Schwetzingen. Die Menschen in Gefahr, besser: Die Blindheit des Einzelnen für Gefahren und die trügerische Annahme, sich, vor allem daheim, im Eigenen, Kleinen in Sicherheit zu befinden, darum geht es im bekannten Bühnenstück „Biedermann und die Brandstifter“, das 1958 sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland uraufgeführt wurde.
Nicht ohne Grund war es dieses Stück, mit dem sich der Schweizer Autor Max Frisch weltweit als Dramatiker erster Güte etablierte. Aber es geht auch und gerade um unsere Gesellschaft und ihre Tendenzen. Gefahren kommen oft schleichend und man rennt, warum auch immer, zwischen 1000 eigenen Befindlichkeiten, sehenden Auges ins Verderben. Man denke nur an die 1946 beginnende Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei, unter deren Eindruck Max Frisch eine erste Prosaskizze verfasste, deren Inhalt er später zu „Biedermann und die Brandstifter“ verarbeitete – oder an das Aufkommen des Nationalsozialismus. Doch es war nicht nur eine glänzende Idee von Intendant und Regisseur Joerg Steve Mohr, das Stück in das Programm der neuen Spielzeit des Theater am Puls (TaP) aufzunehmen, weil der Stoff so beklemmend aktuell ist, sondern auch und sehr zur Freude der Zuschauer, da er mit Inszenierung und Auswahl der Schauspieler ins Schwarze getroffen hat. Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert.
Wer kennt ich nicht, den großen Autor Max Frisch? Egal, ob Andorra oder Homo Faber, die meisten werden diese oder andere Werke von ihm schon in der Schulzeit gelesen haben. Introspektive, rasiermesserscharfe Sozialkritik und Groteske vereint der Meister wie kaum jemand sonst.
Die Geschichte des Stücks ist schnell erzählt: Der reiche Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann (Christoph Kaiser) liest in der Zeitung von Brandstiftern, die sich als Hausierer getarnt Zugang zu Häusern verschaffen, sich dort einnisten und diese dann in Brand setzten. Doch wider besseren Wissens gewährt Biedermann doch zwei Hausierern, Josef Schmitz (Max Rohland) und dem – welch herrliche Ironie – angeblichen Feuerversicherungsvertreter Wilhelm Maria Eisenring (Karlheinz Schmitt) Zutritt, und lässt zu, dass sich diese auf dem Dachboden einquartieren. Zu sehr gefällt er sich in der Rolle des Menschenfreunds.
Toll gespielt ist auch die Rolle des Hausmädchens von Marie Eberhardt, das an die menschliche Seite des Chefs appelliert. Angelehnt an einen Chor des antiken griechischen Theaters warnt und mahnt der Chor der Feuerwehrleute (Emma Mohr, Jannis Ritterbusch, Wassim Saadi und Carlotta Sessler) – jedoch vergebens. Freunde des TaP werden erfreut alte Bekannte wiedererkannt haben. So auch Schauspieler eines Kalibers eines Uwe von Grumbkow, famos als Witwe Knechtling, und Susanne von Grumbkow als Babette, Biedermanns Ehefrau. Beide sind aus zahlreichen Stücken bekannt und unvergessen, unter anderem in „Tod eines Handlungsreisenden“. Am Ende kommt es, wie es kommen muss, auch wenn alle Anzeichen da waren, nicht zuletzt die Fässer mit Benzin auf dem Dachboden. „Sie sind keine Brandstifter, denn sonst hätten sie ja Streichhölzer“, meint der Protagonist, alle Warnsignale ignorierend – und gibt ihnen dann selbst solche in die Hand, Als Vertrauensbeweis. Doch mehr sei nicht verraten, aber vielleicht so viel: ein Besuch des Stückes lohnt, bei dem man sich auf garantierte Aha-Erlebnisse, Dinge die nachdenklich machen und viel grotesken Humor freuen darf. Bemerkenswert auch, dass die Inszenierung am offenen Fenster bei Regen stattfindet. Tiefsinnig, denn so erscheint es, dass alles nur draußen stattfände und nicht daheim: ein Trugschluss. Fazit: Der Mensch scheint manchmal nicht in der Lage zu sein, klar absehbares Katastrophen als solche wahrzunehmen und etwas dagegen zu unternehmen, damit es nicht zu diesen kommt. Das Publikum der ausverkauften Aufführung zeigte sich begeistert und sparte nicht mit Applaus.
„Für mich ist es tatsächlich ein ‚Lehrstück ohne Lehre‘, ein Spiegel, in dem man sich selbst erkennen kann“, meint Regisseur Joerg Steve Mohr, um dann zu ergänzen: „Nicht das, was ich mache, ist interessant, sondern das, was es auslöst.“ Es sei klar, wie brandaktuell das Stück heute sei: „Das ist offensichtlich. Denn die Fakten liegen ja vor einem. Die AfD liegt bei uns teils bei 38 Prozent und wenn wir Pech haben, wird in den USA Trump gewählt“, so die Meinung des Regisseurs.
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