Zum heutigen Weltstudierendentag

Studium im Schwetzinger Schloss: Lernen im kurfürstlichen Ambiente

Melina Wolf und Marina Stein-Tesar erzählen von ihrem Studium im Schwetzinger Schloss. Die jungen Frauen besuchen die Hochschule für Rechtspflege – mit einem Hörsaal der besonderen Art.

Von 
Noah Eschwey
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Marina Stein-Tesar und Melina Wolf studieren in Schwetzingen. © Eschwey

Schwetzingen. Dort studieren, wo Kurfürsten Urlaub machten: Für die Studierenden der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen ist das Normalität. Die jungen Frauen und Männer setzen sich nämlich in einen Hörsaal der besonderen Art. Die Räumlichkeiten im Schwetzinger Schloss. Zum 17. November, dem Weltstudierendentag, hat diese Redaktion zwei der Studierenden getroffen. Die 25 Jahre alte Melina Wolf und die 29- jährige Marina Stein-Tesar beantworten die Fragen dieser Zeitung.

Wie kamen Sie dazu, das Studium im Schwetzinger Schloss zu absolvieren?

Marina Stein-Tesar: Ich komme aus Koblenz, der Ort, an dem die Mosel in den Rhein mündet. Meine Mama ist früh verstorben. Aufgrund dessen und meiner schwierigen Familienverhältnisse war ich früh auf mich alleine gestellt. An der Mosel bin ich auch aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach meinem Realschulabschluss habe ich meine erste Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten absolviert und dort viel über das Leben gelernt. Da ich aus einer großen Patchworkfamilie komme, konnte ich trotz meiner hervorragenden Noten nicht studieren, eher musste ich früh Geld verdienen. Schon in der Ausbildung fasste ich aber den Entschluss, mich weiterzubilden und so öffnete sich für mich das Tor in die Justiz. Gleich nach meiner Prüfung habe ich meine zweijährige Ausbildung im mittleren Dienst begonnen und in dieser Zeit die verschiedenen Abteilungen eines Gerichts und der Staatsanwaltschaft kennen gelernt. Und hier liegt der Ursprung meines Wunsches, mal Rechtspflegerin zu werden. Meine Zwillingsschwester hatte einen ähnlichen Bildungsweg und arbeitet heute bei einem Amtsgericht. Es gefällt mir, dass wir auch auf diesem Wege verbunden sind. Im Anschluss an meine Prüfung im mittleren Dienst habe ich zirka fünf Jahre beim Oberlandesgericht in Koblenz auf einer Geschäftsstelle gearbeitet und in Strafsachen Protokoll geführt. Es war eine schöne und interessante Zeit. Hier habe ich gemerkt, dass mein Berufsfeld genau das Richtige für mich ist und dieser Bereich mir Spaß macht, was vielleicht auch an meinem Sternzeichen Waage liegt. Vor zwei Jahren wurde ich dann als Aufstiegsbeamtin zugelassen und studiere nun ganz stolz an der Hochschule für Rechtspflege. Und der Spruch „Durch Umwege lernt man sein Ziel von verschiedenen Seiten kennen“ passt, denke ich, ganz gut zu meinem beruflichen Werdegang. Dass ich hier studieren darf, sehe ich nicht als selbstverständlich an und ist für mich ein großes Geschenk.

