Vernissage

Virtuelle Welten und Spiritualität: Doppelausstellung im Xylon Schwetzingen

Das Xylon-Museum Schwetzingen zwei beeindruckende Ausstellungen mit Werken von Karin Brosa, Julia Weißflog, Johanna Mangold und Sarah Huber.

Von 
Rita Weis
Lesedauer: 
Vier Künstlerinnen (v.l.) Sarah Huber, Johanna Mangold, Karin Brosa, Julia Weißflog sowie die Kuratorin Dr. Kristina Hoge. © Rita Weis

Schwetzingen. Gleich zwei Ausstellungen, die eigentlich voneinander unabhängig sind, aber sich auf wundersame Weise ergänzen, zeigt das Xylon-Museum unter den Titeln „Bonbon & Gewehr“, Hoch- und Tiefdrucke von Karin Brosa und Julia Weißflog, sowie „WYRD“, Zeichnungen, Druck, skulpturale Elemente, Installation und Virtual Reality von Johanna Mangold und Sarah Huber. Bei der Ausstellungseröffnung waren erfreulicherweise auch etliche junge Leute unter den Besuchenden. Die Laudatio hielt Dr. Kristina Hoge, die Kuratorin des Xylon.

Vier Künstlerinnen setzen sich mit ihrer Umwelt, den guten, negativen und vielfach noch ungeklärten Impulsen und mit ihrem eigenen Innenleben, ihrer Spiritualität auseinander. „Gehen Sie nahe an die Bilder heran und entdecken Sie ihre Meisterschaft“, riet Dr. Hoge bei ihrer einleitenden Rede. Gleichzeitig entdecke man die wortwörtliche Vielschichtigkeit des Drucks.

Karin Brosa, „Lotse“, Radierung. © Rita Weis

Die Marburger Künstlerin Karin Brosa realisiert ihre Werke mittels höchst unterschiedlichen druckgrafischen Techniken wie Strichätzung, Kaltnadelradierung, Aquatinta und Vernis mou. Zeit sowie Gesellschaftskritik, kontrastierend mit Autobiografischem, steht im Mittelpunkt ihres Schaffens. Die Kontraste ergeben keine Lösung, sondern schaffen einen neuen Zusammenhang, erklärte Kristina Hoge. Unter dem Titel „Virtual Greenhouse“ sieht man zum Beispiel Menschen, die mit Virtual Reality Brillen in einem Gewächshaus herumlaufen. „Lotse“ zeigt eine Drohne, hinter der Vögel herfliegen. Ein junger Mann mit einer Virtual Reality Brille sitzt auf einem roten Sessel inmitten eines Waldes von Stangen, an denen Überwachungskameras befestigt sind; der Titel der Radierung: „In the Woods“. Es gibt viele solcher „merkwürdigen“, teilweise absurden Szenen in der gegenwärtigen Ausstellung zu sehen, und man darf sich fragen: Wie ist sie so, die schöne neue Welt?

Überraschende Technik: „Sechs Wochen Sommerferien“ von Julia Weißflog; Linolschnitt und Schablonendruck auf acht Transparentpapierrollen. © Rita Weis

Die großen Räume des Xylon teilt sich Karin Brosa mit Julia Weißflog, die ebenfalls in Marburg lebt und unter anderem Kinderbücher illustriert. Sie arbeitet hauptsächlich im Tiefdruck-Verfahren. Ihre Arbeiten bestehen aus einzelnen, durchnummerierten Blättern und sind Teil der Serie „Scheinbar Unwichtiges“. Bis zu zwölf Schichten liegen einem Blatt zugrunde, Holz- und Linolschnitte von konkreten Motiven - wie Hände, Häuser, Bonbonpapiere, Klammern – wechseln sich mit Materialdrucken ab, die aus Papierresten, Kartons und Verpackungsmaterialien bestehen, die achtlos weggeworfen wurden und ebenfalls unter die Kategorie des „scheinbar Unwichtigen“ fallen. Welche Bedeutung haben diese Gegenstände für die Künstlerin, welche Bedeutung haben sie für die Betrachtenden? Welche Erinnerungen rufen sie wach?

Sarah Huber ganz bei sich im Häuschen. © Rita Weis

Erforschung von Realitätsmodellen und Bewusstseinszuständen

Johanna Mangold und Sarah Huber leben in voneinander entfernten Städten, Ulm und Stuttgart, und verbinden sich seit mehr als zwei Jahren für ihre Kollaborationen über elektronische Medien. Sie setzen sich in ihrer Arbeit mit der Erforschung von Realitätsmodellen und Bewusstseinszuständen auseinander. Hier findet man archetypische Symbole, rituelle Motive, Science-Fiction verbunden mit wissenschaftlichen Paradigmen. In der aktuellen Ausstellung im Xylon Labor haben sie mehrere Installationen aufgebaut. Da ist ein pinkfarbener Spieltisch mit Stühlen und Karten, es fehlt jedoch jegliche Spielanleitung. Was macht man damit? Anfassen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar gewünscht, sagte Kristina Hoge eingangs. Da steht eine ebenfalls pinkfarbene Holzhütte; wenn man in sie hineinkriecht, hört man Musik und Audiosamples. Was aber empfindet man dabei? Die ursprüngliche Geborgenheit einer Höhle? Man kann sich verstecken, sicher fühlen, das Kind in sich wiederfinden, sich zum Meditieren zurückziehen.

Die äußere und innere Wirklichkeit wird noch in diesem Raum ergänzt durch die Virtual Reality, die man durch eine entsprechende Brille erleben kann. Schließlich haben die beiden Künstlerinnen auch noch Kekse nach Rezepten von Hildegard von Bingen gebacken – zur Stärkung und zur Rückkehr in ganz andere Zeiten. „WYRD“ / Weird – oder: Das Leben ist nicht voraussehbar.

Diese Ausstellungen stellen Fragen, regen die Besucher zum Mitdenken und zu Aktivitäten an, entfernen sich vom bildungsbürgerlichen Kunstkonsum und machen Spaß – und sind daher unbedingt einen Besuch wert. Sie sind noch bis zum 12. Oktober zu begutachten.

Johanna Mangold in der virtuellen Wirklichkeit. © Rita Weis

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung