Stadtbibliothek - Beim Herbstleseabend geben Barbara Hennl-Goll, Katja Breitenbücher und Dagmar Krebaum persönliche Literaturempfehlungen

Mit dem Ballon geht’s in die Freiheit

Von 
Maria Herlo
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Beim Herbstleseabend in der Stadtbibliothek gibt es Literaturempfehlungen von Barbara Hennl-Goll (v. l.), Katja Breitenbücher und Dagmar Krebaum. © Lenhardt

Ihre Begeisterung ist ansteckend, wenn sie die Zuhörer mit in die Welt der Bücher nehmen. Barbara Hennl-Goll von der Bücherinsel, Katja Breitenbücher, Leiterin der Stadtbibliothek, und Dagmar Krebaum, Dozentin für Literatur, haben sich auch am Donnerstagabend vor zahlreichen Zuhörern einiges einfallen lassen, um sie fürs Lesen zu motivieren.

Locker, kurzweilig und humorvoll präsentierten sie nicht nur die einzelnen Buchtitel, sondern zelebrierten sie regelrecht, so dass den Gästen schnell klar wurde: Hier wird Literatur auch gelebt. Nach einer ereignisreichen Buchwoche mit der Vergabe des Literatur-Nobelpreises, des Deutschen Buchpreises, des Man-Booker-Literaturpreises, mit der Frankfurter Buchmesse und Norwegen als Gastland sowie 30 Jahre deutsche Einheit gab es viel Interessantes zu berichten, vor allem auch, weil eine Flut von Neuerscheinungen die Regale der Buchläden füllen.

Daraus eine Auswahl zu treffen ist schwer genug, gestand Hennl-Goll gleich zu Beginn des Abends, „ich fange schon im Sommer an, mich vorzubereiten“, sagte sie, „und dann kommt das und jenes Buch dazu, so dass sich einiges ansammelt“. Und wer Hennl-Goll kennt, weiß, dass sie ein besonders Faible für Kinder- und Jugendbücher hat. So stieg sie ein mit einem Band der Jugendbuch-Autorin Kristen Fulton „Mit dem Ballon in die Freiheit“, das auch zum Themenkreis „30 Jahre Deutsche Einheit“ gehört. Sowohl die Autorin als auch der kongeniale Erfolgsillustrator Torben Kuhlmann und der Übersetzer Jakob Hein lassen Kinder hier ein Stück deutsch-deutsche Geschichte nacherleben.

Alles nur aus Zuckersand

Zum gleichen Themenkreis gehört auch das Jugendbuch „Alles nur aus Zuckersand“ von Dirk Kummer, das verfilmt wurde und den Grimme-Preis bekommen hat, sowie „Nicht wie ihr“ von Tonio Schachinger, für Fußballfans ein wahres Vergnügen. Besonders angetan war sie von „Marzahn, mon amour“, in dem die preisgekrönte Schriftstellerin Katja Oskamp, die in Berlin-Marzahn in einem Fußpflege-Salon arbeitet, ihre Erlebnisse von dort aufgeschrieben hat: „Lassen sie sich von den wunderbaren Geschichten rund um einzelne Menschenschicksale verzaubern“, legte Hennl-Goll es ihren Zuhörern ans Herz.

Als „einen berührenden, vielschichtigen Roman, der nie ins Rührselige abdriftet“, stellte Breitenbücher „Blackbird“ vor. Es ist der Erstling von Matthias Brandt, dem bekannten Schauspieler und Sohn des Ex-Kanzlers Willy Brandt. Trotz der traurigen Umstände kommt der Roman leichtfüßig und lebensbejahend daher, mit aberwitzigen Situationen. Für Breitenbücher ist das Buch eine der wichtigsten Neuerscheinungen des Herbstes. Sehr gut gefallen habe ihr auch „Drei“ des israelischen Schriftstellers Dror A. Mishani, ein spannendes Werk voll unerwarteter Wendungen. „Nehmen Sie sich nicht zu viel vor, wenn Sie es zu lesen beginnen“, riet sie.

Ein Plädoyer für das Lesen

Als Einstieg in den Jugendroman „Amy und die geheime Bibliothek“ von Alan Gratz erzählte Krebaum von einer Nachricht aus der „Zeit“, dass in den USA hunderte Kinderbücher aus Bibliotheken und Schulen verbannt werden, weil Erwachsene meinten, sie hätten einen schlechten Einfluss. Das Buch ist „ein wunderbares Plädoyer für Bibliotheken und fürs Lesen“, sagte sie, „eine schöne Geschichte, wo die Protagonistin auf die Idee kommt, für verbotene Bücher eine Geheime-Schließfach-Bibliothek zu gründen und so dafür zu sorgen, dass andere Kinder sie lesen können“.

„Unvorstellbares Leid“ – welche Konnotation dieser Ausdruck haben kann, zeigt das Buch „Die Nickel Boys“, das Krebaum als sehr lesenwert empfahl. Pulitzpreisträger Colson Whitehead gibt darin schwarzen Jugendlichen eine Stimme, die in einer Besserungsanstalt die „Hölle auf Erden“ ertragen mussten. Eine wahre Entdeckung sei der Roman „Am Tag davor“, wo es Schriftsteller Sorj Chalandon gelungen ist, nicht nur den 1974 verunglückten Bergleuten ein würdiges Denkmal zu setzen, sondern auch einem aussterbenden Berufszweig. Mit den Empfehlungen zum Themenkreis Archäologie und Mythologie ging ein Abend zu Ende, der auch dank des reichhaltigen Angebots an Häppchen und Weinen zu einem Genuss wurde.

Bücherliste

Kristen Fulton „Mit dem Ballon in die Freiheit“ (Ravensburg 2019, 56 S., 20 Euro); Dirk Kummer „Alles nur Zuckersand“ (Carlsen 2019 144 S., 12 Euro); Tonio Schachinger „Nicht wie ihr“ (Kremayr und Scherlau 2019, 304 S., 22,90 Euro); Katja Oskamp „Marzahn, mon amour“ (Hanser 2019, 144 S., 16 Euro); Matthias Brandt „Blackbird“ (Kiepenheuer&Witsch 2019, 288 S., 22 Euro); Dror A. Mishani „Drei“ (Diogenes 2019 , 336 S., 24 Euro); Alan Gratz „Amy und die geheime Bibliothek“ (Hanser 2019, 248 S., 15 Euro); Colson Whitehead „Die Nickel Boys“ (Hanser 2019, 224 S., 23 Euro); Sorj Chalandon „Am Tag davor“ (dtv 2019, 320 S., 23 Euro); Silke Vry „Verborgene Schätze, versunkene Welten“ (Gerstenberg 2017, 160 S., 24,95 Euro); Jan Bajtlik „Ariadnes Faden“ (Moritz 2019, 80 S., 24 Euro); Madeline Miller „Ich bin Circe“ (Eisele 2019, 528 S., 24 Euro); Peter Christen Asbjornsen, Jorgen Moe „Die Puppe im Gras“ (Galiani 2019, 80 S., 18 Euro). her

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