Energie

So soll Windenergie aus Norddeutschland die Kurpfalz versorgen

Insgesamt könnten bis zu 20 Milliarden Euro gespart werden! Transnet BW möchte mit innovativen Lösungen Gleichstrom über schon bestehende Wechselstrommasten nach Baden-Württemberg leiten.

Von 
Noah Eschwey
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Beim Rangierbahnhof in Mannheim werden alte Masten zurückgebaut. © Noah Eschwey

Region. „TransnetBW hat zusammen mit 50Hertz und TenneT berechnet, dass bei den drei neuen Gleichstromübertragungsleitungen OstWestLink, SuedWestLink und NordWestLink durch die Rückkehr zum Freileitungsbau mindestens 20 Milliarden Euro eingespart werden können. Darüber hinaus können Freileitungen schneller gebaut werden als Erdkabel. Deshalb fordern wir seit Längerem die Abkehr vom aktuell gesetzlich vorgeschriebenen Erdkabelvorrang und die Rückkehr zum Freileitungsbau.“, erklärt Klaus Kaufmann vom Unternehmen Transnet BW. Und der Weg, wie das Unternehmen soviel Geld für Schwetzingen, die Kurpfalz und ganz Baden-Württemberg einsparen möchte, ist tatsächlich revolutionär: neue Gleichstromleitungen werden auf die schon bestehenden Wechselstrommasten gelegt.

Pressesprecher Matthias Ruchser (rechts) erklärt den Journalisten das Projekt. © Noah Eschwey

Matthias Ruchser, der Pressesprecher des Unternehmens, erklärt bei einer Exkursion in Mannheim: „Wir möchten heute Ultranet, ein Netzausbauprojekt von Transnet BW und Amprion vorstellen.“ Das Vorhaben solle dazu beitragen, zukünftig mehr Strom aus den erneuerbaren Energien gewinnen zu können: „Wir möchten mit Hochspannungs-Gleichstromleitungen die Energie aus dem windreichen Norden ohne große Übertragungsverluste in den Süden leiten.“ Der innovative Ansatz an der ganzen Sache: „Wir nutzen Hybridmasten, die sowohl den Wechselstrom in der Region leiten, als auch den Gleichstrom über die weite Strecke transportieren.“ So könne Fläche gespart und Bestand genutzt werden – ein nachhaltiger Weg zur Nachhaltigkeit.

Der Südwesten sei recht dicht besiedelt, außerdem wolle das Unternehmen wirtschaftlich arbeiten. „Deswegen greifen wir so gut es geht auf die schon bestehenden Leitungstrassen zurück“, sagt Alice Dippel, die Projektsprecherin bei der Exkursion. Beim ersten Treffpunkt, in der Nähe vom Rangierbahnhof Mannheim, funktioniert das nicht. „Der Mast ist alt und zu klein. Deswegen wird er nun zurückgebaut und ausgetauscht“, ordnet Dippel mit Blick auf einen Strommast ein, der von mehreren Arbeitern abgeflext wird.

Ein Arbeiter durchsägt den Mast. © Noah Eschwey

Transnet sei für den 42-Kilometer-langen Abschnitt zwischen Mannheim-Wallstadt und dem Gleichstromumspannungswerk in Philippsburg zuständig. Insgesamt umfasst die Strecke, über die perspektivisch Strom vom Norden in den Süden fließen soll, 340 Kilometer. „Wir müssen 100 Masten auf dem Gebiet zurück und 98 neu bauen. Und mittlerweile befinden wir uns mit einem Fertigstellungsgrad von ungefähr 85 Prozent auf der Zielgeraden“, so Kaufmann über das Projekt, das Ende 2026 in Betrieb genommen werden soll. Eine besondere Herausforderung sei aktuell der Rangierbahnhof in Mannheim. „Um den Zugverkehr und die zugehörigen Leitungen nicht zu gefährden, haben wir ein 27 Meter hohes und 47 Meter breites Schutzgerüst gebaut, auf das ein Netz gespannt ist“, erklärt Dippel.

