Schwetzingen. Es ist nicht zu übersehen: Der Schlossgarten Schwetzingen liefert immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass der Klimawandel zunehmend wirkmächtiger wird. Bäume zeigen ein immer stärker ausgeprägtes Schadbild und die Gewässer brauchen zunehmend Pflege, damit sie aus ökologischer Perspektive im Gleichgewicht bleiben. Der Klimawandel sei nichts, was in der Zukunft drohe, sondern schon jetzt die Bedingungen des Lebens verändere. Und das übrigens recht massiv für den kurfürstlichen Garten. Genau darauf wollen Sandra Moritz, Leiterin der Schlossverwaltung Schwetzingen, die Finanzstaatssekretärin Gisela Splett und die Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten, Patricia Alberth, beim bundesweit stattfindenden Aktionstag „Historische Gärten im Klimawandel“ aufmerksam machen.
Sie alle ließen keinen Zweifel daran, dass die Lage im Garten teils verheerend sei. Am drastischsten fasste Gartenmeister Mario Witzgall die Situation im Schlossgarten Schwetzingen zusammen: „Früher sorgte ich dafür, dass der Garten schön ist. Heute kümmere ich mich mehr drum, dass er überlebt.“
16 Prozent des Parks gesperrt
Bevor sich Interessierte anhand von neun Station ein Bild vom Garten im Klimawandel sowie etwaigen Anpassungsmaßnahmen machen konnten, skizzierten Splett und Alberth die Situation der 72 Hektar großen Gartenanlage. „Kurz zusammengefasst“, so Alberth, „sie ist besorgniserregend“. Und dass, so sagen es Verwalterin Moritz und Dr. Meike Kirsch, Referatsleiterin Grün bei den Staatlichen Schlösser und Gärten, sei der Grund für Absperrungen im Schlossgarten. Kirsch: „Das Schadbild ist massiv.“ Extrem viele Bäume, gerade im englischen Gartenteil, bedrohten die Verkehrssicherheit. Das sei sehr gefährlich. Schon armdicke Äste, die unvermittelt herunterfallen, seien eine Lebensgefahr. Dabei versteht Moritz den Ärger der Besucher über die Absperrungen - und bittet um Verständnis: „Am Ende geht es um ihre Sicherheit!“ Betroffen von den Absperrungen seien, anders als manchmal behauptet, nicht die Hälfte des Parks, sondern lediglich 16 Prozent. Alle historischen Bauten seien voll umfänglich zugänglich. An die Absperrungen selbst, so Kirsch, müsse man sich erst einmal gewöhnen: „Es sind so viele Bäume krank, dass wir derzeit mit dem Abarbeiten einfach nicht hinter her kommen.“
Der englische Teil des Gartens sei Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Gebiet, da brauche man für jede Maßnahme eine Genehmigung. Und dann seien die Bäume, erklärte Splett, nicht die einzige Baustelle. Die Gewässer im Schlossgarten mit einer Fläche von 50 000 Quadratmeter leiden unter immer stärkerer Verkrautung und enormen Algenwachstum. So müssten Mitarbeiter immer öfter ausrücken, um Algen abzuschöpfen. Wichtig, weil absterbende Algen von Bakterien zersetzt werden, was Sauerstoff verbraucht. Wenn dieser Prozess wegen zu vieler Algen zu stark wird, drohen sogenannte Todeszonen: Areale mit viel zu wenig Sauerstoff im Wasser, was sich wiederum auf die Vogel- und Fledermauspopulation auswirken würde. Denn Gewässer sind die Kinderstuben von Insekten.
Auch die alte Ulme ist tot
Dass der Klimawandel nichts Zukünftiges ist, machte auch der Staatssekretär im Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, klar. Wetteraufzeichnungen seit 1881 zeigten auf, dass die Jahresdurchschnittstemperatur in Baden-Württemberg schon jetzt um 1,8 Grad gestiegen sei. Wenn die Welt die Jahresdurchschnittstemperatur von zwei Grad insgesamt überschreitet, so Baumann, würde die Kurve der Jahresdurchschnittstemperaturen im Ländle wohl locker die drei Grad Grenze reißen: „Die Auswirkungen wären heftig, nicht nur für den Schlossgarten Schwetzingen.“
Im kurfürstlichen Park seien sie nur besonders sichtbar. Gartenmeister Witzgall verweist auf die beiden gigantischen Blutbuchen gegenüber des Weihers: „Die sind heute tot.“ Und das geschah in acht Jahren. Witzgall weiß das so genau, weil er vor acht Jahren hier anfing und es den Blutbuchen damals noch einigermaßen ging. Letztes Jahr hat der Garten mit einer herrlichen Ulme auch den letzten Baum, der aus der Gründungszeit, so rund um das Jahr 1750 stammt, verloren.
Aber, und das ist der gute Teil dieses Aktionstages, man habe sich schon lange auf den Weg gemacht, dem Klimawandel hier etwas entgegenzusetzen. In einer eigenen Baumschule werden Bäume aufgezogen, die mit den geänderten klimatischen Bedingungen besser klarkommen. Innovative und vor allem sparsame Bewässerungssysteme werden installiert. Bodenschutz und Humusaufbau werden gefördert. Wiesen werden weniger gemäht. Das Ergebnis, so Alberth, seien bunte Blühwiesen, die für zahlreiche Insekten wertvoller Lebensraum sind.
Der Blick aufs große Ganze
An neun Stationen - vom Infostand Katastrophenschutz mit der Feuerwehr über die Sanitäter, einem Bereich zur Fauna mit Wissen über Nützlinge und Schädlinge, dem Ökomobil mit seinem Labor bis hin zur Baumschule samt Pflanz-Tipps für den eigenen Garten - gab es hier Klimaanpassungswissen ohne Ende. Dazu gehörte in Gesprächen auch der große Kontext. Denn wenn die CO2-Emissionen nicht bald sinken, nicht bald deutlich weniger geflogen wird, weniger und kleinere Autos gefahren werden, sich weniger Fleisch und viel mehr regional sowie saisonal auf den Tellern findet, etwas weniger gestreamt wird und jeder die Energie- und Wärmewende für sich endlich ernst nimmt, werden regionale Klimaanpassungsbemühungen vom globalen Klimawandel konterkariert.
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