Der Schwetzinger Landtagsabgeordnete Manfred Kern (Grüne) ist als kulturpolitischer Sprecher im Landtag nah dran an den Problemen der Kulturschaffenden. Die Corona-Pandemie hat die Existenznöte noch einmal mehr wachsen lassen. Daher habe er sich, so Kern im Austausch mit dieser Zeitung, beim Land für das Theater am Puls (TaP) mit eingesetzt, damit es einen Zuschuss für die an diesem Samstag startende Open-Air-Bühne im Schlossgarten bekommt.
Herr Kern, Sie sind nicht nur selbst als Musiker kulturell aktiv, sondern sitzen auch im Kulturausschuss des Landtags. Welchen Blick haben Sie auf das Schicksal der Club- und Kulturszene durch Corona im Land?
Manfred Kern: Ich habe schon seit Beginn der Krise die Situation der Kulturlandschaft im Land engagiert und leider auch sorgenvoll verfolgt. Uns allen wurde schnell klar, dass wir die Künstler sowie Kulturschaffenden im Land nicht einfach alleine lassen können, sondern dass wir hier schnell und direkt helfen müssen. Trotz der Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, um der Kulturszene im Land unter die Arme zu greifen, ist diese Krise dennoch für viele Einzelpersonen und Einrichtungen eine harte Probe. Denn sie trifft den Kern dessen, was Kunst und Kultur ausmacht: das Zusammenkommen von Menschen, das gemeinsame Erleben von lebendigen und bunten Eindrücken mit allen Sinnen und die Verbindungen, die dadurch zwischen den Menschen geschaffen werden. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Öffnungsperspektiven ein Lichtblick sind und zumindest – unter den jeweiligen Auflagen – eine Chance bieten, Kultur wieder zu erleben und vor allem zu genießen.
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das Künstler unterstützt. Können Sie kurz erläutern wie und warum?
Kern: Das Warum ist hier ganz klar: Kultur ist ein essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft, der uns zusammenhält und uns täglich bereichert. Daher war für mich – und auch für die Grünen-Fraktion im Landtag und unsere Staatssekretärin für Kultur, Petra Olschowski – von Anfang an klar, dass die Frage nicht lautet, ob wir Künstler und Kulturschaffende unterstützen, sondern wie. Das Soforthilfeprogramm Corona, das sich an Soloselbstständige, Klein- und Kleinstunternehmen, auch der Kultur- und Kreativwirtschaft, sowie andere Angehörige der freien Berufe gerichtet hat, ermöglicht die Überwindung von Liquiditätsengpässen und die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz. In Baden-Württemberg steht hier auch freischaffenden Künstlern die Beantragung eines monatlichen Unternehmerlohns zu, der ihre Existenz in Höhe der Pfändungsfreigrenze sichert. Denn sie haben in der Regel kaum laufende Betriebskosten, deren Ausgleich sie beispielsweise über das Bundesprogramm beantragen können, sondern ihnen fehlen wegen der Absagen aller Veranstaltungen ihre Gagen, mit denen sie sonst ihren Lebensunterhalt finanzieren. Da die Antragsfrist für dieses Programm am 31. Mai geendet hat, gibt es einen Nachfolger: die Überbrückungshilfe Corona, die wir ebenfalls in Zusammenarbeit mit der L-Bank abwickeln. Das Prozedere bleibt dabei ähnlich wie bei dem Soforthilfeprogramm. Informationen und einen direkten Link zur Antragsseite gibt es auf der Seite des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg.
Hilfen sind das eine, was ist mit Perspektiven?
Kern: Neben den notwendigen Unterstützungsmaßnahmen werden im Masterplan Kultur differenzierte Öffnungsperspektiven geschaffen. So können seit Monatsbeginn wieder Veranstaltungen für bis zu 250 Besuchern stattfinden und ab nächsten Monat für bis zu 500, natürlich immer mit dem erforderlichen Mindestabstand. Mit den Programmen „Kultur Sommer 2020“ und „Kunst trotz Abstand“ werden Kulturformate trotz Corona ermöglicht. Und auch der Probenbetrieb von Theatern, Chören und Orchestern kann Schritt für Schritt wieder stattfinden. Damit binden wir auch während der Krise die Menschen wieder in den Kulturbetrieb ein und stärken so den Zusammenhalt.
Jetzt gibt es nicht nur die Künstler, sondern die gesamte Veranstaltungsbranche kämpft um ihre Existenz. Welche Möglichkeiten sehen Sie, Clubs wie die Wollfabrik in Schwetzingen zu unterstützen, damit die Clubkultur und all jene, die damit verbunden sind, überleben können?
