In seinem Vortrag "Odysseus - Held und Erzähler" referierte Prof. Dr. Jonas Grethlein über den griechischen Epos und schuf bei den Zuhörern zugleich neue Sichtweisen auf die "Ilias" von Homer. Organisiert wurde die Veranstaltung im Palais Hirsch von der Deutsch-Griechischen Akademiker-Gesellschaft (DGAG) in Kooperation mit der Stadt.
Günther Klement von der DGAG stellte nach seinen Grußworten und einem kurzen Jahresrückblick den Altphilologen Grethlein vor. Wer sich dabei einen älteren Herrn vom Typ eines "Bücherwurmes" vorstellt, irrt. Grethlein lehrt an der Universität in Heidelberg Altphilologie und kann mit seinen 39 Jahren vielmehr zu den "Senkrechtstartern" der Einrichtung gezählt werden. Wie er allerdings selbst betont, sei dies nicht nur Fleiß, sondern auch viel Glück geschuldet, das ihn in seinem Berufsleben voranbrachte. Bei seinen Forschungen beschäftigt sich Grethlein mit antiken Schriften der Griechen und Römer in deren Originalsprachen Altgriechisch und Latein.
Mit wahrer Begeisterung zur Materie und umfassender Genauigkeit referierte Grethlein über den Heldenepos. Auf die modernen Methoden der Forschung und ihrer Möglichkeiten brauchte er dabei nicht näher einzugehen, um den Zuhörern ein Verständnis und neue Sichtweise auf die "Ilias" von Homer zu vermitteln.
Die Sagen, Mythen und Erzählungen um den Helden Odysseus finden sich dabei keinesfalls nur in Monumentalfilmen Hollywoods wieder. Einleitend sprach Grethlein über die Deutung einer szenischen Darstellung in der Malerei. Sie verdeutliche die Macht des Gesanges anhand der Szene beim passieren der "Sirenen", erklärte der Professor. In unzähligen Werken beschäftigte sich die Malerei eingehend mit dem Helden und seinen Abenteuern.
Was Homer in seinem Werk schrieb, sei aber nicht seine "Erfindung", vielmehr entnahm er sie Odysseus' Erzählungen. Und das Erzählen, deren Form und Funktion, war letztendlich der tiefgreifende Inhalt des Referates. Schließlich hatten die Studien und Analysen der alten Texte ergeben, dass Odysseus von seinen Abenteuern und Irrfahrten bei Abendgesellschaften erzählte.
Es steckt mehr dahinter
Dabei ging es Homer nicht nur um das Erzählen an sich, sondern auch um Politik, Gastfreundschaft und das eigenständige lösen von Problemen. "Auch heute noch spricht man von einer ,Odyssee' wenn man auf einem schwierigen Weg zum Ziel gelangt", erklärte er. Folglich ließe sich sagen, dass in den Texten auch die Aufforderung stecke, den Mut zu haben eigenständig Lösungen für Probleme zu finden.
Auch Helena kam als Erzählerin zu Wort. Der Machtkampf zwischen Menelaos und Agamemnon, die Eroberung Trojas, all das thematisierte Grethlein. Denn Helena und Odysseus "waren und sind bei Homer sowohl Erzähler als auch Zuhörer", verdeutlichte Grethlein, der die "Ilias" mit den Erzählungen aus "1001 Nacht" verglich.
Was dabei eine Überlebensstrategie war, führt bei Homer zu der Sicht, wie groß die Bedeutung des Erzählens für das Leben in der Antike war und noch heute ist. Die Rückkehr Odysseus zu seiner Frau Penelope etwa, sehen die Wissenschaftler nicht nur als ein Ende der Odyssee, sondern auch als Öffnung zu einem Neubeginn.
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