Rokokotheater - Heidelberger Sinfoniker und Ballettwerkstatt Heidelberg bringen Arrangements aus Carl Theodors Zeiten auf die Bühne

Neuinterpretationen kommen an

Von 
Viktoria Linzer
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Wenn sich zwei Künste vereinen, entsteht ein Zauber wie ihn die Besucher bei „Carl Theodors Ballettwerkstatt“ im Rokokotheater Schwetzingen miterleben durften. Hierbei wirkten die Heidelberger Sinfoniker gemeinsam mit der Ballettwerkstatt Heidelberg, der Fonds für innovative Kulturprojekte „KulturLAB“ hatte sie zusammengebracht.

Als „Orchester für das Besondere“ seien die Sinfoniker bekannt, so der Dirigent Timo Jouko Herrmann. Dieses Besondere spiegelt sich vor allem im Programm wider, das diesmal ganz den Komponisten aus der Epoche des Kurfürsten Carl Theodors gewidmet war. An seinem Hof traf man auf Johann Stamitz, der als Konzertmeister und Direktor der Instrumentalmusik neue Wege in der Komposition beschritt. Der Name Stamitz ist unter Musikkennern bekannt, seine Werke gelten als zukunftsweisend für die Musikkultur der „Mannheimer Schule“. So auch die Sinfonie Es-Dur op. 4 Nr. 6, die an diesem Samstagabend auf dem Programm stand. Nach dem energischen Auftakt im ersten Satz, folgte ein düsteres Adagio. Die Stimmung hellte sich im Menuett des 3. Satzes deutlich auf, bevor die Sinfoniker im Prestissimo Leichtigkeit mit rasantem Tempo vereinten.

Die Orchestermitglieder reisen aus ganz Deutschland an, um in intensiven Probenphasen neues Repertoire zu erarbeiten. Innerhalb einer Woche werden die Nuancen zusammen mit dem Dirigenten perfektioniert, bis ein rundes und hochprofessionelles Ergebnis das Publikum erfreuen darf. Projektweise wechselt der Dirigent und mit ihm das Programm, schließlich hat „jeder sein eigenes Spezialgebiet“, so Herrmann. Der international bekannte und promovierte Musikforscher spricht begeistert über die Werke des Abends, die teilweise sogar neu aufgeschrieben werden mussten, weil noch kein Verlag diese Noten herausgegeben hat.

Weniger bekannt ist auch der Komponist Peter von Winter, dessen Sinfonie einst große Erfolge feierte. Als „reinster Sturm und Drang“ kündigte Herrmann das Werk an und hielt sein Wort im wahrlich stürmischen ersten Satz der Sinfonie d-Moll. Besonders rührend war aber der 3. Satz: Das Publikum achtete weniger auf die angekündigten Verzierungen, die charakteristisch für die „Mannheimer Schule“ sind, sondern ließ sich einfach treiben auf den lieblichen Melodien des Andantes. Aufwühlend gestaltete sich das Allegro im 3. Satz – der dramatische Verlauf endete im langanhaltenden Applaus.

Als Eisvögel glücklich

Das Kernstück des Abends stand noch bevor: Zur Musik von Christian Cannabich hatten Wiebke Hofmann und Paolo Amerio eine moderne Choreografie entworfen, die von der Ballettwerkstatt Heidelberg auf die Bühne gebracht wurde. Das Orchester machte Platz für die Tänzer, die die herzzerreißende Geschichte um „Ceyx et Alcyone“ auf die Bühne zauberten. Bei einem sehr reduzierten Bühnenbild kam die Kraft und der Ausdruck der Bewegung noch mehr zur Geltung. Lediglich einige Spiegel unterstützten die elf Tänzer in schwarzen wehenden Kleidern. Zum Klang der Wellen entstand im Dämmerlicht der Bühne die Illusion von dunklen Tiefen, die den Geliebten verschluckten. Nach dem Sturm, der sowohl klanglich als auch auf der Bühne ein packendes Bild bot, fanden die Liebenden, wiedergeboren als Eisvögel, wieder zueinander. Seit rund 250 Jahren wurde dieses Ballett nicht mehr aufgeführt – umso interessanter für die Heidelberger Sinfoniker war es, dem Werk neues Leben einzuhauchen, die Tonsprache neu zu entdecken und zu interpretieren sowie sie mit der Ausdruckskraft des Tanzes zu verbinden. Zusammen mit der Ballettwerkstatt entstand ein Erlebnis für Augen und Ohren, das vom Publikum mit stehenden Ovationen gewürdigt wurde.

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