Melina Wolf: Nach der Grundschule besuchte ich zunächst eine Hauptschule in Stuttgart. Zu dem Zeitpunkt als ich meinen Hauptschulabschluss absolvierte, wusste ich noch nicht genau, wohin mich mein Weg führen würde. Mir war aber klar, dass ich die mittlere Reife auf jeden Fall nachholen möchte. Ich besuchte also anschließend zunächst das Berufsschulzentrum Leonberg und dann die Johann-Friedrich-von-Cotta Schule in Stuttgart-Ost, um meine Fachhochschulreifemit Hauptfach Wirtschaft nachzuholen. Meinen Abschluss absolvierte ich im Jahr 2016. Mein Kindheitstraum Polizistin zu werden, rückte immer mehr in den Vordergrund. Da ich in den gehobenen Dienst der Landespolizei wollte, musste ich noch meine Fachhochschulreife nachholen. Dies gelang mir am privaten Berufskolleg für Gebärdensprache in Winnenden. Dort erlangte ich meinen Abschluss in der Fachrichtung Gebärdensprache im Jahr 2018. Im Herbst 2019 erfolgte meine Einstellung als Polizeimeisteranwärterin bei der Landespolizei Baden-Württemberg. Dazwischen absolvierte ich einen Bundesfreiwilligendienst beim Körperbehindertenverein Stuttgart. Im März 2020 wurde unsere Ausbildung, wie auch viele andere, aufgrund von Corona ins Homeoffice verlegt. In dieser Zeit beschäftigte ich mich viel mit mir und meinem derzeitigem Ausbildungsberuf und kam aufgrund verschiedener Umstände zu dem Entschluss dort nicht bleiben zu wollen. Mir war aber bewusst, dass ich gerne in der Justiz arbeiten möchte und aufgrund einer Studimesse in Stuttgart und Gesprächen mit Familienangehörigen meines Mannes und Bekannten bewarb ich mich im Sommer 2020 beim Oberlandesgericht Stuttgart als Rechtspflegeranwärterin. Neben dem Standort in Schwetzingen gibt es Außengruppen unseres Studienganges in Ulm. Die Einteilung durch das Oberlandesgericht Stuttgart erfolgte aufgrund eigener Präferenzen und dem Wohnort. Da ich noch vor Studienbeginn von Stuttgart nach Ludwigsburg gezogen bin, wurde ich dem Standort Schwetzingen zugeteilt, wofür ich heute sehr dankbar bin.

Wie gefällt Ihnen das Studium im Schloss?

Wolf: Das Studium ist gegliedert in drei Jahre. Zunächst befindet man sich für ein Jahr in Schwetzingen und hat Vorlesungen, im Anschluss geht es für ein Jahr an ein Amtsgericht in die Praxis und im letzten Jahr wieder für die Vorlesungen an die Hochschule. Während der gesamten Zeit werden Leistungskontrollen in Form von Aufsichtsarbeiten durchgeführt. Im Juli schreiben wir unser Diplom, das sind sieben Klausuren in einem Zeitraum von zwei Wochen. Es folgt eine schriftliche Seminararbeit und im Oktober die mündlichen Prüfungen. Sofern die Prüfungen bestanden sind, erhält man das Diplom zum Rechtspfleger. Das Ziel ist es in der Justiz zu arbeiten, es gibt aber auch Kollegen, die anschließend in die freie Wirtschaft gehen oder den Dienstherrn wechseln. Die Aufgaben des Rechtspflegers sind weit gefächert. Vor allem innerhalb der Justiz hat man gute Möglichkeiten Aufgaben zu finden, die zu einem passen. Die Inhalte sind sehr umfangreich. Dementsprechend viel Zeit muss man außerhalb der Vorlesungen zur Nacharbeit und Vorbereitung für Klausuren aufwenden. Das kommt aber ganz auf die Person selbst und das Lerntempo an. Und natürlich darauf welches Ziel man hinsichtlich seiner Noten erreichen möchte. Ich investiere gerne Zeit in das Studium, da es mir Spaß macht, die Studieninhalte zu erlernen. Daneben gibt es grundlegende juristische Fächer wie Schuldrecht. Hier lernen wir Grundlagen für meinen späteren Beruf, aber auch viel wissenswertes für den privaten Gebrauch. Ich empfinde es als Privileg an einem Ort, wie dem Schloss Schwetzingen, studieren zu dürfen. Neben der wunderschönen Kulisse sind auch die Hörsäle modern eingerichtet. Meine Gruppe hat ihre Vorlesungen neben dem Turmzimmer und da kann es schon mal passieren, dass man vom Ausblick auf den Schlossgarten abgelenkt wird.

