Viele Jahre war Manfred Kern als Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen fester Bestandteil der hiesigen Politikszene – als Stadtrat (1999 bis 2009) und Kreisrat (2009 bis 2014) sowie ab 2011 als Landtagsabgeordneter. Seit Beginn der neuen Legislaturperiode ist der 62-Jährige quasi im politischen Ruhestand. Im Gespräch erzählt er darüber, blickt aber auch zurück und spricht über Kulturpolitik.
Sie waren zehn Jahre für die Grünen im Schwetzinger Stadtrat, danach fünf Jahre Kreisrat und schlussendlich zehn Jahre im Landtag in Stuttgart. Wie geht es Ihnen jetzt so ganz ohne Politik?
Manfred Kern: Also ohne Politik bin ich ja nicht. Das politische Sein zieht man sich ja nicht aus wie ein Sakko. Was ich aber erstmals seit zwei Jahrzehnten bin: ohne Amt. Und das fühlt sich bis dato gut an. Ich genieße es, mehr Zeit zu haben und mich als Steuer- und Unternehmensberater im Kulturbereich sozusagen neu zu erfinden. Ja zurückblickend fühlt es sich fast wie eine Art Befreiung an. Die hierarchischen Strukturen waren schon sehr erdrückend. Und zum Ende hin fand ich mich in Sachen politische Programmatik schon ziemlich am Rand wieder. Schön ist anders.
Gibt es etwas, das Sie vermissen?
Kern: Ja, den Teamgeist in der Fraktion. Wir haben bei allen Schwierigkeiten unterm Strich gut zusammengearbeitet und, so meine ich, einiges für die Menschen in Baden-Württemberg erreicht.
Eine Einschätzung, die der Theaterintendant Joerg Steve Mohr vom Theater am Puls so nicht teilt. In einem Gespräch mit der Schwetzinger Zeitung erklärte er unlängst gar, dass die Grünen die Kultur unter den Tisch haben fallen lassen und die Kulturschaffenden alleine ließen. Schmerzt Sie so etwas, immerhin waren Sie kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag?
Kern: Klar schmerzt das erst einmal. Man kann ja nicht sagen, dass wir gar nichts für die Kultur getan hätten. Aber ich stimme Mohr in der Analyse in der Tendenz durchaus zu. Gerade für die kleinen Bühnen und freien Kulturschaffenden blieben wir unter unseren Möglichkeiten. In Sachen Grundeinkommen für Künstler stehe ich sogar voll und ganz hinter ihm. Kultur, davon bin ich zutiefst überzeugt, muss nachhaltiger gefördert werden. Da bin ich übrigens ganz eins mit den Grünen im Bund, die ebenfalls eine Grundförderung für Kulturschaffende wollen. Mohr unterschätzt wohl die doch sehr breite Interessenslage mit divergierenden Kräften im Parlament. Von dem berühmten Soziologen Max Weber stammt die Formel: „Politik ist das langsame Bohren von harten Brettern“. Dieser mittlerweile mehr als 100 Jahre alte Satz beschreibt die politische Arbeit auch im neuen Jahrtausend recht gut.
Welchen Stellenwert ordnet die Politik der Kultur in Ihren Augen zu?
Kern: In Sonntagsreden hängt sie jeder ganz oben hin. Aber sobald es hinter verschlossenen Türen ums Geld geht, will sich kaum einer noch an seine Sonntagsworte erinnern. Das Problem beginnt in meinen Augen schon beim Ministeriumszuschnitt. In Baden-Württemberg heißt das verantwortliche Ministerium „Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst“. Und diese Anordnung symbolisiert den Stellenwert ganz gut. 90 Prozent der Ministeriumsmittel gehen in die Wissenschaft und nur zehn Prozent in die Kultur. Die strukturelle Schieflage ist offensichtlich. Anders übrigens in Schwetzingen. Die Stadt und der Gemeinderat in seiner jetzigen Besetzung haben die Bedeutung der Kultur für die Gesellschaft offensichtlich erfasst.
Können Sie also verstehen, dass sich viele Kulturschaffenden nicht gesehen fühlten?
Kern: Ja, durchaus. Für mich kann ich aber sagen, dass ich getan habe, was geht. Ich bin mir über die Bedeutung der Kultur im Klaren. Und ich hätte gerne Sätze wie den des englischen Premiers Winston Churchill auch in Deutschland von weiter oben gehört. Auf etwaige Kürzungen der Mittel für Kultur zugunsten der Kriegswirtschaft hat er im Parlament entwaffnend gefragt, „wofür kämpfen wir dann“. Aber es gilt auch, dass viel getan wurde. Perfekt war und ist es nie, aber das gilt für Menschenwerk ja immer. Problematisch ist, dass die kleinen Strukturen, die ökonomisch nicht ganz so viel Durchschlagskraft entwickeln können, durchaus schnell unter die Räder zu geraten drohen. Aber das gilt leider in vielen Bereichen. Es stimmt schon, was der amerikanische Philosoph Michael J. Sander mit seinem Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann“ postulierte. Wir haben dem Markt viel Platz eingeräumt. Die Regeln des Marktes haben mittlerweile fast alle Lebensbereiche besetzt, auch jene, die besser jenseits von Gewinnstreben und Konsum liegen sollten. Das Gute daran, nichts ist in Stein gemeißelt, auch dagegen kann man aufbegehren.
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