Gastronomie

Vielen Fachkräften ist die Situation zu unsicher

Von 
Volker Widdrat
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Das Gastgewerbe muss noch lange mit den Folgen der Corona-Krise kämpfen. Massive Einschränkungen haben zu Umsatzeinbußen geführt. Hotels und Gaststätten mussten eine starke Abwanderung von Fachkräften erfahren. Gerade in der Sommersaison fehlt derzeit vielen Betrieben das Personal, um ihre Gäste bewirten zu können. Servicekräfte haben sich neue Jobs gesucht, etwa in Supermärkten oder in Bäckereifilialen. Die Mitarbeiter fehlen nun in Küche und Biergarten.

Der neue „Grüne Baum“ am Schlossplatz hatte unter der Regie von Welde im Mai wieder seine Pforten geöffnet. Das Welde-Brauhaus in der Mannheimer Straße blieb allerdings bis vor wenigen Tagen geschlossen. „Für beide Gaststätten zusammen fehlte uns bisher schlicht das Personal“, sagt Geschäftsführer Robert Nürnberger. Man habe sich zuerst für den neuen Brauereiausschank am Schlossplatz entschieden, „um hier auf die Spur zu kommen“.

Der Personalstamm habe gerade mal noch 14 Mitarbeiter betragen. Vor Corona seien es gut vier Dutzend Mitarbeiter gewesen, in Spitzenzeiten sogar wesentlich mehr. „Wir haben alles versucht. Mehr Werbung war nicht möglich. Gute Servicekräfte sind derzeit nicht zu bekommen. Viele Fachkräfte kommen momentan auch nicht zurück, weil ihnen die Situation noch zu unsicher ist. Ich bin niemandem böse, der uns verlassen hat“, schildert Nürnberger die Lage: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.“

Jetzt versuche man, die Lücken mit jungen Kräften zu schließen. Mit Einwilligung der Eltern geht das ab 16 Jahren. Die jungen Leute hätten aber keine Erfahrung und müssten erst noch eingelernt werden. Das Welde-Brauhaus fährt derzeit noch mit reduzierten Öffnungszeiten, montags bis donnerstags ab 17 Uhr und freitags bis sonntags ab 12 Uhr sowie einer abgespeckten Karte. Der „Grüne Baum“ hat täglich ab 11.30 Uhr geöffnet. Nürnberger hat Angst vor einem erneuten Lockdown: „Der Sommer ist für die Gastronomie so schon schrecklich genug. Das können wir schon nicht mehr aufholen.“

„Bei uns ist es nicht so gravierend, wir suchen auch nicht verstärkt Mitarbeiter für Service und Bar“, sagt Bernd Lehnert vom „Kaffeehaus“ am Schlossplatz. Das Café und Restaurant mit der großen Terrasse im mediterranen Flair hat die Corona-Zeit noch einigermaßen gut überstanden. Fest- und Teilzeitkräfte waren während der neunmonatigen Schließungszeit in Kurzarbeit. In der Küche habe es einen Weggang gegeben, so Lehnert. Bei den Minijobbern warte man jetzt noch auf die Bewerbungen von Studierenden. In „normalen Frühjahren“ hätten sich auch immer viele Abiturienten vorgestellt, das sei dieses Mal nicht der Fall gewesen. Das „Kaffeehaus“ mit seinen derzeit 132 Mitarbeitern sei in der glücklichen Lage gewesen, „dass wir das gemeinsam durchgezogen haben“, sagt Lehnert. Er hoffe nur, dass sich die Gastronomen am Schlossplatz nun nicht gegenseitig die Servicekräfte abwerben: „Das wäre nicht so schön.“

Und wie sieht er die Zukunft? Für die Gastronomie sei allgemein vieles schlecht planbar. Er bräuchte schon eine Glaskugel, um die weitere Entwicklung vorhersehen zu können: „Ich hoffe, dass es keinen weiteren Lockdown geben muss.“ Im „Kaffeehaus“ wird in zwei Teams gearbeitet, in Tag- und in Spätschichten. Eine Testpflicht für Gäste ist nicht mehr notwendig. Reservierungen sind nur für den Innenbereich möglich. Die Abstandsregeln müssen beachtet werden. Die Anmeldung erfolgt per Luca-App, ist aber auch ohne möglich. Die Öffnungszeiten sind geblieben. „Wir sind teuer durch die Krise gekommen, so eine lange Phase der Einschränkungen hat sich vorher niemand vorstellen können“, meint Lehnert. Während der Auszeit wurde an der Klimatechnik gearbeitet und ein neues Kassensystem angeschafft.

