Wer Beethoven einmal ganz anders erleben möchte, sollte am Montagabend, 19.30 Uhr, ins Rokokotheater nach Schwetzingen kommen. Das Kuss-Quartett, eines der renommiertesten Kammermusik-Ensembles, und Nico and the Navigators, eine der wichtigsten freien Musiktheater-Kollektive aus Berlin, nehmen sich innerhalb der SWR Festspiele zusammen Beethovens später Werke an.
Dabei muss man nicht befürchten, dass die Musik durch die Akteure der freien Gruppe oberflächlich bebildert wird. Vielmehr „verhalten“ die Darsteller sich zur Musik wie zu einem Partner auf Augenhöhe. Regisseurin Nicola Hümpel, die das Theaterkollektiv 1998 gegründet hat, hat diese Art der inszenierten Konzerte erfunden und zu ihrem Markenzeichen gemacht. Tanz, Bewegung und Videos sind Elemente, die ihre Arbeiten auszeichnen.
Klassisch ausgebildete Musiker, die sich auf eine Zusammenarbeit mit Hümpel einlassen, verlassen dabei den vertrauten Boden des Konzertpodiums: Auch sie bewegen sich frei auf der Bühne und müssen die Werke somit auswendig spielen.
Hümpel beschreibt ihre Methode so: „Wenn man klassische Musiker aus ihrem geschlossenen Zirkel reißt und sie in den offenen Raum stellt, mutet man ihnen natürlich viel zu – auch weil ihr direkter Kontakt für das perfekte Zusammenspiel ja unerlässlich ist. Wenn man ihnen dann noch die Noten wegnimmt und sie in Bewegung setzt, treibt man sie an ihre Grenzen – und führt sie bestenfalls ins unbekannte Offene.“ – „Körperlich erlebtes Timing ist etwas, was wir neu gelernt haben über Beethoven“, gibt Oliver Wille, Gründer des Kuss-Quartetts, denn auch zu. Sich auf die Akteure einzulassen, die zwar nicht auf Instrumenten, aber auf andere Weise mitspielen, sei eine neue Erfahrung gewesen.
Aber auch die Regisseurin begegnet in der intensiven Auseinandersetzung mit der Musik den Komponisten immer wieder neu. So wie aktuell dem späten Beethoven: „Für mich war es überraschend, wie aufrichtig menschlich und anrührend diese Werke jenseits der landläufigen Titanen-Klischees sind. Manche Passagen hört man heute ganz anders als vor zwei Jahren – und denkt angesichts äußerer Zwänge dabei neu über innere Freiheit nach.“
Ursprünglich sollte die Aufführung in Schwetzingen schon vor zwei Jahren stattfinden. Doch dann kam Corona dazwischen und es entstand stattdessen ein 80-minütiger Film, der auf Arte gezeigt wurde. Die Bühnenfassung wurde im vergangenen November im Dortmunder Konzerthaus uraufgeführt. Hümpel sagt zum Film: „Da ich in meinen Arbeiten auch auf der Bühne mit filmischen Mitteln arbeite und die Blicke des Zuschauers mit Kameras fokussiere, kam das Ergebnis meinen Intentionen sehr nah. Dennoch ist die Unmittelbarkeit des Erlebens durch ein solches Dokument nicht zu ersetzen. Im Theater spürt man die Dialektik von Zwang und Freiheit am stärksten.“
„Zwang und Freiheit“ – „Force & Freedom“ ist der Abend überschrieben. Das Motto ist Beethovens großer Fuge in B-Dur entlehnt, die zu hören sein wird. Ursprünglich bezog sich der Titel also auf die äußeren Zwänge, denen jeder Künstler ausgesetzt ist, etwa durch Geldsorgen oder eine Behinderung – wie Beethovens Taubheit. Durch Corona habe er eine ganz neue, aktuelle Bedeutung erhalten, sind sich die Künstler einig.
Es gibt noch Karten von 19 bis 69 Euro im SZ-Kundenforum am Montag von 8 bis 12 und 13 bis 17 Uhr. Onlinebestellungen sind per E-Mail bei swrclassic@swrservice.de möglich.
Unsere Zeitung verlost zudem dreimal zwei Freikarten. Das Formular zum Mitmachen und die Teilnahmebedingungen gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de/gewinnspiel. Einsendeschluss ist Sonntag, 22. Mai, 16 Uhr, Stichwort: „Force & Freedom“.
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