Schwetzingen. „Tiere sind für viele Menschen Wegwerfartikel – das merken wir im Tierschutz leider immer mehr“, berichtete Sandra Mummert vom Tierschutzverein Schwetzingen und Umgebung den Besuchern der Katzenstation in Schwetzingen. Der Landtagsabgeordnete der Grünen Dr. Andre Baumann und Dr. Susanne Hierschbiel, Fraktionsmitglied der Grünen im Schwetzinger Gemeinderat, hatten sich eingefunden, um sich ein Bild von der aktuellen Situation des Vereins zu machen, den sie beide auch durch eine Mitgliedschaft unterstützen. So heißt es in einer Pressemitteilung.
„Einmal hat uns jemand eine Kiste mit einem Tier und einem Abschiedsbrief vor die Tür gestellt“, erzählte Mummert weiter. „Allerdings zu dem dort stehenden Sperrmüll, sodass das Tier beinahe mit weggeworfen worden wäre. Haustiere sind zu leicht zu bekommen und zu leicht zu entsorgen.“ Aktuell beherberge der Verein circa 15 Katzen in der Katzenstation. Zudem würden vier Hunde sowie 18 Kaninchen auf privaten, ehrenamtlichen Pflegestationen versorgt.
„Vor einigen Wochen hatten wir noch circa 20 Katzenbabys auf einmal hier, so eine Kätzchenschwemme haben wir noch nie erlebt“, sagte Mummert. Zum Glück seien diese mittlerweile bereits alle in gute Hände vermittelt. Eine solche große Anzahl an Katzennachwuchs bei frei lebenden Tieren sei zurzeit vermehrt zu beobachten, stellte die Tierärztin Hierschbiel fest. „Das liegt an der mangelnden Kastrationspflicht für Freigängerkatzen“, sagte sie, und Mummert stimmte zu: „Wir brauchen dringend mehr Katzenschutzverordnungen in den Gemeinden, sonst bekommen wir hier ausländische Verhältnisse.“ Denn nicht nur im Ausland, sondern auch hier in Deutschland gibt es bereits Millionen frei lebende Katzen, die kein Zuhause haben.
Dass es diesen auf den Menschen angewiesenen Tieren nicht gut geht und wie groß dieses Tierschutzproblem hierzulande ist, verdeutlichen Zahlen des Deutschen Tierschutzbundes: 99 Prozent der Streunerkatzen sind krank, wenn Tierschutzvereine sie das erste Mal untersuchen lassen. 20 Jahre alt kann eine Katze werden, auf der Straße ist ihre Lebenserwartung oft sehr viel geringer. Zwei von drei Tierheimen in Deutschland sind fast permanent voll belegt. 200 Millionen Nachkommen können aus einer Katze in zehn Jahren entstehen. „In meiner Zeit als Nabu-Landesvorsitzender habe ich mich erfolgreich mit den Grünen für ein neues Jagdrecht eingesetzt. Jäger dürfen somit keine wild lebenden Katzen und Hunde mehr abschießen“, erzählte Baumann. „Wenn jetzt immer mehr Kommunen eine Kastrationspflicht einführen würden, wäre das ein weiterer wichtiger Schritt, um das Elend unter wild lebenden Katzen zu beenden.“
In Baden-Württemberg entscheiden Kommunen, ob eine Kastrationspflicht eingeführt wird; oft gemeinsam mit einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht von Katzen. Laut dem Landestierschutzverband Baden-Württemberg haben sich (Stand Dezember 2024) 112 baden-württembergische Kommunen und deren Teilgemeinden dazu entschieden, dem Katzenelend mittels einer Kastrationspflicht für Freigängerkatzen entgegenzuwirken.
Problem mit Streunern
„Verwilderte Katzen haben ein ganz schlechtes Leben“, berichtete auch die Vorsitzende des Tierschutzvereins Anja Hecker. „Infektionskrankheiten wie FIV und Leukose sind in unkastrierten Streunerkolonien sehr verbreitet und werden durch den Geschlechtsakt weitergegeben.“ Die Sterblichkeit unter Streunern sei auch deshalb so viel höher als bei Katzen, die ein Zuhause haben. Streuner würden in der Regel nicht geimpft, bei Infektion nicht ärztlich versorgt und würden qualvoll an Krankheiten wie Katzenschnupfen verenden. „Dabei wäre die eine oder andere Infektion mit Antibiotikum gut zu behandeln.“
In Schwetzingen direkt gebe es keine Streunerkolonien, „dafür sind wir zu gut“, sagte Mummert: Seit Jahrzehnten kümmert sich der Verein um frei lebende Katzen, lässt kranke Tiere behandeln, impfen – und kastrieren. So können die Populationen eingedämmt werden. „In Hockenheim, wo es keinen ortsansässigen Tierschutzverein gibt, leben sehr viele Straßenkatzen, hauptsächlich im Gewerbegebiet“, so Mummert weiter. „Einmal haben wir an nur einer Stelle zehn Babykatzen und drei trächtige Tiere entdeckt.“ Weil freil ebende Katzen sehr scheu seien und beispielsweise das Hockenheimer Gewerbegebiet sehr groß, werde das Thema öffentlich nicht wahrgenommen. Mummert: „Aber bei uns explodieren die Tierarztkosten. Und auch Tiere, die wir von privaten Haltern aufnehmen, sind oft nicht kastriert.“
Katzen, Hunde und andere Tiere würden oft falsch vermittelt, berichtete Mummert weiter, „zum Beispiel ein Kangal-Welpe an eine Familie mit Kindern. Das passt einfach nicht, weil Kangal-Hunde Herdenschutztiere sind.“ Um solche Fälle zu vermeiden, habe die grün-schwarze Landesregierung die Einführung eines „Führerscheins“ für Hundehalter beschlossen, schilderte der Abgeordnete und promovierte Biologe Baumann. Die Umsetzung stehe zwar noch aus, aber die Grünen blieben dran.
„Es ist gut, wenn eine gewisse Hürde besteht, bevor man sich ein Haustier anschafft“, fuhr Baumann fort. „Jedes Tier bedeutet Verantwortung, und man sollte sich vorab gewisse Grundkenntnisse über die Haltung aneignen. Und sei es nur, indem man sich im Zoogeschäft vor dem Kauf eine Einführung geben lässt, was beispielsweise ein Goldhamster so alles braucht.“ Hierschbiel stimmte zu. „Ein Führerschein für Tierhalter wäre ja keine Schikane, sondern eine Hilfestellung“, sagte die Tierärztin.“ Einig waren sich alle Anwesenden auch darin, dass Haustiere keine (Weihnachts-) Geschenke sein sollten.
„Mit Haustieren zu leben, kann und soll etwas Wunderbares für Tier und Mensch sein. Aber als Mensch übernimmt man eine Verantwortung für ein einmaliges Geschöpf, Tag für Tag“, sagte Baumann. „Und wenn man sich entscheidet, sollte man in einem Tierheim schauen, ob nicht genau dort die passende Fellnase auf einen wartet. Von den Aktiven in Tierschutzvereinen wird man auch sehr gut beraten.“ zg
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