Pferd nach Sturz eingeschläfert

Nach tragischem Unfall beim Mannheimer Maimarkt-Turnier: Das Pferd - Sportgerät oder Partner?

Von 
Kai Plösser
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Pia Reich auf Chaconie beim Maimarkt-Championat 2022: Die Reiterin war während des Maimarkt-Turniers mit Maserati gestürzt, weswegen das Pferd eingeschläfert wurde. © Michael Ruffler

Mannheim. Fünf Tierärzte waren beim Maimarkt-Turnier im Einsatz. Retten konnten sie das Pferd Maserati von Reiterin Pia Reich jedoch nicht mehr. Der zehnjährige Wallach war im Parcours am Montag zu früh abgesprungen, so dass das Tier im Hindernis landete und stürzte. Am Ende blieb nur noch die Spritze, um das Pferd von seinem Leid zu befreien. Denn der Trümmerbruch des rechten Ellbogens war laut Chef-Veterinär Kuno von Plocki nicht mehr behandelbar.

„Das Hindernis im Parcours war 140 Zentimeter hoch, es handelte sich um eine Triplebarre“, erklärt Peter Hofmann auf „MM“-Anfrage. Hofmann leitet das Turnier seit 40 Jahren, wurde diesmal aber wegen einer Corona-Infektion von Sohn Paul vertreten, der nach dem tödlichen Sturz wie folgt Stellung bezog: „Die Parcours und Hindernisse werden stets mit dem Ziel gestaltet, Unfälle und jegliche Verletzungen zu verhindern.“ Und dennoch hatte sich der tragische Unfall im MVV-Reitstadion ereignet.

Das hat Kritiker des Pferdesports auf den Plan gerufen. So sagt Andreas Parmentier, tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion LI.PAR.Tie im Gemeinderat: „Keine Trophäe ist es wert, dass dafür ein so hoch entwickeltes Lebewesen wie ein Pferd leiden oder gar sterben muss! Im Sinne des Tierschutzes wäre am konsequentesten ein Verbot des Springreitens und der Pferderennen.“

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Von
Julia Brinkmann
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In die gleiche Kerbe schlägt der Deutsche Tierschutzbund, der auf Anfrage mitteilt: „Der Deutsche Tierschutzbund lehnt jeden Sport mit Pferden, der die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Tieres überschreitet - sei es durch den persönlichen Ehrgeiz des Reiters oder, weil die an das Pferd gestellte Aufgabe an sich zu groß ist -, generell ab.“

Für Thomas Gebhardt vom Mannheimer Tierschutzverein ist der Unfall eine „schreckliche Sache“, wie er auf Anfrage sagt. Pferdesport sei ein „zweischneidiges Schwert“. Im Allgemeinen habe er nichts dagegen. Wovon er sich aber distanziert, ist der Hochleistungssport. Gebhardt ist sich sicher, dass Reiterin Reich ihr Pferd „zu 100 Prozent geliebt“ hat und zeigt Mitgefühl mit ihr. Doch die Frage sei, wann die Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter aufhöre und das Tier zum Sportgerät werde. Es müssten Grenzen zum Schutz der Pferde gezogen werden. „Das Wohl des Tieres geht über den Erfolg“, betont Gebhardt.

Den Vorwurf, dass das Pferd als Sportgerät genutzt werde, will Peter Hofmann nicht stehen lassen: „Pferde sind für uns niemals Sportgeräte, sondern Partner.“ Doch die Rolle der Tiere habe „sich gewandelt - hin zum Sport- und Freizeitpartner“, erläutert Hofmann weiter, der sich klar zur Haltung und Nutzung von Pferden auch im Sport bekennt. „Dieser gibt den Pferden in der heutigen Zeit Lebensraum und Lebensinhalt. Den gesetzlichen Rahmen für den Pferdesport in Deutschland bilden das Tierschutzgesetz und die Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“, macht Hofmann deutlich. Man setze sich für den Tierschutz ein, im Mittelpunkt stehe immer das Pferd mit seinen natürlichen Bedürfnissen.

Die Tierschutzorganisation Peta sieht das anders. Pferde dürften nicht als Sportgeräte missbraucht werden. Die Tiere würden in der Natur nur in ausweglosen Situationen über Hürden springen - das Springreiten entspreche nicht dem natürlichen Bewegungsverhalten. „Hier wird billigend in Kauf genommen, dass die Tiere einem hohen Risiko ausgesetzt sind, sich zu verletzen oder zu versterben“, sagt Jana Hoger, Fachreferentin der Organisation. So sei der Unfall beim Maimarkt-Turnier kein Einzelfall. Allein im Rennsport seien in Deutschland zwischen 2015 und 2019 mehr als 50 Pferde verstorben - davon sollen sich fünf Unfälle auf der Mannheimer Rennbahn ereignet haben. „Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da im gesamten Pferdesport Stürze und Unfälle oftmals verschleiert werden“, so Hoger.

Das kann der Badische Rennverein, der Ausrichter der Veranstaltungen auf der Seckenheimer Rennbahn ist, auf Anfrage so nicht bestätigen. 2019 seien zwei Pferde eingeschläfert worden. Aus den Jahren davor könnten keine Angaben gemacht werden, da keine Statistik geführt werde. Allerdings hebt der Rennverein hervor, dass tödliche Zwischenfälle schlecht verschleiert werden könnten, da sie die Zuschauer vor Ort mitbekommen würden. Rückmeldungen von Besitzern, wenn Pferde nach der Veranstaltung eingeschläfert werden sollten, blieben jedoch aus. Der Rennverein habe nur Kenntnis über direkt am Renntag eingeschläferte Pferde, doch man bemühe sich um Transparenz bei solchen Fällen.

Im Gegensatz zu Peta geht Hofmann von einem Einzelfall aus und nennt eine andere Zahl: Bezogen auf die letzten vier Jahre sei bei 250 000 Starts pro Jahr in Deutschland ein totes Pferd zu verzeichnen. Gleichzeitig merkt er an: „Dennoch ist jedes verunglückte Pferd eines zu viel.“ Regelverstöße und Unfälle würden zum Anlass genommen „Regelwerke zu überdenken“, versichert Hofmann. Änderungen kämen für Maserati jedoch zu spät. Pia Reich verlor durch den Sturz einen langjährigen „Partner und Freund“, wie sie nach dem Unfall sagte. „Wir werden ihn alle unendlich vermissen“.

Redaktion

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