Die Fahrt zur Buchmesse nach Leipzig konnten sich die Schwetzinger Literaturfreunde sparen, sie bekamen in der Stadtbibliothek fachkundig Tipps zu den Neuerscheinungen dieses Frühlings. Literarisch informiert und unterhaltsam erzählten Barbara Hennl-Goll, Inhaberin der Bücher-Insel, Bibliotheksleiterin Katja Breitenbücher, Literaturexpertin Dagmar Krebaum und der Gast aus Köln, Buchhändler Jürgen Haber, einiges über die Inhalte der Bücher und gaben Bewertungen ab.
Die Besucher wissen diese Art von Unterhaltung zu schätzen, stets ist der Saal voll besetzt. Brigitte Schröder besucht seit Jahren schon die Veranstaltung, denn „hier werden Bücher so vorgestellt, dass die Zuhörer verstehen, warum sie begeistern.“ Sie liest gerne Krimis, „auf der heutigen Liste ist für mich auch etwas dabei“, freute sie sich. Die Brühlerin Gertrude Storf pries die Sachkenntnis der Runde auf dem Podium an und betonte: „Wer möchte, dass es im Ortskern weiterhin so einen Buchladen wie die Bücher-Insel gibt und so kompetent beraten wird, sollte hier und nicht online kaufen.“
Spannend und faszinierend fand Hennl-Goll Brigitte Glasers Roman „Rheinblick“ (List, 432 S., 20 Euro). „Eine Woche lang habe ich mich mit dem Buch, dem geschichtlichen Hintergrund beschäftigt“, gestand sie. „Lesen Sie den Roman“, riet sie: Ein Krimi mit einer überraschenden Auflösung und einer wirklich zarten Liebesgeschichte.“
Schattenseiten eines Autors
Beim Familienroman „Die Glocke im See“ von Lars Mytting (Insel 2019, 482 S., 24 Euro) empfand Breitenbücher: „Das ist für mich das Buch des Frühjahrs“. Klug und überzeugend argumentierte sie warum: „Man spürt die Liebe des Autors zu der Gegend seiner norwegischen Heimat, man erfährt in dem bild- und sprachgewaltigen Werk viel über das entbehrungsreiche Leben der Dorfbewohner.“ Die Büchereileiterin wies auch auf „Malva“ von Hagar Peeters (Wallstein, 245 S., 20 Euro) hin. Aus Sicht der achtjährig verstorbenen Tochter des Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda zeigt die Autorin die Schattenseiten ihres Vaters auf, aber auch anderer Schriftstellerpersönlichkeiten, die ihre Kinder vernachlässigten.
Eingebettet in den historischen Hintergrund sozialer Ungerechtigkeit und Rassismus in Amerika des 21. Jahrhunderts stellte Krebaum den preisgekrönten Roman „In guten wie in schlechten Tagen“, von Tayari Jones (Arche, 352 S., 22 Euro) vor. Sachkundig machte sie deutlich, warum es sich lohnt, diese „zart romantisch, schmerzhaft realistische“ Liebesgeschichte zu lesen. Von einer unmöglichen Liebe erzählt der Brite Julian Barnes im Roman „Die einzige Geschichte“ (Kiepenheuer, 304 S., 22 Euro), den Krebaum empfahl. Darin erzählt Barnes von der Liebe eines jungen Mannes zu einer fast dreißig Jahre älteren Frau, die „von romantischem Überschwang über alltägliche Enttäuschung zur totalen Ernüchterung führt“.
Den Nerv des Publikums traf Krebaum mit Mackenzi Lees „Kick-Ass Women“ (Suhrkamp, 174 S., 20 Euro), wo die Autorin Frauen vorstellt, die in der Geschichte übersehen werden. Haber beeindruckte mit der wahren Geschichte „Die Orient-Mission des Leutnant Stern“ von Jakob Hein (Galiani, 256 S., 18 Euro), wo Edgar Stern muslimische Gefangene, als Zirkus getarnt, nach Konstantinopel schmuggelte. Hennl-Goll stellte, passend zum Schwerpunkt des Abends, „Die Liebe im Ernstfall“ von Daniela Krien (Diogenes, 288 S., 22 Euro) vor. Tipp für junge Leser: In der Kinderbuchreihe „Little people, big dreams“ (Insel, jedes Buch 32 S. zu je 13,95 Euro) stellt die spanische Autorin Isabel Sanchez-Vegara die Kindheit berühmter Frauen wie Coco Chanel, Marie Curie oder Anne Frank vor, die auch kongenial illustriert ist.
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