SWR-Festspiele

So war Schwetzingens Klangmenü II im Mozartsaal

Bei den Schwetzinger SWR Festspielen ist ein französischer musikalisch-kulinarischer Abend mit dem „Ensemble Sésame“ beim „Klangmenü II“ im Mozartsaal erfolgreich

Von 
Maria Herlo
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Das "Ensemble Sésam" im Mozartsaal Schwetzingen. © Franzsika Schlidgen/SWR

Schwetzingen. Musik auf Spitzenniveau, begleitet von feiner Küche – das klingt verlockend. Unter dem Titel „Klangmenü II“ haben die Schwetzinger Festspiele zu einem französischen musikalisch-kulinarischen Abend eingeladen, bei dem das „Ensemble Sésame“ Kammermusik auf höchstem Niveau darbot – unterbrochen von Gängen eines französisch inspirierten Menüs. Zweifellos: Die Idee ist originell und solche Formate versprechen „ein Fest für alle Sinne“ – Erlebnis, Sinnlichkeit, neue Zugänge und mehr Geselligkeit.

Und ja, es ist legitim, neue Publikumsschichten zu erreichen. Dennoch darf man sich fragen: Wird ein Konzert durch kulinarische Einlagen attraktiver? Das Ensemble Sésame, dessen Programm sich ganz der französischen Klangpoesie des Fin de Siècle verschrieben hat, hätte zweifellos auch ohne kulinarisches Beiwerk ein großes Publikum angelockt. Und doch – vielleicht liegt ja gerade in dieser Verbindung von Klang und Küche ein neuer Zeitgeist, ein Ausdruck neuer Lebenskunst zwischen geistigem Anspruch und Gaumenfreude.

Bei den Schwetzinger SWR Festspielen jedoch steht nach wie vor im Vordergrund – wie gut! – die Musik. Und die bot das französische „Ensemble Sésame“ in ihrer reinsten Form. Mit Werken von Maurice Ravel tauchte es tief ein ins Klanggewebe eines impressionistisch gewürzten Menüs, garniert mit Bearbeitungen von Germaine Tailleferre und Ernest Chausson.

Das 2013 gegründete Ensemble – Ann-Estelle Médouze (Violine), Naaman Sluchin (Violine), Barbara Giepner (Viola und Klavier), Maitane Sebastián (Violoncello), Julien Le Pape (Klavier), unterstützt von Daniel Kroh (Violine) – fesselte mit einer breiten Palette an Farben und Nuancen. Barbara Giepner und Julien Le Pape brachten Ravels „Ma mère l’Oye. Cinq pièces enfantines“ für Klavier zu vier Händen in einer fein gearbeiteten, duftig-klangsensiblen Interpretation zu Gehör. Und der Geiger Naaman Sluchin fand in seiner Einführung treffende Worte dazu: „Das Programm bietet ein perfekt durchkomponiertes Menü, wobei nichts dem Zufall überlassen wird. Wir dürfen für Sie eine wunderbar ausgewogene Abfolge von Juwelen spielen, Werke von außergewöhnlicher Eleganz, die alle unsere Sinne schmeicheln. Unser Gaumen wurde schon mit Ravels ,Ma mère l’Oye‘ verwöhnt.

Im nachfolgenden Trio ertönen vielfältigere, exotischere Töne in den Tänzen sowie in der märchenhaften Passacaille, die an diesem musikalisch erfüllten Gourmetabend den Duft von zauberhaften Gewürzen verbreiten …“

Auf sympathische Weise floss in Ravels „Trio für Violine, Violoncello und Klavier a-Moll“ viel Persönliches in die Musik ein. Vorbehaltlos begeisterten Naaman Sluchin, Maitane Sebastián und Julien Le Pape in ihrer Hommage an den vor 150 Jahren verstorbenen Komponisten Ravel. Mit dessen Trio regten sie ebenso Geist wie Sinn an. Sie formten einen wunderbar innigen Klang, aus dem sich ein zärtliches Duett zwischen Violine und Cello entspann, geschmeidig von Julien Le Pape am Klavier begleitet.

Eine ganze Welt an Eindrücken und Empfindungen offenbarte sich im Streichquartett von Germaine Tailleferre (1892 – 1983). Sie war das einzige weibliche Mitglied der französischen Komponistengruppe „Les Six“, zu der unter anderem Darius Milhaud, Arthur Honegger und Francis Poulenc gehörten, wie wir aus der Moderation von Ann-Estelle Médouze erfuhren. Tailleferre war stark vom französischen Impressionismus beeinflusst, entwickelte jedoch einen eigenen, klaren, oft verspielten Stil. Das Ensemble Sésame gab ihr Streichquartett fantastisch wieder, melodisch reizvoll, rhythmisch lebendig, geprägt von typisch französischer Leichtigkeit.

Lyrisch schwärmerisch, melancholisch introspektiv wirkte hingegen das Stück „Poème für Violine und Streichquartett“ von Ernest Chausson (1855 – 1899). Die langen Passagen für die Solovioline gestaltete die Geigerin Ann-Estelle Médouze. Vor einem fast orchestralen Klanghintergrund entfachte sie im Mozartsaal einen berückenden Stimmungszauber. Sie verzückte das Publikum mit einem fast entmaterialisierten Klang ihres Instruments, das sie singen, lachen, flehen und weinen ließ. Mit ihrem Spiel entrückte sie derart in einen außeralltäglichen Raum, dass man nach dem Ende Mühe hatte, sich auf den Sitzen wiederzufinden. Die Zuhörer dankten mit stehendem Applaus.

Als ihr Lieblingsstück stellte Cellistin Maitane Sebastian das „Concert für Violine, Klavier und Streichquartett“ des jung verstorbenen Komponisten Ernest Chausson vor, ein Werk von überwältigender Dramatik und harmonischem Reichtum. Dem Ensemble gelang es mit dem anspruchsvollen Klavierpart, den herausfordernden solistischen Einsätzen der Violine, intensiv und leidenschaftlich vom Streichquartett begleitet, eine große Bandbreite menschlicher Emotionen wiederzugeben. Die Komposition enthielt alle Ingredienzen, Aromen und Düfte eines französischen Klangemenüs, dem zum Schluss noch ein emotionales Sahnehäubchen, „Gnossienne“ von Erik Satie (1866 – 1925), als Zugabe aufgesetzt wurde – meditativ, elegisch, fast wie ein musikalischer Traum.

Freie Autorin

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