Allerdings ist der Übertragungsnetzbetreiber aktuell nicht nur am Rangierbahnhof tätig, viel mehr arbeitet er an vielen Stellen zur gleichen Zeit an der Fertigstellung des Großprojekts. Mit einem Kleinbus werden die Pressevertreter zu einer Baustelle nördlich vom Rangierbahnhof verfrachtet. „Hier wird gerade das Fundament für einen weiteren Mast gelegt, dafür müssen vier Löcher mit 20 Metern Tiefe gebohrt werden“, beschreibt Kaufmann. In das Loch werde dann Beton gekippt, der dort aushärten soll. Innerhalb von 28 Tagen müsse dann die obere Schicht des Betons abgegraben und die Stahlpfeiler eingesetzt werden. „Das Bohrpfeilgerät ist ein Schwerlasttransport, das heißt wir müssen gut planen, um schnell voranzukommen. Das sind auch logistische Herausforderungen“, sagt Kaufmann.

Die Rohre, durch die der Beton für das Fundament eines neuen Masts fließt, müssen regelmäßig gereinigt werden. © Noah Eschwey

Den letzten Stopp des Tages macht der Bus in Philippsburg, wo das Gleichstromumspannungswerk den Gleichstrom, der aus dem Norden transportiert wird, in Wechselstrom, der im Süden verteilt werden kann, umwandeln soll. Auf die Frage, weswegen hier nicht frei und überall fotografiert werden darf, sagt Ruchser: „Siemens, der Generalunternehmer für das Gelände, möchte verhindern, dass Konkurrenten an die innovativen Techniken gelangen.“

„Hier sehen Sie unsere Außenkühlanlagen“, erklärt Jan Ritter, der Betreiber des Werks. Genutzt werde Wasser, was für den Laien meist verwunderlich sei: „Wasser leitet ja selbst Strom. Das ist aber kein Problem, weil so genanntes hochreines Wasser nutzen, das nur sehr schlecht leitet.“ Das zehn Hektar umfassende Gelände sei symmetrisch aufgebaut. „Und an allen Stellen sind Redundanzen installiert, falls etwas ausfällt.“

Matthias Blömker erklärt das System der Spulen im Gleichstromumspannungswerk in Philippsburg. © Noah Eschwey

Es ist die erste Anlage dieser Art in Baden-Württemberg. „Zukünftig soll sie völlig ohne Mithilfe unsererseits laufen, alles ist automatisiert. Menschen werden nur zur Wartung gebraucht.“ In der ersten Halle, die Transnet präsentiert, wird der Gleichstrom auf sechs Spulen verteilt. „Drei sind für Hoch- und drei für Niedrigspannung.“ Das Arbeitssystem sei besonders sicher: „Die Tür des Gebäudes geht nicht auf, wenn der Betrieb läuft.“

Die zweite Halle sei praktisch wie ein Netzteil in jedem Computer, nur eben in gigantischem Ausmaß. „Im Endeffekt wird hier aus dem Gleich- der Wechselstrom“, sagt Matthias Blömker, der Teamleiter. „Man kann sich Gleich- und Wechselstrom wie fließendes Wasser vorstellen. Gleichstrom fließt unter viel mehr ,Druck‘, ist also eher für den weiten Transport geeignet. Für den Wechselstrom gibt es aber schon die Infrastruktur. Deswegen kommt der Gleichstrom aus Norddeutschland hierher, wird dann umgewandelt in den Wechselstrom, der dann über die bestehende Infrastruktur verteilt wird“, erklärt Blömker für Fachfremde.

Der Außenbereich des Werks in Philippsburg. © Noah Eschwey

Insgesamt ungefähr 2,2 Milliarden Euro koste das gesamte Projekt, mit dem der Strom vom Norden in den Süden kommen soll. „Perspektivisch wird Deutschland dadurch deutlich grüner und Strom in den 2030er und 2040er Jahren günstiger.“ Kaufmann sagt abschließend: „Wir sind stolz darauf, wie schnell und wie gut wir es schaffen, die Energieversorgung in Deutschland zu verbessern. Bis Ende nächsten Jahres sind wir fertig und tragen damit zur Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik und zur grünen sowie sicheren Energieversorgung bei.“

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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