Mannheim. Der Notendurchschnitt war einfach zu schlecht: 3,8 - so stand die bittere Wahrheit auf dem Zeugnis der Fachhochschulreife. „Mit diesem Schnitt wäre sie niemals genommen worden“, waren sich Verteidigung und Erste Staatsanwältin einig. Um ihr Wunschstudium der Sozialen Arbeit an der Hochschule Mannheim dennoch zu beginnen, entschied sich die damals 25-Jährige zur Aufhübschung ihres Dokuments. „Angefertigt hat es ein anderer“, die eigenen technischen Fähigkeiten hätten da nicht genügt, erklärte Verteidiger Seán Hertling.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: „Zehn von zwölf Noten wurden verändert“, heißt es in der Anklageschrift, „aus 3,8 wurde in Summe eine 2,3“. Damit erhielt die gebürtige Heidelbergerin 2016 den ersehnten Studienplatz - und nahm ihn zugleich den fair spielenden Mitbewerbern weg, wie Richterin Kathrin Janicki hervorhob. „Es hätte sogar klappen können“, gab die Staatsanwaltschaft mit Blick auf einen zunächst reibungslosen Übergang zu bedenken.
Studentin vertraute sich einer Kommilitonin an
Sechs Semester hatte die junge Frau absolviert und sämtliche Prüfungsleistungen erbracht. Dann verschlug es sie in die USA zum Auslandssemester. „Die Tat machte ihr vermehrt zu schaffen“, berichtete Hertling, der eine Einstellung des Verfahrens angeregt hatte, über die psychische Belastung. Schließlich habe sich die Studentin einer Kommilitonin anvertraut.
Was sie nicht ahnte: Wenig später erreichte eine anonyme E-Mail die Heimathochschule. Eine Fortsetzung des Studiums war nicht mehr möglich. Zwar sei von einem formalen Ausschluss bis heute nichts bekannt, allerdings stünden nach Kenntnis der Verteidigung „alle Prüfungskonten auf Null“. Das Studium in Mannheim sei wertlos. Zur Wohnungsdurchsuchung kam es im Juli 2019, Strafbefehl erging im November. 60 Tagessätze zu 20 Euro waren das „Angebot“, das jedoch nicht angenommen wurde.
Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass solche Dinge nicht passieren
Was folgte, bezeichnen die Beteiligten übereinstimmend als „langwierig“ und „streitig“: Verwerfungsurteil, Rückverweisung ans Amtsgericht und ein erstinstanzliches Urteil am 31. Januar 2022: Gegen das erhöhte Strafmaß von 90 Tagessätzen gingen sowohl Verteidigung als auch Anklage in Berufung.
Ein aufwendiges Prozedere wäre auch diesmal möglich gewesen, doch beschränkte Rechtsanwalt Hertling, der seine Mandantin telefonisch in New York erreichte, seine Berufung auf die Rechtsfolgen. Nur noch die Höhe der Strafe war damit offen, der Tatvorwurf rechtskräftig. Nicht mehr benötigt wurden auch die drei Zeugen, darunter der Direktor des Zeugnis ausstellenden Berufskollegs, an dem man sich für den Ausgang des Verfahrens besonders interessiert.
Perspektive in den USA
Zugunsten der bis dahin unbescholtenen Angeklagten wertete das Gericht das erstmals vorliegende, wenn auch nicht persönlich vorgetragene Geständnis, außerdem die - auch Corona-bedingte - lange Dauer des Prozesses. Weiter habe die Studentin unter den Folgen ihrer Tat gelitten und wenig erreicht. Ohne Perspektive in Deutschland sei sie in die USA übergesiedelt. Unterstützung gewährte ihr die Familie, deren finanzielle Möglichkeiten inzwischen aber ausgeschöpft sind.
Demgegenüber sah die Kammer das „hohe öffentliche Interesse“ an diesem Fall. „Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass solche Dinge nicht passieren“, sagte Richterin Kathrin Janicki. Andere Menschen erhielten ihren Studienplatz durch Lernen und ehrliche Arbeit. Über das Zeugnis hinaus hatte die Angeklagte zudem sechs beglaubigte Kopien gefälscht.
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Aufgrund ihrer Verurteilung zu einer Geldstrafe unterhalb der Schwelle von 90 Tagessätzen gilt die 31-Jährige als nicht vorbestraft. Ihr Studium in Manhattan, ebenfalls im Fach Soziale Arbeit, wird sie voraussichtlich im Herbst mit Erfolg beenden.
„Sie könnte dann als Streetworkerin tätig werden“, schilderte Seán Hertling die Zukunftspläne. Eine Greencard habe sie noch nicht, eine Rückkehr nach Deutschland sei dennoch kein Thema. Daran, dass in den USA alles mit rechten Dingen zuging, bestehen indes keine Zweifel. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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