Kern: Aus verschiedenen Gründen – beispielsweise beim Tanzen schwer einzuhaltenden Mindestabständen – ist eine Öffnung von Clubs in Baden-Württemberg aktuell leider nicht in Sicht. Der Betrieb von Clubs und Diskotheken ist daher laut der aktuellen Corona-Verordnung ausdrücklich untersagt. Uns Grünen ist selbstverständlich daran gelegen, dass Clubs weiterhin bestehen und so den Menschen einen Raum zur freien Entfaltung bieten. Dass die Clubszene durch Musik und Tanz einen wichtigen Beitrag für unser soziales Miteinander und für unsere Kultur leistet, ist unbestreitbar. Daher ist es wichtig zu betonen, dass die beschrieben Hilfsprogramme sich auch an DJs, Tontechniker und kleinere Unternehmen wie Clubs richten. Ich verstehe die Sorgen und Nöte aller in der Szene Beschäftigten nur zu gut, dennoch hoffe ich auf Verständnis, dass der Infektionsschutz bis zur Einführung eines Impfstoffes weiterhin im Mittelpunkt unserer Handlungen stehen muss.
Mit dem „Kultursommer 2020“ wurde ein Förderprogramm für Bühnen geschaffen. Das Theater am Puls hatte sich dort beworben, wurde aber von der Jury abgelehnt. Die Stadt erklärte sich bereit, in die Bresche zu springen. Nun fließen doch 10 000 Euro vom Land für das Open-Air-Theater. Können Sie hierzu Näheres erläutern?
Kern: Das Theater am Puls ist schon sehr lange ein fester Bestandteil der Kulturszene in der Region und auch ich persönlich verbinde mit dem Theater unzählige schöne und einzigartige Erinnerungen. Deshalb habe ich sofort, als ich von der Ablehnung erfuhr, einen Brief an die Staatssekretärin geschrieben. Es freut mich sehr, dass sich mein zeitgleiches Vorgehen mit der Stadt Schwetzingen ausgezahlt hat und das TaP nun auch vonseiten des Landes finanziell unterstützt wird. Die 10 000 Euro, die nun vom Land an das TaP fließen, stammen aus einem anderen Projekt, welches nicht realisiert werden konnte. Ich hoffe inständig, dass das Theater mit der Förderung die schwierige Corona-Zeit gut übersteht und uns allen als kultureller Hotspot der Region erhalten bleibt.
Als Schwetzinger freuen Sie sich sicherlich, dass langsam das kulturelle Leben wieder Fahrt aufnimmt, etwa mit der Jazzinitiative und ihren Sessions und eben dem Open-Air-Theater. Wann, glauben Sie, kann das wahre Kulturleben wieder starten – und wie sieht es dann aus?
Kern: Das Kulturleben, so wie wir es noch vor der Pandemie kannten, wird vermutlich erst dann wieder stattfinden, wenn es einen Impfstoff gibt. Bis dahin wird es wohl von Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und Mund-Nase-Schutz geprägt sein. Das Wichtigste ist jedoch, dass wir wieder gemeinsam Kunst bestaunen und genießen können. Denn genau das macht Kultur aus: Menschen schaffen gemeinsam an einem Ort neue Erlebnisse. Auch wenn die Menschen dabei durch Abstände oder Maske getrennt sind, sind sie doch durch die Kultur verbunden.
Werden wir künftig Kultur anders erleben müssen als bisher gewohnt – und wie würde das aussehen?
Kern: Vorerst ja. Unser ganzer Alltag ist ja zurzeit anders: Eine Maske ist das neue Must-have und der Ellenbogen-Touch das neue Händeschütteln. Dass diese Veränderungen auch die Kultur betreffen, ist daher unumgänglich. Wie genau wir Kultur erleben und wie sich das in naher Zukunft noch verändert, werden wir sehen. In jedem Fall sind die notwendigen Abstands- und Durchlüftungsregeln im Freien wesentlich leichter einzuhalten als in geschlossenen Räumen. Mit Open-Air-Reihen wie der „Bühne im Park“, die das TaP veranstaltet, bekommen wir ja schon einen Vorgeschmack auf die neuen Kulturerlebnisse. Egal wie diese dann konkret aussehen, ich bin jetzt schon gespannt auf die Vorstellungen und freue mich auf die gemeinsamen Kulturerfahrungen mit Ihnen allen. Bild: manfredkern.de
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