Geschäftsleben

Tolga schließt das „Fässl“ – für immer

Tolga Tanyeri wird nach 38 Jahren das Schwetzinger Traditionslokal „Fässl“ schließen. Es war Heimstatt vieler Stammtische und Wohnzimmer für die Stammgäste.

Von 
Volker Widdrat
Lesedauer: 
So kennen ihn die „Fässl“-Fans: Wirt Tolga Tanyeri ist immer um das Wohl seiner Gäste bemüht. © Volker Widdrat

Schwetzingen. Es ist das Ende einer Ära: Nach fast 38 Jahren voller geselliger Begegnungen und Geschichten schließt das Traditionslokal „Zum Fässl“ endgültig seine Türen. Am Dienstag, 5. August, wird in dem urig-gemütlichen Ambiente das letzte Bier gezapft. Mit dem Entschluss von Wirt Tolga Tanyeri, die beliebte Kneipe in der Mannheimer Straße 41 aufzugeben, wird ein Stück Schwetzinger Gastronomiegeschichte Vergangenheit. Die Entscheidung zur Schließung ist dem bald 63-Jährigen nicht leichtgefallen. Die Gründe sind persönlicher und gesundheitlicher Art.

Was 1987 als kleines Lokal mit viel Herzblut begann, entwickelte sich rasch zu einem beliebten Treffpunkt für Stammtische, Familienfeiern oder das Feierabendbier in geselliger Runde mit netten Menschen.

Es war immer der Wunsch von Tolga Tanyeri, eine eigene Wirtschaft zu haben. Geboren wurde die Idee Mitte der 1980er Jahre, als SV 98-Fußballer Tanyeri und seine Mannschaftskameraden in den Kneipen „Amboss“ und „Alte Pfalz“ öfters ihre Erfolge feierten. Die junge Mannschaft hatte damals gerade den Aufstieg in die Oberliga geschafft. Am 4. Dezember 1987 fand die offizielle Eröffnung mit vielen Ehrengästen statt.

Der junge Wirt Tolga Tanyeri (l.) freut sich bei der Eröffnung vor 38 Jahren über viele Ehrengäste. Auch Schwergewichtsboxer Bernd Schwab (r.), der ein halbes Jahr zuvor den Box-Club Schwetzingen gegründet hat, ist damals dabei. © Volker Widdrat

Erfüllen konnte sich der gelernte Koch seinen Traum mit der finanziellen Starthilfe seiner Eltern Marlies und Koray. Sie kauften das Haus in der Mannheimer Straße 41. Mit viel Enthusiasmus und den Planskizzen von Vater Koray, einem Ingenieur, entstand aus einem ehemaligen Ladengeschäft ein Bierlokal. Leckeres Essen und bodenständige Küche gab es von Anfang an. Toni Maccio führte im Jahr 2000 die hausgemachte italienische Pizza ein, die es bis heute immer donnerstags und freitags gibt.

Ein zweites Wohnzimmer für die vielen Stammgäste

Das „Fässl“ war stets mehr als ein Ort zum Einkehren. Für viele Gäste wurde es über Jahrzehnte hinweg zum zweiten Wohnzimmer – auch ein Verdienst von Mutter Marlies, die lange Jahre tatkräftig mithalf. Auch Ehefrau Ulrike packte anfangs mit an, bis die Zwillinge Marco und Deniz geboren wurden.

Was bleibt, wenn sich das „Fässl“ nun aus dem Alltag der Stadt verabschiedet? Auf jeden Fall die Erinnerung an unvergessliche Abende und gute Gespräche, an Skatstammtische und die Freitagstreffen der Freizeitkicker „Ronaldinos“ am runden Tisch. An die Fußballkollegen vom SV 98 und der 06 Ketsch, mit denen Tolga damals kickte. Oder an den Kneipenjazz. Schon bei der ersten Auflage 2006 war der „Fässl“-Wirt mit von der Partie. Hier wurde auch der „Babbedeggl-Orde“ für den Kurpfälzer Fasnachtszug verkauft. Die „Ahoi“-Rufe kamen am Fasnachtsdienstag aus dem Fenster zur Mannheimer Straße hinaus.

