Christopher Gohl will den aus seiner Sicht erfolgreichen CO2-Zertifikatehandel als Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien weiter ausbauen. Wie der FDP-Kandidat die 13 Fragen der Redaktion beantwortet.
1. Wenn ich per Knopfdruck sofort eines verändern könnte, dann wäre das …
Die Ausweitung des in einigen Sparten schon erfolgreichen CO2-Zertifikatehandels auf europäischer Ebene als wichtigstes Instrument des Klimaschutzes. Die Politik gibt dabei einen harten Deckel vor, wie viel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf – das einzige Verbot, dass so viele andere Detail-Verbote erspart. Für den Ausstoß müssen dann Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden. Wer hingegen besonders viel CO2 spart, muss weniger Zertifikate kaufen und spart Geld. Wer CO2 sogar aus der Atmosphäre holt und speichert, erhält dafür Geld. So schaffen wir Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien. Statt dass sich Parteien im Zielzahlenbingo überbieten, setzen wir mit dem CO2-Zertifikatehandel Unternehmerinnen, Finanzvorstände und Ingenieure im ganzen Land darauf an, sich Tag und Nacht zu überlegen, wie sie CO2 einsparen. Erfahrungsgemäß führen neue Erfindungen dann zu exponentiellen Fortschritten..
2. Sollen Ihrer Meinung nach für Ungeimpfte stärkere Einschränkungen gelten als für Geimpfte?
Ich lehne vollständig ab, Corona-Maßnahmen in Zukunft noch in der Logik von Einschränkungen zu diskutieren. Wir haben bald 20 Monate Pandemieerfahrung. Wir müssen endlich weg von fantasielosen Verboten und platten Lockdowns – hin zu vernünftigen Lösungen, die es Menschen einfach machen, sich verantwortlich zu verhalten. Also bis auf weiteres zum Beispiel kostenlose Tests, freundliche Beratung auch in anderen Sprachen und kostenlose Impfungen dort, wo Menschen hingehen. Millionen von Menschen können sich gar nicht oder noch nicht impfen lassen, darunter unsere Kinder unter 12 Jahren. Weitere Millionen zögern noch, sich impfen zu lassen. Die Zahl überzeugter Impfgegner ist dagegen gering. Deshalb meine ich, dass Geimpfte, Genese und Getestete gleich behandelt werden sollten. Dass sich Ungeimpfte dann regelmäßig testen lassen müssen, ist ihr Beitrag zur Sorge um andere Ungeimpfte und zur Beendigung der Pandemie. Jeder so, wie er kann.
3. Welche Weichen müssen hinsichtlich der Entwicklung im Pflege- und Krankenhauswesen gestellt werden?
Ein moderner Staat schafft Rahmenbedingungen, die Selbstbestimmung auch im Alter oder bei Krankheit ermöglichen. Wir haben in Deutschland aber einen dramatischen Mangel an Pflegefachkräften, die dadurch oftmals überlastet sind und den eigenen Ansprüchen an ihre Arbeit nicht gerecht werden können. Das ist frustrierend und führt nicht selten zu Burn-out und zur Berufsaufgabe. Wir Liberalen wollen dem entgegenwirken und wieder mehr Zeit für Zuwendung ermöglichen – durch einen umfassenden Bürokratieabbau, bessere Arbeitsbedingungen und die Nutzung digitaler Potenziale im Pflegebereich. Wichtig ist uns dabei vor allem eines: Die beruflich Pflegenden an zentraler Stelle in die Erarbeitung der nötigen Reformen einzubinden und so ihre fachliche Expertise zu nutzen. Das Gesundheitswesen ingesamt benötigt mehr Investitionen, mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie.
4. Wie sollen Renten und Pensionen in Zukunft finanziert werden?
Eine „enkelfitte“ Rente kriegen wir nur, wenn wir das Altersvorsorgesystem modernisieren. Die Altersvorsorge wollen wir nach dem Baukastenprinzip organisieren: Bausteine aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge können flexibel kombiniert und bei Wechseln zwischen Arbeitgebern oder zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit flexibel mitgenommen werden. Bei der Einführung einer gesetzlichen Aktienrente orientieren wir uns am Vorbild von Schweden. Die verpflichtende erste Säule unseres Rentensystems wird dann auf zwei Pfeiler gestellt: Wie bisher fließt ein Teil in die umlagenfinanzierte Rentenversicherung. Ein kleinerer Betrag wird aber auch angelegt in einem Fonds, der unabhängig verwaltet wird. So entsteht echtes Eigentum für die Altersvorsorge und höhere Altersrenten. Mit einer neu einzuführenden Basis-Rente wollen wir Altersarmut gezielt bekämpfen. Denn wer gearbeitet und eingezahlt hat, verdient im Alter immer mehr als die Grundsicherung!
5. Die Kultur und auch der Sport erleben seit vielen Monaten eine sehr schwierige Zeit. Wie stellen Sie sich die Förderung in diesen Bereichen in den nächsten vier Jahren vor?
Kultur und Sport sind von der Corona-Krise besonders hart getroffen worden. Die Stilllegung der Kulturschaffenden demonstriert den missglückten Umgang der Bundesregierung mit der Pandemie. Die versprochenen Hilfen aus dem Schutzschirm „Neustart Kultur“ kamen viel zu lange nicht an. Statt eines drohenden Lockdowns in der vierten Welle müssen wir Museen, Theatern und Veranstaltungen mit mobilen Luftfilteranlagen, Masken und Schnelltests einen offenen Herbst gewährleisten. Und wir brauchen seit langem einen offenen Dialog mit der Kulturbranche über ihre Bedürfnisse. Genauso der Breitensport: Die Stilllegung von Ehrenamt und Bewegung hat besonders Vereine und unsere Kinder getroffen - mit zum Teil dramatischen gesundheitlichen Folgen. Jetzt muss auch der Indoor-Sport möglich bleiben. Die Vereine brauchen unbürokratische Hilfe beim Neustart. Kindern wollen wir durch das Kinderchancengeld Mitgliedschaften in Vereinen ermöglichen.
6. Soll der Bund mehr Kompetenzen in der Bildungspolitik bekommen?
Der Bildungsmonitor 2021 zeigt, dass sich Deutschland bei der Schulqualität, Integration und Reduzierung der Bildungsarmut gravierend verschlechtert hat. Als Vater von drei Kindern habe ich genug davon, dass wir unsere Bildungsdefizite schön reden und auf dem Rücken der jungen Menschen aussitzen. Damit sich was ändert, müssen wir die Kleinstaaterei im Bildungsföderalismus überwinden und im Grundgesetz statt eines Kooperationsverbotes ein Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern verankern. Das Bundesbildungsministerium kann dann Bildungsinnovationen und Unterrichtsqualität viel stärker vorantreiben. Wir brauchen eine MINT-Offensive und einen Digitalpakt 2.0. Dazu gehören eine moderne technische Ausstattung in den Klassenzimmern, zeitgemäße Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, sowie digitale Lernmittel und -konzepte.
7. Wie stellen Sie sich die Mobilität der Zukunft vor?
Eine innovative, ökologisch verantwortliche und bezahlbare Mobilität ist angewiesen auf eine zukunftsweisende Verkehrspolitik ohne ideologische Scheuklappen. Nur mit technologischen Innovationen, einem funktionierenden Emissionshandel, moderner Infrastruktur und einer technologieoffenen Verkehrspolitik kann sichere, saubere, CO2-neutrale und bezahlbare Mobilität für alle gewährleistet werden. Und das nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land! Die Verkehrswende braucht nicht Verbote, sondern bessere Angebote. So sollten wir Verbrennungsmotoren von Benzin auf Wasserstoff oder E-Fuels umrüsten, statt sie zu verbieten. Statt Auto und Fahrrad, Busse und Bahnen gegeneinander auszuspielen, sollten wir ihre Anschlussfähigkeit verbessern. Damit E-Mobilität zum Vekehrsmix gehört, müssen wir dringend die Infrastruktur für E-Mobilität ausbauen und zugleich teure, kontraproduktive Subventionen streichen.
8. Wie sehen Sie die Rolle Deutschlands in der Europäischen Union?
Deutschlands Zukunft liegt in einer starken, handlungsfähigen Europäischen Union. Zu Zeiten des Aufstiegs des autoritär regierten Chinas bleibt sie das wichtigste Friedensprojekt überhaupt. Als größte Nation des Kontinents tragen wir eine besondere Verantwortung für die vertrauensvolle Kooperation der europäischen Ländern untereinander, auch und gerade mit den kleineren Ländern. Wesentliche Teile der Außenpolitik sollten wir deshalb als europäische Innenpolitik begreifen. Zu den wichtigen Aufgaben, die wir in und über die Europäische Union angehen müssen, gehören der Schutz der Menschen- und Freiheitsrechte innerhalb und außerhalb der EU; ein gemeinsames Geschichtsbuch für die Schulen Europas; die Ausweitung des schon bestehenden und erfolgreichen CO2-Zertfikatehandels; ein EU-Haushalt ohne Schulden und EU-Steuern; und die Überwindung der Wirtschaftskrise der EU. Die wirtschaftliche Erholung aller Mitgliedstaaten muss ein zentrales Ziel der europäischen Politik sein.
9. Welchen Weg möchten Sie in Bezug auf die Digitalisierung einschlagen?
Die digitale Transformation ist eine der größten Chancen und Herausforderungen unserer Zeit. Wie wir sie gestalten, wird unser Leben für lange Zeit prägen. Deshalb wollen wir Deutschlands Digitalpolitik neu ausrichten. Ein Ministerium für digitale Transformation muss die Basics gewährleisten: eine flächendeckende und hochleistungsfähige Mobilfunkabdeckung durch echten Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt; ein Glasfasernetz und eine konsequente Hochrüstung bestehender Mobilfunktionsnetze; Gigabit-Gutscheine für Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen, um den Netzzugang zu beschleunigen; ein Generalupdate für die Cybersicherheit, unsere Achillesferse; eine Roadmap für ethisch wünschenswerte Künstliche Intelligenz; Netzneutralität und fairer Wettbewerb im Internet; nachhaltige Rechenzentren. Und dann muss Digitalisierung endlich auch in Rathäusern, Schulen und Universitäten ankommen. Schluss mit den Faxen!
10. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Zuwanderungspolitik in den nächsten Jahren aussehen?
Deutschland wird älter. Mitte der 2020er-Jahre geht die Generation der Babyboomer nach und nach in ihren wohlverdienten Ruhestand. Gute Arbeitsplätze und Einzahlungen ins Rentensystem können wir nur dann in Deutschland halten, wenn wir mit einer klugen Einwanderungspolitik Fachkräfte und unternehmungslustige Menschen gewinnen, die unseren Wohlstand in den kommenden Jahren sichern. Schon heute sorgen Unternehmer und Spitzenforscherinnen mit Migrationshintergrund für überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze und Innovationen – denken wir an die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci, die beiden wichtigsten Deutschen in der Corona-Krise. Wir brauchen deshalb klare Regeln für Einwanderung nach unseren eigenen Interessen, gebündelt in einem Einwanderungsgesetzbuch. Damit ordnen wir die Zuwanderung nach Deutschland und formulieren Erwartungen an die Menschen, die zu uns kommen. Mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild werden wir für Fachkräfte attraktiver.
11. Falls es dazu kommen würde: Mit wem sollte Ihre Partei koalieren und mit wem auf keinen Fall?
Für uns Liberale zählen Ziele für’s Land, nicht Farbenspiele. Wir sind eine eigenständige Partei. Wir werben für eine Politik der Freiheit, für Vernunft und gute Ideen. Unsere Koalitionsaussage gilt nicht anderen Parteien, sondern Inhalten: Wir treten nur in eine Regierung ein, die einen Kurs der Mitte garantiert und die auf die Herausforderungen unserer Zeit mit dem Vertrauen auf Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Europa antwortet. Eine Linksverschiebung der Politik in Deutschland wird es mit uns nicht geben. Der FDP wächst bei dieser Wahl eine neue Rolle zu. Denn einerseits ist die Union inhaltlich unscharf und geschwächt, obwohl wir gemeinsame Positionen teilen. Andererseits sind SPD und Grüne unverändert offen für einen Linksruck durch eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Nur wir sind bei dieser Wahl der handlungsfähige Garant für die politische Mitte. Mehr denn je geht es nicht um Taktik, sondern um Überzeugung: Alle Stimmen für die Freiheit!
12. Was möchten Sie für Ihren Wahlkreis – und speziell die Region Hockenheim-Schwetzingen – im Bundestag erreichen?
Unsere Region braucht besonders Wohnraum und Digitalisierung. Wie es ist, kann es nicht bleiben – werden wir zu einer Region der Eigentümer! Damit besonders junge Familien ihren Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen können, will ich mich für einen Freibetrag für privates Wohneigentum bei der Grunderwerbsteuer einsetzen, Bauen von Vorschriften befreien und günstiger gestalten. Und Digitalisierung, siehe oben, ist kein Nebenthema, sondern ein Überlebensthema. Unsere Region braucht endlich blitzschnelles Internet in jedem Haus, in jedem Betrieb, an jedem Feldweg. Unsere Rathäuser müssen per App erreichbar sein. Und als Vater von drei Kindern ist mir besonders wichtig, dass die Digitalisierung endlich in den Schulen ankommt. Das müssen wir von der Ausstattung bis zur Nutzung gesamtheitlich durchstimmen. Im Verkehrsausschuss schließlich kann ich besonders die Verkehrsprojekte in der Region begleiten. Der Ausbau der Rheintalbahn etwa muss lärmarm und kostenarm erfolgen.
13. Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Region?
Der Schwetzinger Schlossgarten, in dem meine Frau und ich unsere Eltern zum ersten Mal zusammengeführt haben!
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