Schwetzinger Festspiele - Klarinettistin Sharon Kam mit Antje Weithaas und Mandolinist Avi Avital

Sharon Kam und Antje Weithaas beeindrucken Verzückung im Dialog

Von 
Raimund Frings
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Zu Gast bei den Festspielen: Violinistin Antje Weithaas. © Giorgia Bertazzi

Frühlingsmilder Freitagabend bei den Schwetzinger Festspielen mit kammermusikalischen Leckerbissen. Dabei zwei aus Israel stammende Musiker von internationalem Format: Zunächst im Mozartsaal des Schlosses die Klarinettistin Sharon Kam mit glanzvoll aufgeführten Trios und Quartetten, später nebenan in der Orangerie Avi Avital auf der Mandoline im Duo mit dem Cellisten Giovanni Sollima.

Ein Wagnis geht ein, wer so unterschiedliche Komponisten wie Brahms, Bartok, Beethoven und Hindemith in einen konzertanten Zusammenhang stellt. Nicht so wer Spitzenmusiker wie Antje Weithaas (Violine), Julian Steckel (Violine) und Enrico Pace (Klavier) mit der seit 20 Jahren erfolgreichen Sharon Kam an der Klarinette zusammenbringt. Verblüffend wie die Deutsch-Israelin mit ihrem Instrument umgeht. Zärtlich streicht sie immer wieder in kurzen Pausen die Feuchtigkeit von den Klappen, um dann erneut innovative Klänge zu produzieren.

Herausragend zu sehen und hören ist das in Bela Bartoks Trio „Kontraste“ B-Dur op. 11, das der Komponist selbst in einer legendären Aufnahme 1938 mit Geiger Joseph Szigeti und dem Jazzer Benny Goodman aufgeführt hat. Die Klarinette klingt in allen Schattierungen. Sharon Kam verblüfft mit ihrer eigenwilligen, unnachahmlichen Spielweise.

Ein besonderes kontrastreiches Erlebnis ist ihr Dialog mit Violinistin Antje Weithaas im ebenfalls 1938 entstandenen Klarinettenquartett von Paul Hindemith. Weithaas verkörpert den Dreiklang aus Präzision, Dynamik und Leidenschaft, so dass Kam das in diesen Umbruchjahren neu entstehende Selbstverständnis des Instruments Klarinette effektvoll konturieren kann. Besonders im langsamen zweiten Satz entfaltet sie geradezu euphorische Passagen, welche zwischen Harmonie und Dissonanz, Düsternis und Freude oszillieren.

Auf andere Weise verleiht der ebenfalls aus Israel stammende Avi Avital beim nächtlichen Konzert in der Orangerie der Freude Ausdruck. Zusammen mit dem sizilianischen Cellisten Giovanni Sollima sind es vor allem Traditionals aus dem südöstlichen Mittelmeerraum, die ein Lebensgefühl jenseits gewohnter Kategorien verströmen. Im intimen Rahmen entsteht ein ebenbürtiges virtuoses Niveau wie vorher bei Quartett und Trio im Mozartsaal.

Avital fasziniert mit vielfältigen technischen Möglichkeiten. Der 42-jährige ist weniger ein Musiker der großen Geste, versteht es aber, die Volksmelodien auf hohes kultiviertes Niveau zu heben, ohne die ursprüngliche Dynamik, Melancholie und Verbundenheit mit archaischen Welten zu verraten. Duo-Partner Giovanni Sollima liebt dagegen das körperbetonte Spiel mit seinem Klangkörper, entlockt seinem Instrument sämtliche Schwingungen orchestraler Streichinstrumente.

Hingerissen lauscht das Publikum in der aufkommenden Nachtkühle den wie aus einer anderen Zeit stammenden Botschaften. Kommen zwei Werke von Scarlatti und Frescobaldi noch recht einfach verarbeitet daher, haben Avital und Sollima die sephardisch, türkisch, mazedonisch oder bulgarisch klingenden Traditionsstücke kreativ weiterentwickelt. So spendet (klassische) Musik Kraft für vielleicht manchmal allzu grau erscheinenden Alltag.

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