„Bedienungen, Barkeeper, Köche, Küchenhilfen – wir stellen ein, als Aushilfe, in Teil- oder Vollzeit“, steht auf der Tafel an der Eingangstür zum „Walzwerk“ am Schlossplatz. „Das Schild hängt schon immer“, sagt Geschäftsführer Ali Ghawami. Der Betrieb mit der großen Sonnenterrasse und dem dazugehörigen Hotel „Zum Erbprinzen“ beschäftigt derzeit 48 Mitarbeiter. Es fehle aber an Bedienungen. Vom Stammpersonal sei eine Mitarbeiterin abgewandert, eine Küchenhilfebleibe als Minijobberin erhalten, meint Ghawami.

Bewerbungen verhalten

Die Bewerbungen für den Service seien noch sehr verhalten. „Die jährlichen Abiturienten haben sich noch nicht gemeldet. Die Studierenden der Hochschule für Rechtspflege sind auch noch nicht zurück.“ Dem Hotel fehlen zudem die Übernachtungen unter der Woche. Und Touristen kommen nicht, weil alle Events drumherum abgesagt worden sind. Während der Fußball-EM ist das „Walzwerk“ dagegen gut besucht gewesen. Im Juli hat das Regenwetter bisher noch von einem entspannten Biergartenbesuch abgehalten.

Ghawami hat kein Verständnis für ungeduldige Gäste. „Vor allem dann, wenn der Laden voll ist und meine Bedienungen angepflaumt werden. Das ist ein harter Job, den sie machen. Wir wollen kein Personal einsparen, sondern wir haben es einfach nicht“, erklärt der Geschäftsführer, der engagierte und freundliche Mitarbeiter für verschiedene Tätigkeitsbereiche hat. So schlimm hat er sich die Auswirkungen der Pandemie nicht vorstellen können. Trotz der Hilfen klafft immer noch ein Loch in der Kasse. Der nächste Lockdown ist für ihn „so sicher wie das Amen in der Kirche: Spätestens nach der Bundestagswahl im September gibt es eine Rolle rückwärts.“

Schlittschuhbahn fraglich

Weiter möchte Ghawami noch gar nicht planen. Ob es die Schlittschuhbahn auf dem Schlossplatz geben wird, vermag er noch nicht zu sagen. Letztes Jahr war er zu optimistisch gewesen. Die Anlage war schon bestellt, alle Vorbereitungen getroffen gewesen: „Dann kam der Lockdown. Deshalb fahren wir den Betrieb nun lieber auf Sicht.“ Drinnen bietet das „Walzwerk“ 100 Plätze, draußen finden derzeit 180 Gäste Platz. Jeden Donnerstagabend gibt es Livemusik, ab Herbst dann wieder freitags.

Michael Münch vom Schlossgartenrestaurant „Blaues Loch“ in der Zeyherstraße hat zum Ende des letzten Lockdowns die Werbetrommel gerührt, um neue Leute zu finden. „Während des Lockdowns und unmittelbar danach haben wir leider auch ein paar gute Leute verloren, denen der Job in der Gastronomie zu krisenbehaftet ist und die in eine andere Branche wechselten“, sagt Münch: „Gott sei dank haben wir noch ein paar alte Hasen, die neues Personal – auch die Neueinsteiger – schnell fit gemacht haben.“

Denn so ein großer Biergarten wie im „Blauen Loch“ oder der Johann-Welde-Saal für Veranstaltungen bis 120 Personen „bedient sich nicht von allein“. Derzeit habe man einen guten Personalstamm. Es fehlte eigentlich nur noch gutes Wetter und damit auch mehr Gäste, „sodass der Sommer und das Biergartengeschäft Fahrt aufnehmen können“.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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