Es war ein außergewöhnlicher Abend in der gut besuchten evangelischen Stadtkirche. Und um es gleich vorweg zu sagen, außergewöhnlich heißt hier auch irgendwie abgefahren. Dieses Kulturereignis aus Lesung und Musik rund um Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ glich einem Kometendurchzug am Firmament. Klar, man hat davon schon gehört, kennt seine Bedeutung für die italienische und europäische Literatur und Malerei und doch hat man nicht alles sofort verstanden und staunt. Und genau deswegen offenbarte sich der Zauber rund um diesen Trip durch die Hölle bis ins Paradies so gut.
Die vier Protagonisten, der Mailänder Dante-Kenner Lorenzo Bastida und seine drei musikalischen Begleiter Johannes Matthias Michel (Orgel) sowie die beiden Sänger Cornelia Winter und Christoph Wittmann veranstalteten mit ihren Zuhörern eine faszinierende Reise, die mehr als 700 Jahre in die Vergangenheit führte. Machtvolle italienische Stadtstaaten und andauernde Kämpfe zwischen Kaiser- und Papsttreuen machten das Leben der Zeitgenossen im 13. Jahrhundert nicht leicht. Dante Alighieri, geboren im Jahr 1265 in Florenz war ein politisch aufstrebender Stern und geriet doch in die Mühle des erbarmungslosen Machtkampfes und musste lebenslang ins Exil.
Hier begann er das Schreiben an der „Göttlichen Komödie“, dessen Fertigstellung fast bis zu seinem Tod 1321 in Ravenna dauerte. Es war nicht abzusehen, aber entstanden ist ein Buch, das nicht wenige in Europa noch heute ein Jahrtausendwerk nennen. Es verankerte die italienische Sprache als Literatursprache, läutete den italienischen Humanismus ein und strahlte über die Renaissance hinweg. Die Vorstellung von Hölle, wie sie Hieronymus Bosch (1450 bis 1516) unnachahmlich malte, drang tief ins europäische Bewusstsein ein. Ja, sogar das Konzept der individuellen Liebe basierend auf Zuneigung geht literarisch auf diesen Mann zurück und so hätte Bastida programmatisch wohl Nächte füllen können.
Orgelstück aus dem Jahr 1320
Am Ende waren es nur zwei Stunden, aber die hatten es musikalisch wie textlich in sich. Musikalisch umspannten der Mann an der Orgel und die beiden Sänger eine 700 Jahre umfassende Epoche. Den Anfang machte ein Orgelstück aus dem Jahr 1320, das dem Zuhörer einiges abverlangte. Anschließend ging es musikalisch von Max Regers „Inferno“ aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts und Giacomo Puccini Arie aus „Giani Schichi“ über Joseph Haydn „Lob der Faulheit“ bis zum Requiem von Gabriel Fauré und schlussendlich zu Hermann Goetz Oper „Francesca da Rimini“. Wunderbar, manchmal aufreibend und ganz selten sogar verstörend.
Und im Grunde gilt das Gleiche für Bastida. Der Mann versteht es zu lesen. Sogar zum Schluss, als er eine kurze Passage nur in italienisch vortrug, hingen ihm seine Zuhörer an den Lippen. An diese Reise auf Dantes Schultern und in Begleitung des römischen Dichters Vergil und seiner im Jahr 1290 mit 24 Jahren viel zu früh verstorbenen Jugendliebe Beatrice durch die drei Reiche des Todes wird man sich erinnern. Es gibt in Kirchen nicht oft Applaus und meist auch nicht lang und laut. Doch hier war das so und das völlig zu Recht. Das Werk und die Reise mit den vier Künstlern war aufsehenerregend.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-mit-dante-alighieri-in-die-vergangenheit-_arid,1855625.html