Bleiben wird auch die Erinnerung an freundliche Bedienungen wie Susi Pflaumbaum, Tine Dietz, Mariola Blem und Simone Völker. Nicht zu vergessen Jürgen Rieger, der irgendwann gefragt hat, ob er wegen der Personalprobleme nach Corona aushelfen kann. Die urige Kneipe war immer für musikalische Stimmung gut, nicht nur in der Faschingszeit. Bei den Klassikern und Schlagern auf Wunsch fehlte an vorweihnachtlichen Abenden auch „Rudolph the Red-Nosed Reindeer“ nicht.

Der letzte Stammtisch im „Fässl“ ist schon geplant

Einen Tag vor der endgültigen Schließung trifft sich der Stammtisch um den früheren Bürgermeister Gerhard Stratthaus und die ehemalige Stadträtin Kerstin Nötting ein letztes Mal. „So wie im Fässl wird es nirgends sein“, sagt Nötting. Heute gebe es keine Wirtsleute mehr, die sich freuten, wenn die Gäste kommen. Ihr Mann Detlef, der seit dem Eröffnungstag hier Stammgast war, weiß noch nicht, wo er in Zukunft zum Bier einkehren wird. Petra Trier (64) kam schon als junge Frau mit ihren Eltern ins „Fässl“. „Das war Familie und Heimat, Marlies Tanyeri war früher immer die gute Seele des Hauses. Es war eine urige Wirtschaft, wie man sie in Schwetzingen nicht mehr findet.“

Wirt Tolga Tanyeri hat seine Kneipe immer mit Leidenschaft geführt. © Volker Widdrat

Vater Koray hat gemischte Gefühle. Er denkt gerne an die schöne Vergangenheit zurück. Die Erinnerung schmerzt aber auch, weil er seine geliebte Frau Marlies, die vor fast vier Jahren verstorben ist, sehr vermisst. Die von ihm entworfene Rundtheke sei das A und O gewesen: „Eine bessere Möglichkeit zur Kommunikation gibt es nicht.“ Der 90-Jährige erinnert sich aber auch mit Schrecken an den Brand in dem Lokal 1999, als Tolga seine Eltern am Flughafen von einem Urlaub abholte und ihnen die Hiobsbotschaft überbrachte.

Viele tolle Partys gefeiert und Bauchtanz gemacht

Susi Pflaumbaum hat als 18-Jährige erstmals bei Tolga im „Fässl“ ausgeholfen: „Wir haben früher hier zusammen mit Marlies Bauchtanz gemacht.“ Damals seien schon tolle Partys abgegangen. Hans Schreiner, als Spieler und später als Trainer einer der markantesten Akteure des SV 98 Schwetzingen, muss sich mit Gerhard Kufner und Karl Christ ebenso ein anderes Stammlokal suchen. „Das wird ein Riesenproblem, wenn Tolga zumacht“, sagt Schreiner. Gaetano Ragusa wird die runde Theke vermissen: „Da wird in Schwetzingen was fehlen – für Ältere und für Jüngere.“ Bedauern kommt auch aus der Ferne. Etwa von Wolfgang von Mechow, der mit seiner Frau Moni nach Hannover verzogen ist und früher hier regelmäßig mit ihr einkehrte: „Wir haben einen netten Stammtisch gehabt, Tolgas Kneipe war immer gut erreichbar.“ Und Dieter Schmitz, der seit seinem Ruhestand mit seiner Frau Helga in Duisburg lebt, bedauert die Schließung ebenfalls: „Im Fässl hat man immer vernünftige Leute getroffen, da musste man nicht unbedingt verabredet sein.“

Tolga Tanyeri fiel die Entscheidung für einen neuen Lebensabschnitt nicht leicht. Für viele Stammgäste, bei denen er sich für ihre langjährige Treue zum Abschied herzlichst bedankt, ist sie dennoch nachvollziehbar. Leider sind auch schon viele über die Jahre verstorben, was ihm sehr ans Herz geht.

Damals bei der Eröffnung am 4. Dezember 1987 waren Bürgermeister Gerhard Stratthaus und Brauereibesitzer Dr. Hans Spielmann im Gespräch. © Volker Widdrat

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke