Region. So was hat Schwetzingen noch nicht gesehen: Der Andrang zur Gründung einer Bürgerinitiative zum „Entenpfuhl“ war riesig. Über hundert Bürger kamen ins „Blaue Loch“, aus der Spargelstadt, aus Plankstadt, Oftersheim, Ketsch, Brühl und Hockenheim, aus Mannheim und Heidelberg. Alle hatten ein gemeinsames Ziel: den geplanten Kiesabbau in dem Waldstück auf Schwetzinger Gemarkung zu verhindern. Die Teilnehmer diskutierten engagiert und sachlich, es lief alles fair ab. Nach gut zwei Stunden war die neue Interessenvereinigung in trockenen Tüchern.
Elfriede Fackel-Kretz-Keller, Stadträtin und Vorsitzende der Schwetzinger Freien Wähler, die gemeinsam mit SPD-Kreisrätin Monika Maier-Kuhn und CDU-Stadträtin Sarina Kolb den Anstoß für die Versammlung gegeben hatte (wir berichteten), betonte die gewünschte Überparteilichkeit. Einzelinteressen seien an diesem Abend fehl am Platz: „Es geht nur gemeinsam, wir brauchen die Kompetenz von allen.“
Sarina Kolb plädierte für Fairness, auch gegenüber der Firma Krieger, die das Waldgebiet im „Entenpfuhl“ gepachtet hat. Die Forderungen richteten sich an das Land, verbunden mit der Bitte um Überprüfung einer Vertragskündigung, sagte die Vorsitzende des CDU-Stadtverbands.
Landschaftbild wird geschädigt
Für Frank Lück, den Leiter des Hegerings Schwetzingen der Jägervereinigung Mannheim, wird durch den Kiesabbau im „Entenpfuhl“ ein kompletter Lebensraum verschwinden. Eine Vielzahl von Tieren ist dann betroffen. Der Feldhase hat sich auf den Wald spezialisiert. Rund 40 verschiedene Vogelarten kommen hier vor. Der Schwarzspecht findet sein Auskommen. Die Waldameise ist vertreten. Die Hirschkäferlarven brauchen Holz. Sollte der Baggersee eingezäunt werden, könnten Tiere nicht ans Wasser gelangen, so Lück: „Ein immenser Einschnitt in die Artenvielfalt.“ Thomas Kuppinger vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte die geplante Abholzung von 42 Hektar Wald. Der Forst habe eine hohe Bedeutung für Pflanzen und Tiere – und für die Menschen. In Zeiten des Klimawandels müsse man „die Funktion des Waldes ausweiten, nicht wegnehmen“. Nicht zuletzt schädige die Maßnahme auch das Landschaftsbild der „Heimat“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des BUND-Ortsverbandes Hockenheimer Rheinebene: „Wir müssen unseren Kindern und Enkeln doch etwas hinterlassen können.“
Matthias Ihrig und Heinz Eppel vom Ketscher Umweltstammtisch berichteten über die Vorgeschichte der Planungen. Die avisierte Fläche habe sich von ursprünglich 24,5 auf nun 42 Hektar nahezu verdoppelt. „Es kann nur eins geben, der Pachtvertrag muss gekündigt werden“, rief Eppel. Kuppinger ging auf die Sand- und Kiesgewinnung aus 35 Metern Tiefe ein. Über 35 Jahre soll dort gegraben werden. Ein Baggersee sei „nichts anderes als freigelegtes Grundwasser“. Wenn der Boden verloren gehe, sei das „ein unwiederbringlicher Verlust“. Dem Versprechen der Firma Krieger, Sand und Kies nur regional zu verwenden, wolle er keinen Glauben schenken. Auch kurze Transportwege seien kein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Und beim Naturschutz durch Schaffung neuer Lebensräume werde auch „nicht viel Gutes“ getan.
Wasser liefert Diskussionsstoff
Elfriede Fackel-Kretz-Keller machte die Besucher auf die landesweite Klimaschutzaktion des Gemeindetags unter dem Motto „1000 Bäume für 1000 Kommunen“ aufmerksam und stellte das Leitbild der Bürgerinitiative vor. Die Interessenvereinigung sieht als oberste Priorität den Schutz des Trinkwassers im Wasserschutzgebiet Schwetzinger Hardt. Der Wald im Gewann „Entenpfuhl“ soll erhalten und ökologisch aufgewertet werden. Der Kiesabbau wird abgelehnt, „da dies zu einer enormen Lärmbelästigung der Anwohner führt und natur- und forstwirtschaftliche Kompensationsmaßnahmen zu Lasten der landwirtschaftlichen Produktionsflächen gehen“.
Linken-Stadtrat Werner Zieger verwahrte sich gegen jede Beeinflussung der Trinkwasserversorgung und stellte die Frage, wie sich die natürliche Verdunstung bei einem Baggersee auf den Grundwasserstand auswirkt. Der Grundwasserspiegel sinkt ab, Trinkwasser wird immer teurer. Während die Anwesenheitsliste rumging, lief eine rege Diskussion. „Das Wasser in Heidelberg und Mannheim wird gemischt mit gutem Schwetzinger Wasser“, meinte Grünen-Stadtrat Marco Montalbano. Thematisiert wurde auch die Wasserversorgung für ein größeres Gebiet. Einige Besucher meinten, dass man den neuen Verein auch regional präsentieren solle. Die Versammlung konnte sich nicht auf weitergehende Forderungen einigen, etwa zu Recycling-Rohstoffen oder alternativen Baumodellen.
Alternativen anbieten
Die BI-Gründung bekam eine Gegenstimme von Dieter Goldschalt. Der Vertreter der Aktiven Bürger (ABS) konnte nicht nachvollziehen, dass die Bürgerinitiative sich als Schwetzinger Vertretung beschränken wollte. Es stelle sich auch die Frage nach der Verantwortlichkeit einer Behörde für dieses Dilemma. Die Wahl des Vorstandes trug Goldschalt dann mit. Das Leitbild soll noch im Vorstand weiter diskutiert werden. Wichtig sei auch, welche Alternativen die Landesregierung der Firma Krieger anbieten könne, war zu hören.
„Hier geht es um hohe Werte“, meinte der Plankstadter SPD-Gemeinderat Dr. Dr. Ulrich Mende, der das Baustoff-Thema mit im Leitbild sehen wollte. Der Hinweis auf alternative Baustoffe dürfe nicht fehlen, erklärte auch Grünen-Stadträtin Dr. Susanne Hierschbiel. Andere Diskussionsteilnehmer warnten dagegen, nicht zu viele „Nebenkriegsschauplätze“ aufzumachen. Man sollte sich lieber ganz auf den „Entenpfuhl“ konzentrieren. „Wir dürfen nicht zu viel wollen. Wir können nicht die ganze Welt verbessern“, warf ein Besucher ein. Er plädierte für Arbeitsgruppen. „Niemand soll hier sein Parteibuch einbringen“, meinte Elfriede Fackel-Kretz-Keller und rief zur Nominierung von Kandidaten auf.
Wolfgang Haase aus Brühl hielt sich nicht daran. Der AfD-Ersatzbewerber im Wahlkreis Schwetzingen brachte bei seiner Vorstellung gleich Parteipolitik ins Spiel. Später verzichtete Haase auf seine Kandidatur. Mit SPD-Kreisrätin Monika Maier-Kuhn, den Stadträten Ulrich Renkert (CDU), Marco Montalbano (Grüne) und Werner Zieger (Linke) sowie Heinz Eppel vom Ketscher Umweltstammtisch als BI-Sprecher wurde ein fünfköpfiger Vorstand gewählt – per Akklamation und en bloc sowie einstimmig bei einer Enthaltung. Die überparteiliche BI, „ein Zusammenschluss von Schwetzingern und Bürgern der vom Kiesabbau betroffenen Kommunen“, fordert nun die Landesregierung auf, zu prüfen, unter welchen Bedingungen der Pachtvertrag mit der Firma Krieger aufgekündigt werden kann.
Ansprechpartner
Die neugegründete Bürgerinitiative trägt den Namen: „Rettet den Entenpfuhl“.
Der einstimmig gewählte fünfköpfige Vorstand setzt sich zusammen aus: Monika Maier-Kuhn, Ulrich Renkert, Heinz Eppel (Sprecher), Marco Montalbano und Werner Zieger.
Wer der Initiative beitreten möchte oder Fragen und Anregungen hat, kann sich bei Sprecher Heinz Eppel, Telefon 01 57/36 27 90 84 melden. vw
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