Im Karfreitagskonzert der evangelischen Kantorei, das um 15 Uhr per Live-Stream aus der Stadtkirche gesendet wurde, sind Kompositionen mit ungewöhnlicher Besetzung zur Aufführung gekommen. Das instrumentale Trio, bestehend aus der Blockflötistin Almut Werner, der Cellistin Jutta Neuhaus und Kirchenmusikdirektor Detlev Helmer, der abwechselnd an der Orgel und am Klavier spielte, holte sich Sopranistin Almut Fingerle und Gemeindediakonin Margit Rothe mit ins Boot. Letztere bereicherte die musikalischen Beiträge mit Worten, die Trost und Zuversicht spendeten.
Das Repertoire unter dem Motto „Lamento e Speranza – Klage und Hoffnung“ war ausgesprochen abwechslungsreich, es spannte einen Bogen vom 14. bis ins 20. Jahrhundert und umfasste geistliche sowie weltliche Kompositionen aus den verschiedenen Ländern. Sie bezogen sich auf Ostern, auf die Passion und das Leiden im Allgemeinen, gaben aber auch ein Signal der Hoffnung, so wichtig in diesen von der Corona-Pandemie beherrschten Zeiten.
Passagen mit eigenen Akzenten
Die Interaktion von Gesang, Flöte, Cello, Klavier oder Orgel bot den zugeschalteten Besuchern eindringliche musikalische Raritäten. Fingerles Sopran, schwebend leicht, verlieh Stücken wie der jüdischen Totenklage oder dem berühmten „Flow my tears“ von John Dowland (1563 – 1626)/Jacob van Eyck (1590 1657) anteilnehmende Wärme. Die drei Instrumentalisten begleiteten sehr einfühlsam ihren Gesang und setzten zudem in den Solopassagen immer wieder eigene Akzente. Dazwischen wurden instrumentale Lamenti eingeschoben wie die „Sonate in f-Mol“ von Georg Philip Telemann (1681 – 1767), die innig weich und warme „Vocalise“ des Spätromantikers Sergej Rachmaninow (1873 – 1943), das unglaublich schön und stimmig dargebotene „Lament“ des britischen Komponisten Alan Bullard (*1947) oder „Immortelle“ von Hans Ulrich Staeps (1909 – 1988), wo man die unzertrennliche Einheit von Klavier und Blockflöte bewundern konnte.
Almut Werner erwies sich nicht nur als eine technisch perfekte Virtuosin, sondern auch als eine, die Blockflöten in allen Größen und Formen spielen kann. In die Stadtkirche hat sie fünf, von der kleinen Block- bis zur großen Bassflöte, mitgebracht.
Die Qualitäten der Cellistin Jutta Neuhaus zeigten sich ebenfalls im besten Licht, die Kompositionen erforderten von ihr oftmals kammermusikalische Sensibilität. Das Fundament und harmonische Gerüst bot ihnen Detlev Helmer am Klavier oder an der kleinen Orgel.
Mutmachende Komposition
Das Konzert eröffnete „Lamento di Tristano – La Rotta“, eine der ersten um 1320 in der heutigen Notenschrift aufgezeichneten Melodien. Anschließend gestaltete Fingerle ganz innig den Abschiedsgesang der Dido „When I am Laid in Earth“ aus der Oper „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell (1659 – 1695). Von besonderem musikhistorischen Interesse ist das Kaddish-Gebet „Yitgadal“, das Salomone Rossi (1570 – 1630) vertont hat.
„Es ist vermutlich eines der bekanntesten jüdischen Gebete überhaupt“, erläuterte Gemeindediakonin Margit Rothe, bevor sie die deutsche Übersetzung vorlas, „meistens wird es das Totengebet genannt, in Wirklichkeit ist es aber ein Lobpreis des göttlichen Namens. (…) Aus dem Kaddish-Gebet entstand später das christliche Vaterunser.“ Zauberhaft, wie die instrumentale Begleitung es verstand, der Musik Tiefe zu geben und den darin enthaltenen Gedanken zu unterstreichen.
Ein weiterer Höhepunkt des Konzerts war Johann Sebastian Bachs (1685 – 1750) „Präludiums e-Moll“, dessen erhabenen Charakter Detlev Helmer wunderbar zur Geltung brachte. Dafür kam die große Orgel an der Empore zum Einsatz. Bevor mit der letzten mutmachenden Komposition „Deine Toten werden leben“ von Telemann das Konzert zu Ende ging, las Margit Rothe noch ein Gedicht des deutsch-israelischen Religionswissenschaftlers Schalom Ben-Chorin vor, das er „Zeichen“ betitelt hatte. Helmers Begleitung am Klavier untermalte die Worte mit einer Vielfalt von Klängen, so dass Roths Lesung eine noch tiefere Bedeutung gewann, insbesondere da man erfuhr, dass dieses Gedicht mitten im Zweiten Weltkrieg entstanden ist, wo der Jude Ben-Chorin in Berlin massiv bedroht wurde. Der darin beschriebene blühende Mandelzweig wird zum Zeichen der Hoffnung, wie er es schon in der Bibel war, so die Gemeindediakonin. „Ben-Chorin will unsere Augen und unsere Herzen öffnen: Dass das Leben stärker ist als alle Todesmächte.“
Wäre das ein Präsenzkonzert gewesen, hätten die Mitwirkenden mit Sicherheit den stehenden Beifall des Publikums entgegennehmen können. Letztlich aber war es auch für die Online-Zuschauer ein eindrückliches Erlebnis. her
Info: Das Konzert ist hier abrufbar.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-musikalische-raritaeten-glaenzend-gespielt-_arid,1780589.html
Links in diesem Artikel:
[1] ekischwetzingen.de