Im Interview

Schwetzinger Musikschulleiter Roland Merkel: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“

Roland Merkel tritt in diesem Oktober nach 34 Jahren als Leiter der Musikschule in den Ruhestand und lässt sein Schaffen Revue passieren.

Von 
Stefan Kern
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Schwetzingen. Roland Merkel ist seit 1988 Leiter der Musikschule Schwetzingen und wird im Oktober in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Im Interview spricht er über seine Beziehung zur Musik, die Herausforderungen, auf die er in den vergangenen 34 Jahren traf und seine Pläne für die Zukunft.

Wo und wann begann Ihr Weg in die Welt der Musik?

Roland Merkel: In unserer Familie war die Musik allgegenwärtig. Mein Onkel Arno Merkel war der erste Musikprofi in unserer Familie. Er bestritt seinen Lebensunterhalt als Chorsänger am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Ich begann mit der Klarinette im Alter von sieben Jahren im Ketscher Musikverein Harmonie. Später kamen noch Alt- und Tenorsaxofon sowie etwas Klavier hinzu. Relativ spät, erst mit 16, erhielt ich dann professionellen Klarinettenunterricht. Nach dem Abitur im Jahre 1977 begann ich dann mit dem Studium der Orchestermusik mit Hauptfach Klarinette an der Hochschule für Musik Heidelberg/Mannheim. Mein Ziel war Klarinettist in einem Profiorchester zu werden. Aufgrund einer Kinderkrankheit mit bleibenden Schäden musste ich aber akzeptieren, dass ich es nicht ins Orchester schaffen werde. So galt, es andere Wege zu finden, um meinen späteren Lebensunterhalt zu verdienen. Aus diesem Grund folgte das Studium der Musikwissenschaften an der Universität Heidelberg sowie der Pädagogik an der pädagogischen Hochschule in Heidelberg.

In den Räumen der Musikschule hört Roland Merkel (Mitte) 1997 den Schülerinnen beim Klarinettenspiel aufmerksam zu. © Archiv

Über welche Stationen führte Sie dieser Weg bis zu dem Ziel Musikschule Schwetzingen?

Merkel: Als Musikstudent unterrichtete ich bereits an den Musikschulen Grünstadt, Lampertheim und Schwetzingen. Hier lernte ich zahlreiche pädagogische Konzepte kennen, die ich mit meinen Schülern ausprobieren und weiterentwickeln konnte und welche für meine spätere Arbeit als Musikschulleiter wichtig werden sollten.

Was dachten Sie über das, was Sie damals hier vorfanden?

Merkel: Bevor ich 1988 zum ersten hauptamtlichen Leiter der VHS-Musikschule Schwetzingen bestellt wurde, war ich als Lehrer für Klarinette, Saxofon und Musiktheorie tätig und richtete auch hier in Schwetzingen eine Dixie-Band mit Schülern ein. Ebenso erhielt ich noch als Lehrer Gelegenheit, einen Tag der offenen Tür im Stadtteil Hirschacker durchzuführen. So wurde die damalige Musikschulleitung auf mich aufmerksam. Den Schulbetrieb kannte ich also. Und ich wusste, dass von meinen Vorgängern eine gute Vorarbeit geleistet wurde, aber auch, dass es noch viel zu tun gab, um ein modernes, auf die Musikstadt Schwetzingen zugeschnittenes, Angebot zu schaffen. Ebenso wusste ich, dass die Trägergemeinden Eppelheim, Ketsch, Oftersheim, Plankstadt und Schwetzingen ein großes Interesse daran hatten, die Musikschule weiter auszubauen, um den Kindern und Jugendlichen ihrer Gemeinden eine solide musikalische Ausbildung zu ermöglichen. Die Gemeinden bildeten zusammen einen fruchtbaren Boden, welchen es für eine erfolgreiche musikalische Bildungsarbeit nur richtig zu bestellen galt.

Was stand für Sie als Erstes auf der To-do-Liste, was wollten Sie ändern?

Merkel: Es war für mich die optimale Gelegenheit, aus dem Vollen zu schöpfen und an der Schule neue Konzepte einzuführen, die es heute noch gibt und über die Jahre weiterentwickelt wurden, wie: Schülerbühnen als Musizierstunden für Anfänger, um Vorspiel- und Schwellenängste abzubauen. Die musikalische Früherziehung auszubauen und das Einstiegsalter auf vier Jahre herabzusetzen. Heute haben wir ja mittlerweile Eltern-Kind-Musikgruppen ab dem sechsten Lebensmonat. Ich baute den Ensemblebereich aus und richtete öffentliche Vorspielmöglichkeiten ein wie Popularmusik-, Leistungsklassen-, und Lehrerkonzerte. Der Tag der offenen Tür als Informationsevent für Kinder, Jugendliche und Erwachsene war von Anfang an eine wertvolle Veranstaltung. Hier konnte man Instrumente ausprobieren und erhielt Informationen aus erster Hand von Profis. Als wir damit begannen, meldeten sich während eines Nachmittags innerhalb von gerademal zweieinhalb Stunden mehr als 80 Schüler verbindlich an. Ein großes Thema war und ist für mich bis heute die Öffentlichkeitsarbeit. Ich suchte den Kontakt zur Schwetzinger Zeitung, um eine verlässliche Berichterstattung unserer von nun an doch sehr zahlreichen Veranstaltungen zu ermöglichen. Herr Nassner, der damalige Chefredakteur, unterstützte meine Vorhaben und von nun an war die Musikschule in den Medien präsent. Die Schule konnte sich prächtig entwickeln und die Schülerzahlen wuchsen von Jahr zu Jahr.

Bei der Schlüsselübergabe zur Eröffnung des Kulturzentrums 2005 ist Roland Merkel (v. l.) ebenfalls dabei. Neben ihm stehen Oberbürgermeister Bernd Kappensteiln sowie die Architekten Hans-Jürgen Vieth und Kai Bröer. © Archiv

Gab es damals besondere Herausforderungen zu stemmen?

Merkel: Der Unterricht fand in den Mitgliedsgemeinden verteilt auf mehrere Schulgebäude statt, sodass ein klassen- oder fächerübergreifendes Unterrichten nur schwer möglich war. Eine besondere Herausforderung war demnach, den Unterricht in jeder Mitgliedsgemeinde bestmöglich so zu zentralisieren, dass ein übergreifendes Arbeiten aber auch die Bildung von kleinen Gruppen im Instrumental- und Vokalunterricht möglich wurde. Eine große Aufgabe war die Einrichtung unseres Schulfests im Schwetzinger Schlossgarten – dem Parkfest, das ich als Wandelkonzert konzipiert habe. Dieses wurde nur möglich, weil sich der damalige Schwetzinger Bürgermeister, Gerhard Stratthaus, zusammen mit unserem engagierten Elternbeirat bei der Schlossverwaltung sehr stark dafür einsetzte. Aus dieser Zeit stammt auch noch das bis heute funktionierende und immer wieder durch Eltern betriebene „Café Wildnis“ im Seepferdchengarten. Das Kollegium leistete beim Parkfest anfangs Pionierarbeit, so mussten die erforderlichen Klaviere unter Schwerstarbeit mit Handwagen an die einzelnen Bühnen transportiert werden. Es ist mir an dieser Stelle ein großes Anliegen klarzustellen, dass die Umsetzung all meiner Ideen und Konzepte nur möglich war, weil wir ein engagiertes Lehrerkollegium und ein motiviertes Verwaltungsteam an der Schule hatten und der Träger bei diesen Vorhaben volle Unterstützung gewährte.

Und wenn Sie nun zurückblicken, haben Sie Ihre Ziele erreicht, was waren die wichtigsten Weichenstellungen?

Merkel: Eine der wichtigsten Weichenstellungen war sicher die Einführung des BAT (Bundesangestelltentarif) an der Musikschule im Jahre 1991. Damit konnten unsere Musiklehrer als abhängig Beschäftigte mit einer vernünftigen Bezahlung und Absicherung arbeiten. Gleichermaßen wichtig war die Entscheidung, mit dem Kulturzentrum ein Domizil für die Musikschule zu schaffen, sie in der Folge auch aus dem Verbund mit der VHS herauszulösen und als selbstständige Einrichtung zu führen. Damals bei der Einweihung des Kulturzentrums im Jahr 2005 sagte ich, dass wir mit dem neuen Musikschulgebäude in die „musikalische Bundesliga“ aufsteigen würden. Das hat sich bewahrheitet, wenn man die Erfolge unserer Schüler beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ auf Bundesebene verfolgt. Aber auch im pädagogischen Bereich gab es mit der Einführung und dem Ausbau des Instrumentenkarussells, der Einrichtung des Klassenmusizierens mit Bläser- und Streicherklassen sowie den Kooperationen mit den allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen wichtige Weichenstellungen, welche die Entwicklung der Schule begünstigt haben. Mit Einzug in das Kulturzentrum erhielten wir zudem vom damaligen Träger die Aufgabe, ein Sinfonieorchester als festes Ensemble aufzubauen und zu erhalten. Zuvor arbeitete unser Sinfonieorchester in Projektphasen. Mittlerweile hat sich die „Junge Philharmonie Schwetzingen“, dank der großartigen Arbeit des Dirigenten, Georg Schmidt-Thomée, etabliert und ist aus unserer Musikschule nicht mehr wegzudenken. Wenn Sie mich nun fragen, ob ich meine Ziele alle erreicht habe, wird es Sie kaum überraschen, wenn ich sage, wir haben vieles erreicht, aber nicht alles. Ich will ehrlich sein: Als ich im Jahre 1988 als Schulleiter begann, stand auf meiner To-do-Liste auch die Zusammenarbeit mit den ansässigen Laienmusiziervereinigungen in der Form zu fördern, dass sich die Musikschule mit ihren Fachkräften der Ausbildung auf dem Instrument und im Gesang annimmt. Da gibt es sehr gute Beispiele in umliegenden Städten und Gemeinden. Da bin ich leider nicht weitergekommen.

Zur Person

Roland Merkel ist am 25. November 1956 in Mannheim geboren.

Aufgewachsen ist er in Ketsch.

1977 machte er am Wirtschaftsgymnasium Schwetzingen Abitur.

Noch während seines Studiums der Orchestermusik in Mannheim sowie Musikwissenschaft und Pädagogik in Heidelberg begann er 1981 als Lehrer an der Schwetzinger Musikschule.

1988 übernahm Merkel die Leitung der Musikschule.

Welche Aufgabe sehen Sie für Ihren Nachfolger?

Merkel: Wie schon genannt, kann die stärkere Zusammenarbeit mit den Laienmusiziervereinigungen ein großes Thema für meinen Nachfolger werden. Ein weiteres großes Thema wird der Mangel an qualifizierten Lehrkräften sein. Und auch die Schülerakquise gehört mittlerweile in diese Kategorie. Sie erfolgt inzwischen hauptsächlich über eine breite Elementarstufe und über die Kooperationen mit Schulen, vor allem weil die Ganztageseinrichtungen im Bildungsbereich weiter ausgebaut werden und Gefahr besteht, dass die musikinteressierten und begabten Schüler nach einem ganzen Tag Unterricht nicht zusätzlich an die Musikschule kommen möchten. Übrigens verändern sich auch die Konzepte an einer Musikschule ständig, es gibt immer neue Themen, die man aufgreifen kann, etwa Inklusion oder studienvorbereitende Ausbildung, Popularmusik und Alte Musik. Ich bin mir sicher, mein Nachfolger wird die richtigen Maßnahmen an der Musikschule ergreifen und sie weiterentwickeln.

Was bedeutet Ihnen Musik?

Merkel: Musik ist mein Leben, ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Ich stehe da voll zu Friedrich Nietzsche. Dieser sagte, „ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“. Ich spiele noch regelmäßig auf meinen Instrumenten, bin fleißiger Konzert- und Opernbesucher, höre zu Hause Musik, analysiere diese – manchmal taktweise – arrangiere Stücke und komponiere Werke im Kunstmusik- und im Unterhaltungsmusikbereich.

Wird für die Musikkultur in Schwetzingen genug getan?

Merkel: Was ist schon genug? In Schwetzingen zu arbeiten und die zahlreichen musikalischen Aktivitäten hautnah miterleben zu können (Festspiele, Mozartfest, Musik im Park, Wollfabrik), habe ich immer genossen. Vor allem die Festspiele mit der überragenden Qualität an Musiktheater und Kammermusik begeistern mich stets aufs Neue. Die Verpflichtung von hochkarätigen Künstlern in der Kunst- und Popularmusik ist ein Aushängeschild für Schwetzingen. Es herrscht manchmal sogar ein Überangebot an hervorragenden Musikveranstaltungen. Das schadet aber nicht. Hoffentlich bleibt uns diese grandiose Musikkultur in dieser Form noch lange erhalten.

Was für Pläne haben Sie nun für die Zukunft?

Merkel: Zunächst bin ich froh, ab Oktober nach 34 Jahren nicht mehr auf Einhaltung von Terminen achten zu müssen. Aus meinen Fächern ( Klarinette und Saxofon) möchte ich wieder etwas mehr unterrichten. Im Ruhestand sind weitere Musikarrangements und Kompositionen geplant. Es sind Renovierungsarbeiten in unserem Haus zu organisieren und von mir selbst zu leisten. Unser kleiner Garten hat es verdient, endlich mal richtig gepflegt zu werden. Darüber hinaus möchte ich fleißiger Konzert- und Opernbesucher bleiben, wieder etwas regelmäßiger Sport treiben und – wenn man mich braucht – gerne im Freundeskreis der Musikschule Schwetzingen mitarbeiten.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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