Liederabend

Nuancenvolle "Winterreise" bei den SWR Festspielen in Schwetzingen

Interpretationen von Werner Güra und Gerold Huber

Von 
Viktoria Linzer
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Gerold Huber (l.) und Werner Güra gestalten einen Liederabend. © Linzer

Schwetzingen. Das Wandern und die Auseinandersetzung mit dem Tod werden in einem Atemzug mit Franz Schuberts „Winterreise“ genannt. Die Wahl fiel gleich auf den weltberühmten Zyklus aus 24 Liedern, als der Tenor Werner Güra kurzfristig für die SWR Festspiele angefragt wurde. Zwei Tage später erklang im Mozartsaal des Schwetzinger Schlosses die wehmütige Melodie zu den wiederkehrenden Akkorden des Pianisten Gerold Huber im ersten Lied „Gute Nacht“. Dabei scheint das Thema und die Gefühlswelt, in die Schubert uns mitnimmt, nicht nur zeitlos, sondern immer aktuell: „Die Liebe liebt das Wandern/ Gott hat sie so gemacht/ Von einem zu dem andern./ Fein Liebchen, gute Nacht!“

Ein junger Mann sieht die Einseitigkeit seiner Liebe ein und macht sich nachts, ohne Abschied zu nehmen, auf den Weg um seinem Herzschmerz zu entfliehen. Seine Reise führt durch Schnee und Eis und ist alles andere als ein Vergnügen. Immer wieder schwelgt er in schönen Erinnerungen und wird roh in die harte Realität zurück versetzt. Im heiteren „Frühlingstraum“ wechselt Güra die Stimmfarbe von lieblich zu düster und entschieden innerhalb eines Augenblicks, während Huber von sanften Legatowellen zu scharfen Krähenschreien übergeht: „Es schrien die Raben vom Dach.“

Dieser stete Wechsel zwischen Dur und Moll, heiter und düster, der für Schubert so typisch ist, fand seine Vollendung in der Interpretation von Güra und Huber. Was im „Frühlings-traum“ so offensichtlich auskomponiert ist, war in anderen Liedern manchmal nur in einem einzigen Ton merkbar. Diese feinen Nuancen offenbarten die Interpreten als Könner ihres Faches. Umso beeindruckender erscheint die Tatsache, dass das Liedduo erst ein paarmal zusammen auf der Bühne stand. „Wir verstehen uns ziemlich schnell blind. Es war ein großer Genuss für mich, mit ihm zu spielen“, lobt Güra die gelungene Zusammenarbeit mit Huber. Als ebenbürtiges Duo, so wie Schubert es vorgesehen hatte, begaben sie sich in eine Gefühlswelt voller Herzschmerz und Todessehnsucht, die den Wanderer heimsucht. Ob der Wanderer in „Der Leiermann“ schließlich dem Tod folgt, bleibt offen. Ein Jahr nach dieser Komposition starb Franz Schubert im Alter von nur 31 Jahren. Die Interpretation dieses außergewöhnlichen Werkes hat für Güra noch eine weitere Ebene: „Ich hatte ein Erlebnis, als ich einen sehr bekannten Schauspieler gehört habe, wie er dieses Stück gesprochen hat. (…) Wenn man Musik und Text gegenüberstellt, kann man bei dem Stück sehr viel Brutalität und Zynismus herausarbeiten. Schubert hat oft versucht, es versöhnlich zu gestalten.“ Die weichen, oft melancholischen Melodien und Klänge bilden so einen starken Kontrast zum Text. „Da kann man sich darin hin und her bewegen.“

Güra war festes Ensemblemitglied an der Semperoper in Dresden und feierte große Erfolge unter anderem an der Staatsoper Berlin und der Opéra National de Paris. An die 50 CD-Einspielungen zeugen vom breit gefächerten Repertoire des Tenors. In Gerold Huber hätte er keinen besseren Duopartner für diesen Abend finden können. Neben seiner Solokarriere, ist Huber für Liedbegleitung und Kammermusik, unter anderem mit dem Artemis Quartett, ein sehr gefragter Name. Mehrere Male lud das Publikum die Künstler zum Verbeugen ein – und das zu Recht.

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