Schwetzingen. Es war eine multikulturelle Veranstaltung, die am Donnerstagabend in der Stadtkirche stattfand, und sie zog ein ebensolches Publikum an. So waren in den Bänken der evangelischen Stadtkirche in Schwetzingen Besucher aller Religionen anwesend, aus denen im Altarraum gesungen und gebetet wurde. Unter dem Thema „Gott schenkt Raum“ suggerierten Vertreter der katholischen, evangelischen und muslimischen Kirche eindrucksvoll ihre Verbundenheit im Glauben und den Wunsch nach Frieden. Damit wurden sie dem diesjährigen Motto der Interkulturellen Woche „Neue Räume“ mehr als gerecht.
„Schön, dass Sie da sind“, begrüßte die evangelische Diakonin Margit Rothe die Gäste und Mitwirkenden, darunter Dekan Uwe Lüttinger, Imam Naweel Shad und Rezitator Naveed Shahzad von der Ahmadiyya-Gemeinde - Jüdische Vertreter waren nicht anwesend, laut Rothe gibt es keine jüdische Community in Schwetzingen - sowie Bezirkskantor Paul Hafner, der das gemeinschaftliche Singen und den Gospelchor des evangelischen Kirchenbezirks begleitete. In seinen Soloimprovisationen entpuppte sich Hafner auch als ein virtuoser Klangmagier, der im Zuhörer einen Raum für spirituelle Empfänglichkeit entstehen ließ.
Schwetzingens Religionsvertreter bekräftigen Einigkeit mit Worten
„In den letzten vier Tagen wurde schon jede Menge Raum für unterschiedlichste Begegnungen geöffnet“, so Diakonin Margit Rothe in ihren einleitenden Worten, „heute öffnen wir auf religiöser Ebene nochmals neu einen Raum. (…) Christen, Muslime und vielleicht auch Menschen ohne oder mit einer weiteren Religionszugehörigkeit treffen sich zum multireligiösen Gebet.“ Rothe verglich dieses Zusammenkommen mit einem Haus, das über mehrere Räume verfügt, „in dem man den anderen Raum für das Eigene lassen kann und jeder in toleranter, neugieriger Weise miterlebt, wie der andere lebt, spricht, betet“. In diesem Sinne wurde im Verlauf des Abends gesungen und gebetet, darunter im Wechsel auch der berühmte Psalm 23.
Als das gemeinsam gesungene Lied „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ verklungen war, rezitierte Naveed Shahzad auf Arabisch die Verse 21 bis 24 der Sure 30 aus dem Koran, das der Imam Naweel Shad übersetzte und erläuterte. „In diesen Versen ist das Thema des heutigen gemeinsamen Gottesdienstes, Gott schenkt Raum, deutlich zu erkennen“, sagte er. Allah, also Gott, hält verschiedene Räume bereit: Die Welt als ein Raum für alle Menschen, die ja den gleichen Ursprung haben, dann die Familie, das Haus, in dem Frieden herrscht. „Er hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt“, lautet der Vers. Ein weiterer Raum ist auch „die Schöpfung des Himmels und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben“, wo die Menschen aufgerufen sind, sich kennenzulernen und zwischen den Kulturen Brücken zu bauen. Schließlich gehört zum Menschen auch der Schlaf bei Nacht, der ihn beim Träumen in andere Räume versetzt, so wie ihn der endgültige Schlaf ins Paradies führt, wenn er gute Taten vollbracht hat. Nach einem Gebet, das der Imam auf Arabisch und Deutsch rezitierte, interpretierten Mädchen der Gemeinde auf Deutsch ein Lied, das mit herzlichen Applaus belohnt wurde.
Schwetzingens Dekan Uwe Lüttinger: "Furcht macht kraftlos"
Auch die christliche Kirche hat einen Text aus der Bibel, aus dem Neuen Testament, mitgebracht: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“, ein Satz aus dem 2. Timotheus-Brief 1,7. Für Margit Rothe bedeutet dieser Satz Ermutigung, Trost, gerade in der jetzigen Zeit, wo „alles wankt und wackelt“. Grundsätzlich aber, so Rothe, ist Furcht ja nichts Schlechtes, sie mahnt zur Vorsicht vor Gefahren. Aber im Bibelvers geht es um mehr: Furcht soll uns nicht gefangen nehmen, sie soll nicht unser Leben bestimmen. Dabei bezog sie sich insbesondere auf die Interkulturelle Woche, auf die „die Angst vor Fremden, Neuem, Unbekanntem“.
Diesen Gedanken nahm Dekan Uwe Lüttinger auf und ergänzte ihn. Angst nehme einem den Boden unter den Füßen, sie mache kraftlos. „Wie gut“, sagte er, „dass da eine Kraft in mir ist, Gottes Geist, die mir Halt gibt und mich beflügelt. Das eröffnet Räume …“ Und er dachte hierbei an die Sinne, Augen, Ohren und vor allem das Herz öffnen für die Liebe. „Das ist es doch, worum es Gott geht: Er hat den Menschen geschaffen aus Liebe zur Liebe, damit er Raum für sich und andere findet“, so Lüttinger.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit, bei Getränken und Häppchen miteinander über das Gehörte ins Gespräch zu kommen.
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