Herxheim. Fast jedes Dorf hat sie: eine Freiwillige Feuerwehr, getragen von Ehrenamtlichen aus dem Ort. Besonders in ländlichen Regionen stammen viele dieser Ehrenamtlichen traditionell aus der Landwirtschaft. Sie helfen nicht nur als Feuerwehrleute mit, sondern bringen auch ihre Maschinen und Technik ein – eine wertvolle Unterstützung. Aber: „Katastrophen machen nicht an der Kreisgrenze halt“, sagt Thomas Knecht, Landwirt aus Herxheim bei Landau. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Landwirte, die sich aktiv in den Feuerwehren engagieren.
Innovation in der Südpfalz: Red Farmer verbindet Helfer
Um dem entgegenzuwirken, haben Knecht und der Billigheimer Winzer Ingo Pfalzgraf im Jahr 2022 ein innovatives Projekt ins Leben gerufen: Red Farmer. Gemeinsam mit dem Kreisverband Südliche Weinstraße, dem Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd sowie dem Landkreis Südliche Weinstraße wollen sie Landwirte und Feuerwehren besser vernetzen – für den Katastrophenfall. Seit 2024 ist auch Bayern offiziell dabei. Die Idee entstand, als Landwirte nach der Flut 2021 Hilfsgüter ins Ahrtal brachten, sogenannte Vitamintransporte – Lieferungen mit frischen Lebensmitteln und Alltagsgütern.
Das Projekt Red Farmer – Landwirtschaft hilft retten
- Der Verein Red Farmer organisiert und koordiniert die Unterstützung von Feuerwehren durch landwirtschaftliche Betriebe – etwa mit Traktoren, Tankwagen und anderen Großgeräten – bei Wald- und Flächenbränden oder anderen Großschadenslagen .
- Gründungsjahr: 2022 (als Initiative), 2025 (als eingetragener gemeinnütziger Verein).
- Landwirte und Feuerwehren registrieren sich im Online-Portal: www.redfarmer.eu – im Bedarfsfall kann die Feuerwehr Landwirte kontaktieren.
- Aktueller Stand: Über 500 landwirtschaftliche Maschinen bundesweit registriert, Kooperation mit rund 100 Feuerwehren , bundesweite Ausweitung seit 2024 (u. a. in Bayern).
- Koordination über Online-Portal: Landwirte: Registrierung von Maschinen & Geräten mit Standort, Zugriff für Feuerwehren im Ernstfall zur schnellen Koordination.
- Auszeichnungen: Ehrenamtspreis der Versicherungskammer Stiftung (2024).
Dass das Projekt ausgerechnet in der Südpfalz entstanden ist, scheint kein Zufall. Die Südpfalz als Region mit starkem Weinbau und vielen kleinen landwirtschaftlichen Betrieben bietet ideale Voraussetzungen: Viele Maschinen sind vorhanden, die Wege sind kurz. Und: In den Dörfern packen viele noch mit an, wenn’s drauf ankommt.
Doch auch die Landwirtschaft steht unter Druck: Immer mehr Höfe schließen, der Nachwuchs fehlt. Mit ihnen verschwinden nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch wertvolle Technik, die im Notfall hilfreich wäre. Red Farmer versucht, dem etwas entgegenzusetzen – indem es vorhandene Technik sichtbar macht und gezielt verfügbar hält.
Der Vorteil für Landwirte gegenüber privater Unterstützung der Feuerwehr? „Sie können sich die entstandenen Kosten ersetzen lassen und ihre Maschinen sind im Einsatz versichert“, sagt Knecht. Früher sei das vom Wohlwollen der Politik abhängig gewesen, ob ein Landwirt einen entstandenen Schaden ersetzt bekam – beim Einsatz über den Verein sind sie abgesichert.
Über die Plattform www.redfarmer.eu können Landwirte ihre Fahrzeuge und Geräte registrieren – etwa Wasserfässer, Maischewagen oder Traktoren mit Anhängern. Auch Feuerwehren melden sich dort an, um im Ernstfall gezielt darauf zugreifen zu können.
Von der Südpfalz in die Welt?
Denn wenn es brennt, zählt jede Minute – und jeder Liter Wasser. „Es geht vor allem um Großschadenslagen, wie wir sie im Ahrtal erlebt haben oder um großflächige Waldbrände“, erklärt Knecht. Zu Beginn habe man ihn belächelt: „Der Knecht hat wieder so eine spinnerte Idee“, sei oft zu hören gewesen. Im vergangenen Jahr wurden er und seine Mitstreiter mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Er ist mit 5000 Euro dotiert.
„Theoretisch ist Red Farmer weltweit umsetzbar“, sagt Knecht – ein Landwirt aus Norditalien sei bereits registriert. Aktuell fehle dazu aber das Geld – eine geplante App würde rund 150.000 Euro kosten. „Wir bleiben erstmal in Deutschland“, so Knecht. Ziel ist der bundesweite Ausbau – und der ist längst im Gange: Neben vielen Betrieben aus Rheinland-Pfalz und Bayern ist auch eine Feuerwehr aus Kiel dabei. Seit 2022 ist das Online-Netzwerk rasant gewachsen – mehr als 500 Maschinen haben Landwirte bereits registriert und rund 100 Feuerwehren sind mit dabei. Um das Projekt weiter zu finanzieren, werben Knecht und Pfalzgraf bei Stiftungen, Versicherungen und Banken um Unterstützung.
Natürlich ersetzen Traktoren und Fässer keine Feuerwehrfahrzeuge – aber sie sind im Ernstfall eine wertvolle Ergänzung. Ein landwirtschaftlicher Tankwagen kann, nachdem die Fässer befüllt und angehängt wurden, innerhalb einer Stunde bis zu 15.000 Liter Wasser zu einem nahegelegenen Großbrand bringen. Die Schläuche lassen sich dabei direkt an den Wagen anschließen. Auch große Mengen an Hilfsgütern lassen sich mit diesen Maschinen effizient transportieren.
„Ob wir Red Farmer langfristig in ganz Deutschland umsetzen können, wird auch davon abhängen, wie viele Menschen sich vor Ort einbringen – nicht nur mit Maschinen, sondern auch mit Zeit, Engagement und dem Willen, gemeinsam anzupacken“, ist Knecht überzeugt. Was als Idee aus der Südpfalz begann, hat sich längst über Landesgrenzen hinweg bewegt. Und vielleicht ist genau das die größte Stärke der Initiative: Eine Idee aus dem Dorf, die heute schon Feuerwehren bis Kiel erreicht – pragmatisch, bodenständig und mit viel Herzblut.
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[1] https://redfarmer.eu/