Wie gefällt Ihnen die Region?

Stein-Tesar: Der inspirierende Schlossgarten lädt zum Verweilen und Entspannen ein. Ein kleiner Spaziergang am Nachmittag reicht aus, dass man wieder den Kopf frei hat und erholt lernen kann. Mein absoluter Lieblingsplatz im Schlossgarten ist das Ende der Welt mit den Vogelvolieren, dem Vogelbad und den seltenen Vogelarten, zum Beispiel dem australische Zebrafink. Auch in meiner Wohnung auf der Terrasse in Oftersheim besuchen mich viele Vögel. Meine Wohnung ist fußläufig nur 13 Minuten zur Hochschule entfernt. Oftersheim und Schwetzingen sind eher ruhigere und ländlichere Gegenden im Vergleich zu meiner Heimatstadt. Gut gefällt mir auch die Parksituation in Oftersheim und Umgebung, da können wir in der Stadt nur von träumen. Es gibt viele Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants in Schwetzingen. Wir gehen gerne in die „Cantina Mexicana“ Cocktails trinken oder lassen uns mit Besuch aus der Heimat das hausgebraute Bier im Schwetzinger Brauhaus zum Ritter schmecken. Mit dem Bus und Zug ist man auch schnell in Heidelberg und Mannheim zum Shoppen. Ob Schlossgarten, Lichterfest, Spargelsamstag oder Weihnachtsmarkt – Schwetzingen hat neben dem Studium noch vieles mehr zu bieten, was den längeren Aufenthalt hier sehr angenehm macht. Das Einzige, das mir nicht so gut gefällt, ist die weite Entfernung zu meinem Zuhause, meinem Ehemann, meiner Familie und Freunden. Auch das Wasser fehlt mir hier in Schwetzingen nicht, da der Leimbach um die Hochschule herum fließt.

Es ist eine krisenreiche Zeit. Wie ist es für Sie aktuell zu studieren?

Melina Wolf: Wie schon in meiner ersten Ausbildung ist die Zeit in und nach Corona nicht einfach. In meiner Ausbildung war ich oft auf mich allein gestellt, das kann ich von der Hochschule nicht behaupten. Wie es zu den Anfängen von Corona war, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber im Herbst/Winter 2021 und Frühjahr 2022 waren die technischen Voraussetzungen da und ich hatte das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Von verpasster Digitalisierung kann an unserer Hochschule also nicht die Rede sein. Wir erhalten die Dokumente online und können, falls wir mal krank sind, auch von zuhause an Vorlesungen teilnehmen. Demnächst sollen wir auch einen W-Lan Zugang erhalten, allerdings sind die meisten Handyverträge heutzutage so gut, dass ich das nur als tolle Aufmerksamkeit seitens der Hochschule sehe. Auch in Schwetzingen sind die Mietpreise nicht günstig und die Lebensmittel werden teurer. Über die Höhe meiner Miete kann ich mich aufgrund der Wohnung und der Nähe zur Hochschule nicht beschweren. Und da ich eine eigene Wohnung in Ludwigsburg habe, erhalte ich auch einen finanziellen Ausgleich vom Land. Einige Studierende erhalten Hilfe durch das Wohngeld vom Sozialamt. Um Geld bei den Lebensmitteln zu sparen, kann ich nur empfehlen, auf den Schwetzinger Wochenmarkt zu gehen. Es gibt aber auch den einen oder anderen Einzelhandel, der Studierendenrabatte anbietet, die ich auch nutze. Und wenn einem ein Problem in der Welt doch mal zu viel wird oder der Prüfungsstress Überhand nimmt, haben wir Vertrauensdozenten an der Hochschule. Mit denen kann man immer sprechen. Außerdem sind wir an das Studierendenwerk Heidelberg angebunden, dort gibt es auch Ansprechpartner. Ich denke es erleichtert einiges, dass die Hochschule sehr familiär ist und man auf die Dozentinnen zugehen kann, wenn einen mal was etwas mehr beschäftigt.

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