Improvisationstheater), Samstag, 23. April, 19 Uhr: „Das weiße Rössel 2020“, Sonntag, 24. April, 19 Uhr, „Brigitte Bordeaux“, Freitag, 19. April, 20 Uhr, „Fettes Schwein“, Samstag, 30. April, 18 Uhr, „Der Goldne Topf“.
Karten gibt’s im SZ-Kundenforum und unter 06202/9 26 99 96. kaba
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