Arzt-Patienten-Forum - Dr. Arthur Filusch klärt über die „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ auf / Bei mehr Geschwistern im Haus gibt’s weniger Allergien

Studie: Städter kriegen häufiger Heuschnupfen

Von 
Sabine Zeuner
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Sie fliegen wieder und machen gut 15 Prozent der Deutschen, das sind etwa zwölf Millionen Menschen, zu schaffen. Die Rede ist von Pollen, die den Körper dafür sensibilisierter Menschen zu unschönen Reaktionen anregen. Die Sonne scheint, es zieht jedermann hinaus in die Natur, die Pollenallergiker sehen dieser Zeit eher skeptisch entgegen. Zudem blühen, dank der milden, kurzen Winterphasen die Frühblüher noch zeitiger im Jahr.

Beim Arzt-Patienten-Forum in Kooperation der Volkshochschule mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg zum Thema: „Asthma und Allergien – bewusst und mit Freude ins Frühjahr“ klärte Dr. Arthur Filusch, Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Kardiologie und Notfallmedizin aus Schwetzingen (Bild), über die Begrifflichkeiten, die Symptome sowie die Behandlungsmöglichkeiten auf. Das Wort Allergie birgt demnach zwei aus dem Altgriechischen stammende Silben, die „anders, fremd“ und „die Arbeit, Reaktion“ bedeuten. Damit drückt die Bezeichnung aus, was beim Kontakt mit üblicherweise harmlosen Umwelt-stoffen, Allergenen, passiert: Der Körper überreagiert und setzt entzündliche Prozesse in Gang.

„Der Kontakt passiert mit möglichen Allergenen aus der Nahrung oder der Umwelt, das Immunsystem checkt den Eindringling, stuft ihn als harmlos ein und verhält sich tolerant“, so der Referent. Sieht das Immunsystem allerdings eine Gefahr, schüttet es IgE-Antikörper (Immunglobulin E) aus, eine Sensibilisierung erfolgt und beim wiederholten Kontakt mit dem Allergen entsteht die Allergie. Auf Zellbasis beschrieben koppeln sich die IgE-Antikörper an die Mastzellen (spezielle weiße Blutkörperchen) an. Diese sind Hersteller des körpereigenen Histamins, das nach einer Immunreaktion freigesetzt wird. Trifft das Allergen ein, sprechen die Antikörper auf sie an und Histamin wird freigesetzt, was die allergische Reaktion hervorruft. „Vom Niesreiz, Schnupfen bis zu Schwellungen und Kreislaufkollaps kann alles auftreten“, erklärte Filusch.

Empfindlicher auf Insektengifte

Während Neurodermitis und Lebensmittelallergien (Hühnerei, Kuhmilch, Soja, Weizen) verstärkt bereits in den ersten drei Lebensjahren auftreten, können sich Heuschnupfen (Gräser-, Baumpollen, Hausstaub, Tierhaare) und Asthma bronchiale auch danach noch entwickeln. Filusch stellte fest: „Allergien werden immer häufiger.“ Er bezeichnete die Allergie als „die Epidemie des 21. Jahrhunderts“. Die Frage nach dem Warum stelle sich: Insektengiftallergie und Medikamentenallergie reihen sich hier ein. Der Vergleich einer Studie über die Reaktionen von 15 Jahre alten Stadtkindern, mit denen von Bauernkindern zeigt, dass die Bauernkinder lediglich zu 2,4 Prozent Heuschnupfen entwickelten, die Stadtbewohner zu 18,6 Prozent. Mit Blick auf Asthma wurden 1,6 der Landbewohner krank, aber 9,1 Prozent der Stadtkinder. Auch das Zusammenleben mit vielen Geschwistern zeigte eine weniger starke Ausprägung von Allergien. Die Frage, ob wir einfach zu viel waschen und putzen, wird dabei zur Hygiene-Hypothese erhoben: „…die Abnahme der Geschwisterzahlen, verbesserte Haushaltsbedingungen und höhere Standards bei der körperlichen Hygiene haben die Übertragung von Infektionen in jungen Familien erschwert. Daraus könnte die Verbreitung atopischer (erbliche Veranlagung eine Allergie zu entwickeln) Erkrankungen resultieren.“

Allergietest in jedem Alter sinnvoll

Nicht zu vernachlässigen ist diese genetische Veranlagung: Ist kein Elternteil allergisch, trifft es bis zu 15 Prozent der Neugeborenen; sind beide Eltern Allergiker, dann 60 bis 80 Prozent. Bei entsprechendem Verdacht hält Filusch einen Allegietest in jedem Alter sinnvoll: „Am sichersten lässt sich eine Diagnose stellen, wenn Sie selbst Ihr Verhalten, was Sie tun und essen im Kontext zur Reaktion Ihres Körpers in einer Art Protokoll aufzeichnen.“ Der Pricktest (Hauttest) hilft, den Übeltäter zu manifestieren. Danach gibt es als primäre Präventionsmaßnahme das Vermeiden des Allergens, Medikamente wie Antihistaminika und, in schweren Fällen, Kortison. Aber auch das Spülen von Augen, Nase und Mund mit Wasser kann Erleichterung bringen und Haare und die Bettwäsche häufig waschen. „Eine gute, wenn auch langwierige Sache ist die Hypersensibilisierungstherapie, bei der dem Körper über drei bis fünf Jahre kleinste Allergenmengen verabreicht werden. Dadurch werden nicht nur die Symptome gelindert, sondern auch der Grund des Problems bekämpft.“ Filusch empfiehlt, bei Auffälligkeiten beim Arzt einen Test zu machen: „Gerade bei der Diagnose von Asthma ist ein Allergietest unumgänglich.“ Das Thema Asthma riss Filusch an, es steht am Dienstag, 19. März, 19 Uhr, beim Arzt-Patienten-Forum im Palais Hirsch im Fokus. Bilder: Zeuner, dpa

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