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Warum der Wahlkreis Heidelberg ganz Deutschland interessiert

Mit der Grünen Franziska Brantner will in Heidelberg die Bundesvorsitzende einer der beiden Regierungsparteien ihr Direktmandat verteidigen. Ob das gelingt, wird spannend.

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Konstantin Groß
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Franziska Brantner (M.) reckt bei der Bundestagswahl 2021 die Fäuste nach oben: Im Wahlkreis 274 hat die Grünen-Abgeordnete der CDU das Direktmandat abgejagt. © Florian Freundt

Heidelberg. Wenn am 23. Februar auch in Heidelberg, Weinheim oder Ladenburg der neue Bundestag gewählt wird, dann blicken die politisch Interessierten in Deutschland mit besonderer Aufmerksamkeit auf diesen hiesigen Wahlkreis 274. Denn hier ist es, wo sich mit Franziska Brantner die Bundesvorsitzende einer der beiden aktuellen Regierungsparteien um eine Wiederwahl bewirbt. Aber auch abgesehen davon wird es in diesem Wahlkreis diesmal mächtig spannend.

Wahlkreis Heidelberg umfasst auch Weinheim und mehrere Gemeinden

Denn der Wahlkreis Heidelberg umfasst eben nicht nur die Universitätsstadt, sondern auch die Kreisstadt Weinheim und mehrere kleinere Gemeinden im Umland. Er ist daher für keine Partei eine feste Bank. Drei Jahrzehnte lang lieferten sich CDU und SPD hier einen Zweikampf ums Direktmandat, den zumeist der CDU-Mann Karl A. Lamers für sich entschied. Als er 2021 aus freien Stücken nicht mehr antrat, wurden die Karten neu gemischt.

Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) © Grüne

Franziska Brantner holte erstmals das grüne Direktmandat

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Auf Grund dessen und dank der bundesweiten Schwäche der Laschet-CDU holte Franziska Brantner mit ganzen 30 Prozent der Erststimmen erstmals für die Grünen das Direktmandat. Wenige Wochen danach wurde sie in der neuen Ampelkoalition Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und damit politische Stellvertreterin von Robert Habeck; da dieser auch Vizekanzler ist, sitzt sie bei Verhinderung Habecks im Bundestag oftmals auf der Regierungsbank direkt neben Kanzler Olaf Scholz, zuletzt bei dessen Regierungserklärung zum Scheitern der Ampel.

Am Wochenende schaffte die 45-jährige Habeck-Vertraute einen weiteren Karrieresprung: den Co-Vorsitz von Bündnis 90/Die Grünen. Die Aufstellung der grünen Landesliste erfolgt am 7. Dezember; schon 2021 stand Brantner auf Platz 1.

Alexander Föhr (CDU) © CDU

Alexander Föhr kandidiert für die CDU

Für die CDU kandidiert deren Heidelberger Kreisvorsitzender Alexander Föhr, der Brantner bereits vor drei Jahren gegenüberstand. Er scheiterte jedoch, kam auch über die Landesliste nicht ins Parlament, sitzt heute aber dennoch dort. Denn Anfang 2023 rückte er für einen ausscheidenden Parteifreund nach. Welchen Platz er auf der Landesliste erhält, wird am 14. Dezember entschieden. Als wahrscheinlich gilt 5 oder 6. Allerdings werde sein Listenplatz vor dem Hintergrund des neuen Wahlrechtes für ihn nicht sehr relevant sein können, teilt Föhr mit.

Tim Tugendhat (SPD) © SPD

Tim Tugendhat tritt für die SPD an

Für die SPD ist der Wahlkreis, den sie mit Lothar Binding zuletzt vor 22 Jahren direkt gewonnen hat, mittlerweile schwierig: in der Kernstadt Grünen-nahes Studentenmilieu, in den Umlandgemeinden CDU-affine konservative Strukturen. 2021 erlebte die Partei mit 20 Prozent für Elisabeth Krämer aus Wiesloch ein Desaster: Es wurde lediglich Platz drei.

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Nun versucht sie es mit einem Protagonisten der Heidelberger Kommunalpolitik: Tim Tugendhat (37), beruflich als Projektleiter für Digitalisierung beim Bahn-Infrastrukturunternehmen DB InfraGO tätig und seit Februar diesen Jahres Co-Vorsitzender der Heidelberger SPD. Bei seiner Nominierung Ende September erhielt er mit 98,9 Prozent eindrucksvollen Rückenwind.

Tim Nusser (FDP) © FDP

Erneut kandidiert Tim Nusser für die FDP

Beim Kampf um das Direktmandat keine Rolle spielt die FDP, die in diesem Wahlkreis lange vom späteren Generalsekretär und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel im Bundestag vertreten wurde. Für sie kandidiert erneut Tim Nusser, der 2021 immerhin neun Prozent der Erststimmen holte.

War er bei seiner ersten Kandidatur ein Student von gerade mal 19 Jahren, so ist er inzwischen beruflich als Projektmanager bei einem großen Softwareunternehmen der Region tätig und als Kreisvorsitzender der FDP Heidelberg, Spitzenkandidat seiner Partei bei der letzten Kommunalwahl und Stadtrat eine feste Größe in der Heidelberger Politik.

Malte Kaufmann für die AfD im Bundestag

Für die AfD sitzt aus dem Wahlkreis Malte Kaufmann im Bundestag, der 2021 sechs Prozent der Erststimmen holte und über die Landesliste ins Parlament einzog. Als Kandidat seiner Fraktion für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten blieb der 47-jährige Diplom-Volkswirt zwar mehrmals erfolglos. In seiner Partei vor Ort ist er aber gesetzt.

Malte Kaufmann (AfD) © AfD

Hinter ihm liegt nämlich bereits die Aufstellung der AfD-Landesliste. Dort steht Kaufmann auf Platz 12. Nach eigenen Angaben kann er über sie in den Bundestag einziehen, sofern die AfD im Land 14 Prozent erhält; derzeit liegt sie in Umfragen bei etwa 18. Die notwendige Wahlkreisnominierung fand allerdings noch nicht statt, „wird gerade geplant und findet demnächst statt“, wie Kaufmann in der vergangenen Woche auf Anfrage mitteilte.

Linke und Bündnis Sahra Wagenknecht noch ohne Kandidierende

Die Linke ist zumindest in Sachen Termin weiter. Ihre Nominierung soll am 7. Dezember stattfinden. Zur Frage des „MM“, wer dabei antreten wird, äußerte sich Landeswahlleiterin Kim Sophie Bohnen aber nicht.

Noch weit von diesem Stadium entfernt befindet sich das Bündnis Sahra Wagenknecht. „Wir planen und organisieren gerade die Aufstellung unserer Kandidaten“, teilte BSW-Pressesprecher Christian Posselt in der vergangenen Woche mit: „In den kommenden Wochen wissen wir mehr - fragen Sie gern nochmal nach.“ Das werden wir tun.

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