Bastian Jansen ist seit 2021 Richter am Familiengericht in Schwetzingen. Mit Blick auf unseren Beitrag war er bereit, Fragen zum familiengerichtlichen Verfahren zu beantworten und damit Transparenz und Verständnis für diese sehr komplexen und hoch emotionalen Inhalte zu schaffen und zu erhöhen.
Allerdings sind ihm Ausführungen zu konkreten Einzelfällen aufgrund rechtlicher Bestimmungen nicht möglich.
Wenn man von der Situation ausgeht, dass nach der Trennung der Eltern diese eine klare Kontakt- und Besuchsregelungen für die Kinder getroffen haben und sich ein Elternteil plötzlich nicht mehr daran hält, führt dies in aller Regel zur Anrufung des Familiengerichts. Welcher rechtliche Ablauf beziehungsweise Mechanismus wird damit in Gang gesetzt?
Bastian Jansen: Wenn es keine gerichtliche Regelung gibt, kann jeder Elternteil eine gerichtliche Regelung verlangen. Vor Gericht schließen entweder die Eltern eine Vereinbarung, die vom Gericht gebilligt wird, oder das Gericht entscheidet, wie der Umgang auszuüben ist. Dabei orientiert es sich daran, was dem Kindeswohl am besten entspricht.
Welche Bedeutung haben vorherige Vereinbarungen und Regelungen, drohen Konsequenzen, wenn davon abgewichen wird?
Jansen: Bei einer gerichtlichen oder gerichtlich gebilligten Umgangsregelung drohen demjenigen, der dagegen schuldhaft verstößt, die Anordnung von Ordnungsgeld bis zu 25 000 Euro oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. Dies ergibt sich aus Paragraf 89 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Welche Position nimmt der Verfahrensbeistand ein und was sind seine Aufgaben?
Jansen: Aufgabe ist die Wahrnehmung der Interessen des Kindes. Er oder sie ermittelt die familiäre Situation und nimmt vor Gericht Stellung. Ein Beistand kann auch im Interesse des Kindes Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen einlegen. Der Verfahrensbeistand muss fachlich und persönlich geeignet sein. Persönlich geeignet ist eine Person, die Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen.
Hat das Familiengericht die Möglichkeit, Einfluss auf die Arbeit des Verfahrensbeistandes zu nehmen?
Jansen: Das Gericht kann und sollte dem Verfahrensbeistand mitteilen, auf welche besonderen Umstände im konkreten Einzelfall besonders zu achten ist. Der Verfahrensbeistand ist in seiner Funktionsausübung aber nicht weisungsgebunden und das Gericht ist auch an die Empfehlungen nicht gebunden.
Finden zwischen Familiengericht und Verfahrensbeistand Vor- beziehungsweise Zwischengespräche oder Schriftverkehr statt?
Jansen: Das Gericht bestellt den Verfahrensbeistand durch Beschluss. Zwischen dem Verfahrensbeistand und dem Gericht kann, genau wie mit anderen Verfahrensbeteiligten, schriftliche oder mündliche Kommunikation stattfinden. Mündliche Kommunikation über wesentliche Inhalte wäre zu dokumentieren und anderen Beteiligten zugänglich zu machen. Das Jugendamt nimmt in der Regel in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren Stellung.
Wie offen gehen Sie in die Verhandlung und kann es hier gegebenenfalls noch zu einer neuen Weichenstellung kommen?
Jansen: Da mit zunehmendem Alter der Kinder deren Meinung auch immer wichtiger wird, ist im Regelfall die Anhörung des Kindes durch das Gericht vorgeschrieben. Hierbei können das Gericht und auch die Eltern durchaus Überraschungen erleben. Generell bereite ich mich natürlich auf die Verhandlung vor, habe also eine Vorstellung, was passieren könnte und was das Ergebnis des Verfahrens sein könnte. Aber es kommt auch immer wieder vor, dass sich die Angelegenheit in der Verhandlung, wenn ich die Beteiligten oft zum ersten Mal persönlich treffe, anders darstellt als nach Aktenlage.
Ob Vereinbarung oder strittige Entscheidung: Welche Bindungskraft kommen ihnen zu beziehungsweise unter welchen Umständen kann davon abgewichen werden und welche Folgen können drohen?
Jansen: Gerichtliche Beschlüsse oder gerichtlich gebilligte Vereinbarungen zum Umgang oder Sorgerecht sind bindend. Gegen sie ist die Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) möglich. Solange das OLG nicht entschieden hat, bleibt die Regelung aber wirksam. Bei Verstoß drohen die oben genannten Ordnungsmittel. In Verfahren, die Umgang, Sorgerecht oder Unterhalt betreffen, kann auch Abänderung einer früheren Entscheidung beantragt werden, wenn sich die Sachlage seitdem erheblich verändert hat.
Wie stark schätzen Sie die Manipulationsmöglichkeiten durch Elternteile ein?
Jansen: Gemäß Paragraf 1684 Absatz 2 des BGB haben beide Elternteile alles zu unterlassen, was das Verhältnis zum anderen Elternteil beeinträchtigt. Aber das ist in der Praxis natürlich nicht so einfach: Da die Kinder bei ihren Eltern wohnen, beeinflussen letztere die Kinder natürlich immer, ob gewollt oder ungewollt. Gezielte Manipulation durch Eltern wird leider auch versucht, insbesondere, wenn das Kind klein ist und hauptsächlich bei einem Elternteil wohnt. Aber ich glaube, dass es in der Praxis nicht so einfach ist, dem Kind den eigenen Willen aufzuzwingen.
Sind diese für Sie ohne weiteres erkennbar und wie können diese nach Möglichkeiten erkannt beziehungsweise ihr Einfluss auf ein Verfahren nach Möglichkeit vermieden werden?
Jansen: Die Abgrenzung zwischen „echtem“ Kindeswillen, unbewusster Beeinflussung und gezielter Manipulation kann schwierig sein. Deswegen muss die Kindesanhörung ohne die Eltern und deren Anwälte, nur in Gegenwart des Richters und des Verfahrensbeistandes stattfinden. Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass Kinder zunächst das wiedergaben, was ein Elternteil ihnen gesagt hatte. Nachdem ich ein wenig nachgebohrt habe, kam aber dann doch zum Vorschein, dass die Kinder eigentlich etwas ganz anderes wollten als die Eltern. gufi
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