Scheffelstraße - Stefan Becker vom Kreisordnungsamt steht Anwohnern Rede und Antwort / "Dargestellte Szenarien entbehren jeglicher Grundlage"

Mit Verhaltensfibel Anbaggern untergraben

Von 
Volker Widdrat
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Stefan Becker (r. vorne) nimmt im Beisein der örtlichen Polizei die Sorgen der Bürger in der Scheffelstraße auf und versucht, Ängste abzubauen.

© Lenhardt

Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises und die Stadt hatten zum kurzfristig anberaumten Informationstreff neben dem zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Racket-Club in der Scheffelstraße eingeladen. Dort sind seit Mitte letzter Woche in der Badminton-Halle knapp 200 Asylbewerber untergebracht.

Der größte Teil stammt aus Afghanistan, Irak, Pakistan, Gambia und Syrien (wir berichteten). Mit dieser Notlösung habe der Kreis, der bis Jahresende rund 5000 Menschen unter einem schützenden Dach haben muss, bereits die vierte Halle für eine Belegung mit Flüchtlingen hergerichtet. "Wir sind derzeit nicht mehr in der Lage, alle Personen in ordentlichen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen", klagte der Leiter des Kreisordnungsamtes Stefan Becker: "Das ist eine ganz schwierige Situation."

Die Flüchtlingsproblematik werde für alle Beteiligten gleichermaßen zur Belastung und die Bedingungen seien "alles andere als optimal". So müssten die Männer aus dem Racket-Center für eine Besprechung mit einem Sozialarbeiter bis ins Hotel Atlanta gehen.

Das sei doch keine Belastung, monierte ein Anwohner, der schon vor Ankunft der Flüchtlinge gemeinsam mit anderen Nachbarn Befürchtungen, ob der Sicherheit geäußert hatte. "Alle dargestellten Szenarien entbehren jeglicher Grundlage", beschwichtigte Becker. Von den jungen Männern gehe nicht mehr Gefahr aus als von jedem Einheimischen. In den sozialen Medien würden viele Unwahrheiten verbreitet. Ein rund um die Uhr eingesetzter Sicherheitsdienst behalte alles im Blick und alarmiere gegebenenfalls die Polizei.

Schüsse nicht von Flüchtlingen

Ein Vorfall vor ein paar Tagen habe nichts mit den Asylbewerbern zu tun gehabt. Ein Mann hatte auf dem Moscheegelände des türkisch-islamischen Kulturvereins einige Schüsse aus einer Schreckschusswaffe abgefeuert. Eine kleine Demonstration auf dem Schlossplatz, bei der einige Flüchtlinge gegen Lärm und Kälte in der Unterkunft protestiert hatten (wir berichteten), habe nicht nur bei der Bevölkerung für Unverständnis gesorgt. "Ein alleinstehender Mann muss die Gegebenheiten nun einmal eine Zeit lang aushalten können", meinte Becker: "Wir haben keine Alternative mehr - außer der Obdachlosigkeit."

"Haben ein anderes Frauenbild"

Womit sich die Flüchtlinge denn den ganzen Tag beschäftigen, wollte eine Frau wissen. Man müsse "strukturiert" an die Menschen herangehen, etwa durch Vereinskontakte. Vielleicht könne man die Männer auch irgendwie beschäftigen. Jeder könne seine Ideen dem Landratsamt unterbreiten, meinte Becker. Die Sprechstunden der Sozialarbeiter seien auch für die Bürger gedacht.

Kay Müller, der neue Flüchtlingsbeauftragte der Stadt, berichtete von einem Dutzend Anwohner, die bereits Kontakte zu Schulen und Vereinen hergestellt hätten. Außerdem sollen Bücher angeschafft werden. Wenn man sich mit den Flüchtlingen unterhalte, werde man allerdings "auch schnell angebaggert", kritisierte eine Anwohnerin. "Die haben eben ein völlig anderes Frauenbild." Die jungen Männer sollten deshalb instruiert werden, wie sie sich zu benehmen hätten. Toleranz dürfe man nicht nur von den Bürgern einfordern. "Das vermitteln wir alles", sagte Becker. So werde in Kürze eine "Verhaltensfibel" auf Arabisch an die Männer verteilt. Die Auflage: 1000 Stück. Auch die Mitarbeiterinnen des Rhein-Neckar-Kreises hätten "ein ureigenstes Interesse", diese unliebsamen Zustände zu ändern, erklärte der Kreisordnungsamtsleiter. Meistens seien es die Afrikaner, die sich der Belästigung von Frauen erdreisteten. Männer aus Syrien seien meistens Familienväter. Im Hotel Atlanta habe man die Übeltäter direkt angesprochen. Das habe gefruchtet. Seitdem habe es keine Beschwerden mehr gegeben.

"Arbeiten mit Hochdruck"

Auch Polizeirevierleiter Hubert Böllinger beruhigte die Situation. Wenn es Probleme gebe, könne jederzeit die Polizei gerufen werden: "Oder kommen Sie einfach bei mir im Revier vorbei."

"Wir wissen, woran wir noch arbeiten müssen", bekräftigte Becker. Er hofft, die Hallenbelegungen im Kreis so schnell wie möglich ad acta legen zu können. Viele Anwohner sehen bei der Massenunterkunft nämlich auch ein "riesiges Hygieneproblem". Die "Risiken der Räumlichkeiten" seien bezüglich Krankheiten und Seuchen "sehr groß". Momentan habe der Kreis aber keine anderen Unterkünfte zur Verfügung, erklärte Becker. Man arbeite mit Hochdruck daran, die Zustände zu ändern. Selbst bei den Dixi-Toiletten sei der Markt aber derzeit "total leergefegt".

Eine Anwohnerin brachte es abschließend auf den Punkt: Mit Ängsten und Ressentiments komme man in dieser Situation keinen Schritt weiter. Sie wolle, dass es in der Scheffelstraße friedlich bleibt. Alle Anwohner und die Ehrenamtlichen müssten gemeinsam als Multiplikatoren fungieren, "weil der Staat es allein nicht schafft: deshalb, lasst es uns anpacken".

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