Wer an einem Montagabend an der Ballettschule von Barbara Benkeser-Hammerton in der Carl-Benz-Straße 15 vorbeiläuft, könnte sich wundern. Denn ungewohnte Country- und Rock-Pop-Klänge, begleitet von Kommandos auf Englisch sind dann dort seit Neustem zu vernehmen. Wo normalerweise kleine und größere Damen im Tutu-Röckchen elegant übers Parkett schweben oder an der Stange üben, weht nun einmal in der Woche ein Wind, der aus dem Westen kommt – genauer aus Übersee. Die Plankstadter Spargel Spinners, die sich seit 1986 zum in Deutschland zunehmend beliebten Square Dance treffen, sind umgezogen. Unsere Zeitung besuchte sie beim „Open House“, zu dem jeder und jede Interessierte willkommen ist.
Wie ein DJ steht Georg Seitleben an seinem Mischpult, das Mikro in der Hand. Country-Musik läuft, während der Musiker und Sänger Anweisungen, sogenannte „Calls“, ruft. „Circle to the left“, meint er, danach geht es „right“ in die andere Richtung. Männer und Frauen halten sich an den Händen, laufen im großen Kreis – soweit die Einstimmung und das Aufwärmen. Die Herren sind im Westernhemd erschienen, manche tragen einen Bolo Tie, das ist eine kunstvolle Brosche mit Bändern, die nicht umsonst auch Cowboy-Krawatte genannt wird. Die Damen tragen fast alle Rock, Unterrock und . . . aber dazu später mehr.
Ein wenig fühlt man sich in die 1960er Jahre erinnert, in einem Saloon in Texas. Alle lachen, haben Spaß, selbst, als die Figuren schwieriger werden. Man tanzt gemeinsam, dreht sich. „Do-si-Do“ ruft Georg, den alle nur „Schorsch“ nennen. Sofort gehen die Tanzpartner umeinander herum – in mehreren Schritten, Rücken an Rücken. Immer wieder entfernen sie sich voneinander, tanzen mit anderen, um dann doch wieder zusammen zu finden. „Do-si-Do“ ist nichts anderes als verballhorntes Französisch, das den Vorgang beschreibt: „Dos-à-Dos“ und eine gewisse gedankliche Nähe zum höfischen Tanz vergangener Epochen herstellt, zum französischen Menuett.
Jetzt singt „Schorsch“ noch selbst
Dann kommt der „Singing Call“. Schorsch, der „Caller“, singt selbst und flechtet kunstvoll die Anweisungen ein. „Drop your hands, schräg nach vorne and take your girl“ weist er an. Mit den deutschen Wörtern macht er ein Zugeständnis an die Neuen, die heute zum „Schnuppern“ da sind. Seitleben singt nun „There‘s a Kind of Hush“ – den Evergreen, der durch die „Carpenters“ in den 1970ern bekannt wurde. Alle freuen sich, lachen und ein falscher Schritt hier und da scheint gar nicht schlimm zu sein. Die Tänzer müssen sich schnell orientieren und reagieren. Paare kommen zusammen und trennen sich wieder – flirten tänzerisch, schauen sich in die Augen und gehen dann wieder eigene Wege – fast wie im richtigen Leben. Aber alles in großer Leichtigkeit.
Dann übernimmt Rolf Krayer, der andere „Caller“, mit 30 Jahren Zugehörigkeit ein Urgestein des Vereins. Marion Menges ist seit sieben Jahren im Team. „Ich hatte davon in der Schwetzinger Zeitung gelesen. Seitdem bin ich dabei. Der Spaß steht im Vordergrund, das Zwanglose.“ Dann zieht sie ihren Rock und die Rüschen darunter etwas hoch. Schwarze Spitze ist zu sehen. „Und das“, sagt sie lächelnd, „sind die ‚Petite Pants‘, Spitzenunterhosen, die man manchmal sieht, wenn wir uns drehen. Das ist ein sehr schönes, feminines Gefühl.“
Club-Präsident Bernd Hannawald erzählt: „Wegen Corona trafen wir uns eine Zeit lang nicht. Auch lag unser Raum in Plankstadt im Keller und war daher nicht so gut zu belüften. Nun treffen wir uns wieder, aber in Schwetzingen, hier in der Ballettschule von Barbara Benkeser-Hammerton, wo das kein Problem ist.“ Während er dies sagt, tanzt die Schulleiterin begeistert selbst mit – mit besonderer Eleganz übrigens, denn auch sie ist eine leidenschaftliche „Square Dancerin“.
Hannawalds Ehefrau Maike ergänzt: „Es ist alles sehr familiär und freundschaftlich. Man ist auf der ganzen Welt willkommen und kann jederzeit überall mittanzen. Toll sind die ‚Specials‘, bei denen sich auch über 100 Paare treffen.“ Auch in der Rhein-Neckar-Region könnte man fast jeden Abend bei einem anderen Club mittanzen. Und Interessenten seien jederzeit beim „Open House“ willkommen, sagt sie noch. Dann wird aber weitergetanzt – „Do-si-Do“.
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