Dr. Dietmar Schuth ist schwer im Stress. Nicht nur will er bis übermorgen das Museum Blau auf Vordermann gebracht haben. Schuth will bei der Wiedereröffnung am Samstag, 7. April, auch zwei brandneue Räume im Museum in der Hebelstraße präsentieren. Bis dahin ist es zwar noch ein ganzes Stück Arbeit, dennoch hat sich der wissenschaftliche Leiter des Projektes Zeit genommen, um unserer Zeitung einen Blick hinter den Vorhang zu erlauben.
Dieser lüftet sich beim Rundgang zuerst vor dem „Gruselkabinett“. Über die knarzenden, aber in freundlichem Blau gehaltenen Stufen der Treppe führt uns Schuth ins Obergeschoss. Es geht durch die wogenden Wellen des Meeres und einer planschenden Schlumpfine vorbei. Die flauschige Wolkenschaukel im Hintergrund macht die Idylle perfekt. Doch damit ist es schnell vorbei: Knarrend schwingt eine Kajütentür auf und lenkt unseren Blick in die Dunkelheit. Vorsichtigen Schrittes wagen wir uns in die düstere Kammer. Irgendwo weiter hinten leuchtet es gespenstisch – ein Irrlicht? „Bis heute gibt es verschiedene Erscheinungen von blauem Licht, die wir uns nicht erklären können“, erzählt Schuth, „beispielsweise die Irrlicher.“ Im diffusen Schein einer kleinen Lampe zeigt er auf einen Kupferstich. Die düstere Friedhofszenerie auf dem Bild wird von unheimlichen blauen Lichtpunkten illuminiert.
Kupferstich an der Wand
Ein anderer Kupferstich an der Wand zeigt Zeus, der mit grimmiger Miene seine bläulich glimmenden Blitze auf die Erde schleudert. „Es gibt auch Spukgeschichten von Seeleuten, die blaue Lichter an ihren Schiffsmasten beobachtet haben, das ,Elmsfeuer’“, sagt Schuth, „der Sage nach kündigt blaues Leuchten auch den Klabautermann an.“ Theorien gebe es viele, so der Wissenschaftler, eine stichhaltige Erklärung habe aber niemand: „Die Irrlichter zum Beispiel: Manche glauben, es handele sich um Biolumineszenz etwa von Pilzen, andere wiederum sagen, es seien Methanflammen, die durch Verwesungsprozesse entstehen. Das würde insofern passen, als Irrlichter oft auf Friedhöfen beobachtet werden.“
Ein Blick zur Decke lohnt sich hier ebenfalls: Durch eine kleine Luke leuchten Erde und Neptun. „Eigentlich hat der Neptun den Namen ,Blauer Planet’ viel eher verdient“, sagt Schuth und ergänzt schmunzelnd: „Nur touristisch lässt sich da nicht so viel machen, die Atmosphäre besteht hauptsächlich aus Methan.“ Für Gruselfreunde jeden Alters wartet in einer Ecke der Kammer auch ein gemütlicher Sessel mit einem Stapel Schauergeschichten – ja, auch blaue Gespenster gibt’s.
Vom schaurig-schönen Grusel führt uns Schuth wieder ins Erdgeschoss. Über den funkelnden Glitzerboden im Innenhof geht es in eine Scheune. „Blau sein“ steht auf der Tür – und genau das ist hier auch Programm. „Bei meinen Führungen werde ich vor allem von den jungen Männern darauf angesprochen, dass die Farbe Blau ja auch etwas mit Betrunkensein zu tun hat“, erklärt Schuth und zeigt auf eine Sammlung blauer Schnaps- und Weinflaschen.
Er greift ein Exemplar heraus und präsentiert den blauen Affen, der auf der Flasche abgebildet ist. „Noch so eine Redewendung: Früher sagte man auch ,der hat einen Affen auf dem Rücken’, wenn jemand betrunken war.“
Aber nicht nur Alkohol soll in diesem Raum eine Rolle spielen. Spricht der Engländer etwa von der Farbe, meint er eher eine melancholische Stimmung oder gar Traurigkeit („I’m feeling blue“ heißt wörtlich übersetzt „ich fühle mich blau“, meint aber „traurig“). Eine Schaufensterpuppe soll illustrieren, welche Körperstellen – wörtlich oder im übertragenden Sinne – blau sein können und welche Bedeutung dahinter steckt.
So findet man blaue Lippen meistens bei einem Erfrierenden, blaue Finger aber bei Betrügern. „Im Russischen und teilweise auch im Französischen wird mit der Farbe Blau wieder etwas anderes charakterisiert“, führt Schuth aus und zeigt auf die Wand. Die Magazincover des „Blueboy“ offenbaren gleich, was er meint: schwul sein. Im Kontrast zu den freizügig gekleideten Männern offenbaren die Illustrationen daneben eine weitere Ironie der Kulturgeschichte, erläutert Schuth: „Mit der Farbe kann nämlich genauso eine Gruppe prüder Frauen gemeint sein – die Blaustrümpfe.“
Neues Programm für Kinder
Was in der Scheune noch fehlt, sind letzte Handgriffe an den Wandkacheln und der Steinboden. Außerdem soll eine Musikanlage die Plattensammlung rund um die Farbe Blau erlebbar machen. Tolle Erlebnisse verspricht auch das neue Kinderprogramm des Museums: Ein Rundgang durch den Vogelraum mit Kunstprojekt, eine Expedition in die Schatzhöhle, das eigene Museum oder ein Kindergeburtstag sind mit Museumspädagogin Elisabeth Voigtländer möglich. Schuth jedenfalls arbeitet nun fleißig weiter, damit zur Eröffnung alles steht.
Info: Fotos und ein Video gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
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