Der Leiter des Theaters am Puls, Joerg Steve Mohr, hat eine der meistgespielten Tragödien der europäischen Theaterliteratur, Shakespeares „Hamlet“, inszeniert und sie am Samstagabend im ausverkauften Seepferdchengarten dem Publikum präsentiert – allerdings nicht in einer Theaterfassung, sondern als Live-Hörspiel: eine Mischung aus szenischer Lesung, gespielten Szenen, vorgefertigtem Soundtrack und anderen Geräuschen.
„Wir hatten vor, das Stück als Premiere in der nächsten Spielzeit zu bringen“, erklärte Mohr den Zuschauern vor Beginn der Aufführung, „dafür haben wir geprobt und geprobt, das vorläufige Ergebnis sehen sie hier.“ Ob es eine nächste Spielzeit geben wird, das steht noch in den Sternen, doch die mit Einfallsreichtum und Sprachmächtigkeit dargebotene Live-Hörspiel-Fassung war, dank eines hervorragenden Schauspielteams, ebenfalls großes Kopfkino.
Das Publikum hatte von Anfang an viel Spaß daran, obwohl die Hörspielvariante dieses berühmten Stoffes keine bequeme Lektüre lieferte. Konzentriert auf Wort und Spiel bot die nahtlose Szenenfolge trotzdem viel Überraschendes, Spannendes, Ergreifendes, immer wieder auch Musikalisches, bisweilen gar Witziges. Die Vorlage wurde so geschickt gekürzt, so flott auf die Klangskala des Hinhörens umgesetzt, dass nichts vom Inhalt und auch nichts von der Gedankentiefe der Tragödie auf der Strecke blieb.
Das Drama des Dänenprinzen, der seinen ermordeten Vater rächt, wird sehr verständlich entlang des Spielgerüsts nacherzählt: Die Trauer ist groß im Staate Dänemark, als der König angeblich an einem Schlangenbiss starb. Gertrude (sehr lebensnah Beate Krist), die Witwe des Verstorbenen, heiratet ungebührlich rasch ihren Schwager Claudius (ziemlich brav Michael Hecht). Dem jungen Prinzen Hamlet (zweifelnd, grübelnd, rebellisch Nikolaus Weber) scheint etwas „faul im Staate Dänemark“ zu sein, seinem Onkel tritt er äußerst skeptisch gegenüber.
Spektakuläre Ophelia
Als der Geist seines Vaters ihm seine Vermutung bestätigt, dass es Mord war und Claudius der Täter, stellt er sich geistig verwirrt, um so seinen Onkel zu überführen. Während einer Aussprache mit seiner Mutter, der Königin, tötet er versehentlich den Kämmerer des Königs, Polonius (mit großartiger Präsenz Christoph Kaiser), dessen Tochter Ophelia (spektakulär, auch als Sängerin Sina Große-Beck) seine große Liebe gehört. Auch diese brüskiert er und fordert sie auf, ins Kloster zu gehen. Hamlets Zurückweisung und die Ermordung ihres Vaters verwirren Ophelias Geist und treiben sie in den Selbstmord.
An Hamlets Seite steht sein bester Freund Horatio (ausdrucksstark in Mimik und Gestik Denis Bode), der in dieser Inszenierung unter anderem die Aufgabe hat, die Handlung erzählend zu resümieren, aber auch um andere Rollen zu übernehmen, die Rolle von Rosenkranz und Güldenstern zum Beispiel. Das finale Duell zwischen Laertes (energiegeladen Daniele Veterale), Ophelias Bruder, und Hamlet überlebt wegen vergiftetem Trank und vergifteter Degenklinge niemand außer Horatio. Bevor „Der Rest Schweigen ist“, gibt Hamlet ihm den Auftrag: „Berichte von meinem Schicksal!“. Und das tut er. Wort für Wort zieht er die Zuschauer hinein in einen „Hamlet“, in dem auch der Totenkopf nicht fehlte und auch nicht der berühmte Monolog „Sein oder nicht sein“, allerdings von Ophelia gesprochen, und in dem der dänische Prinz dem Königspaar Regieanweisungen gibt, wie es, statt der Schauspieler, selbst seine Freveltat vor Augen führt.
Damit zelebrierte dieses Live-Hörspiel auch die Fähigkeit des Theaters, Reflexionen auszulösen. Mancher Regieeinfall brachte aktuelle Bezüge ins Geschehen, ließ aber trotzdem nicht vergessen, dass es in dem seit 1600 meistgespielten Stück der Weltliteratur um Themen geht, die immer schon Gültigkeit hatten: Lug und Betrug, Schein und Wahrheit, Liebe und Verrat, Macht, Gewalt und Moral, Sein oder Nichtsein. Diese starke Ensembleleistung riss in dem atmosphärisch geladenen Seepferdchengarten die Zuschauer am Ende zu langanhaltendem Applaus hin.
Info: Weitere Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
Sommer-Open-Air des Theaters am Puls im Schlosspark
Das Theater am Puls bietet noch zwei Freiluftveranstaltungen im Seepferdchengarten im Schlosspark an, bei schlechtem Wetter geht’s in die Zirkelsäle.
Freitag, 7. August, 20 Uhr: Dick im Geschäft, „Musical“-isches Solokonzert von André Haedicke.
Samstag, 15. August, 20 Uhr: Iwwa di Brick, von Nici Neiss (bereits ausverkauft).
Tickets kosten 20 Euro. Karten gibt es beim Theater am Puls, www.theater-am-puls.de (nur online), über www.reservix.de, Hotline 01806/70 07 33 (auch an Wochenenden und Feiertagen, 20 Cent pauschal aus dem deutschen Festnetz; 60 Cent aus dem Mobilfunknetz). Es gibt keine Abendkasse! kaba
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-klassiker-in-gelungener-interpretation-_arid,1669608.html