Schwetzingen. Für die nun schon seit mehr als zehn Jahren in Schwetzingen angesiedelte Forschungsstelle „Südwestdeutsche Hofmusik“ gab es im Januar einige grundlegende Veränderungen: Ein neuer Name – „Südwestdeutsche Hofmusik“ wurde zu „Forschungszentrum Hof – Musik – Stadt“ und auch eine neue Leitung. Die Nachfolge von Professorin Dr. Silke Leopold, die die Forschungsstelle aufgebaut hat, treten ab diesem Jahr die Professorinnen Dr. Panja Mücke von der Musikhochschule Mannheim und Dr. Christiane Wiesenfeldt von der Uni Heidelberg an.
„Ohne die Forschungsarbeit der renommierten Musikwissenschaftlerin Silke Leopold, die von 2006 bis Ende 2020 die Forschungsstelle mit Sitz im Palais Hirsch geleitet hat, wäre das jetzige Forschungszentrum gar nicht denkbar“, teilt Dr. Herbert von Bose, Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, unserer Zeitung mit. „Unter ihrer Leitung wurden Quellen zur Sozial- und Institutionsgeschichte der südwestdeutschen Hofkapelle aufbereitet und untersucht. Weitere Fragestellungen waren die Entwicklungsgeschichte des modernen Orchesters, Neuerungen im Instrumentenbau des 18. Jahrhunderts sowie die historische Aufführungspraxis.“
Lehre und Öffentlichkeitsarbeit
Zur Forschungsstelle
Das neue Forschungszentrum „Hof - Musik - Stadt“ hat zu Jahresbeginn seine Arbeit aufgenommen. Musikwissenschaftler werden hier der Frage nachgehen, wie sich höfische und städtische Musik im südwestdeutschen Raum entwickelt und wechselseitig beeinflusst haben.
Zentraler Bestandteil der Aktivitäten ist außerdem die Weiterentwicklung der universitären Lehre im Fach Musikwissenschaft, etwa im Bereich der Digitalen Edition.
Das in Schwetzingen angesiedelte Zentrum, dessen Räumlichkeiten im Palais Hirsch seitens der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wird jetzt von Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt (Heidelberg) und Prof. Dr. Panja Mücke (Mannheim) geleitet.
Mitarbeiter des Forschungszentrums ist Dr. Rüdiger Thomsen-Fürst, der bereits für das von Prof. Dr. Silke Leopold geleitete Vorgängerprojekt „Geschichte der Südwestdeutschen Hofmusik im 18. Jahrhundert“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften tätig war. her
Das Forschungszentrum residiert weiterhin – mit Unterstützung der Stadt – in Schwetzingen, einst ein bedeutender Ort der kurpfälzischen Hofmusik. Erstmalige Kooperationspartner sind die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim sowie das Musikwissenschaftliche Seminar der Universität Heidelberg. Es widmet sich der Lehre, Öffentlichkeitsarbeit und Musikvermittlung, der Forschung und Edition sowie der Projektplanung und Antragstellung.
Auf die Frage an Professorin Dr. Silke Leopold, was diese Änderungen für sie persönlich bedeuten, sagt sie gegenüber unserer Zeitung: „Dieses Datum, der 31. Dezember 2020, stand seit Langem als das Ende der Forschungsstelle Südwestdeutsche Hofmusik fest. Genauer gesagt, schon seit dem ersten Tag. Denn der Förderzeitraum war auf 15 Jahre begrenzt. Wir haben, das sage ich guten Gewissens, das Beste draus gemacht. Und ich habe immer gesagt, dass ich mit meinen dann 72 Jahren nicht mehr die Zukunft repräsentieren kann. Mit der Neuausrichtung bin ich natürlich einverstanden, ich habe selber über die Jahre hinweg immer wieder auf diese Forschungsfelder hingewiesen.“
Dazu haben wir auch die neue Leitung befragt: Professorin Dr. Christiane Wiesenfeldt meint: „Die Neuausrichtung entstand durch die Frage, was nach dem Auslaufen des Akademieprojekts aus einem gut vor Ort und in der Forschung etablierten Standort werden kann. Gemeinsam mit der Akademie sind wir darauf gekommen, das Projekt zeithistorisch weiterzudenken, also vom 18. Jahrhundert in jene spannende Zeit um 1800 überzuleiten, in der sich die Musikkultur grundlegend wandelt und hofkulturelle Musikformen in bürgerliche Konzepte des Musikmachens übergehen. Dies ist kein statischer Prozess, sondern hochspannend, dynamisch und vielseitig. Dazu wollen wir arbeiten und auch versuchen, gemeinsam einen neuen großen Projektantrag bei der Akademie zu diesem Thema zu platzieren. In diesem Zusammenhang werden wir in den nächsten Jahren Workshops, Tagungen, Sommerschulen und mehr veranstalten, aber auch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Schwetzinger SWR Festspielen fortführen.“
Wechselbeziehungen erforschen
Und Professorin Dr. Panja Mücke ergänzt: „Die Musikkultur der europäischen Höfe steht schon seit vielen Jahren im Zentrum meiner Forschungen. Seit ich an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim tätig bin, habe ich mich immer wieder mit der faszinierenden Musik am Mannheimer Hof befasst. Daher freue ich mich auch persönlich über die Gründung des Zentrums Hof – Musik – Stadt. In den nächsten Jahren werden zum einen die südwestdeutschen Höfe bis 1918 in den Blick genommen werden. Zum anderen interessieren uns Fragen des Residenzverlusts und der Wechselbeziehungen von höfischer und bürgerlicher Musikkultur. Besonders wichtig ist uns die Verbindung von Forschung und Musikpraxis, um das musikalische Erbe Baden-Württembergs in einer breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen.“
Hauptamtlicher Mitarbeiter des Forschungszentrums bleibt Dr. Rüdiger Thomsen-Fürst. „Die größte Veränderung ist“, sagt er, „dass ich zur Zeit der einzige Mitarbeiter im Forschungszentrum bin. Noch beschäftigen mich hauptsächlich Projekte aus dem letzten Jahr, die abgeschlossen werden müssen, sowie organisatorische Fragen. Mittelfristig wird sich inhaltlich manches verschieben, dabei soll natürlich die Kooperation mit der Stadt Schwetzingen und den SWR Festspielen weiter gepflegt werden. Ich freue mich auf jeden Fall darüber, meine abwechslungsreiche und spannende Arbeit unter geänderten Vorzeichen und mit neuen Perspektiven fortsetzen zu dürfen.“
Die neuen Leiterinnen der Hofmusik
Prof. Dr. Panja Mücke ist Professorin für historische Musikwissenschaft an der Musikhochschule Mannheim, seit 2019 Vizepräsidentin für Forschung, Studium und Lehre. Zudem ist sie Sprecherin des Beirats der Gesellschaft der Musikforschung. Vorstandsmitglied bei „Die Tonkunst“ und der Kammermusik Mannheim.
Ihre Arbeits- und Forschungsgebiete umfassen unter anderem Interdisziplinäre Hofkulturforschung, Kompositions- und Institutionsgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert sowie Musikgeschichte und Aufführungspraxis im 20. Jahrhundert.
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt ist Professorin für Musikwissenschaft am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg. Bis 2020 war sie Professorin für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Seit 2020 ist sie Professorin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Ihre Publikationen und aktuelle Forschungsprojekte umfassen das 15. bis 20. Jahrhundert, mit Schwerpunkten auf der Musik der frühen Neuzeit sowie des 19. Jahrhunderts. her
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