Interview

Wolfgang Niedecken im Interview über sein Special "Bob Dylan"

Vor seinen Shows im Rokokotheater gibt BAP-Sänger Wolfgang Niedecken Einblicke in sein Leben, die Kunst und sein literarisch-musikalisches Special „Bob Dylan“

Von 
Christina Eppel
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Wolfgang Niedecken präsentiert gemeinsam mit dem Pianisten Mike Herting ein kurzweiliges Bob-Dylan-Programm. © Niedecken

Schwetzingen. Kaum ein anderer deutscher Musiker hat eine solche Nähe zu Bob Dylan wie Wolfgang Niedecken. Sowohl mit seiner Band BAP als auch als Solomusiker hat er sich immer wieder mit dem Werk Bob Dylans auseinandergesetzt. 2017 begab sich Niedecken im Auftrag des Fernsehsenders Arte auf eine Reise auf den Spuren von Bob Dylan. Aus den Eindrücken dieser Reise entstand das im März 2021 erschienene Buch „Bob Dylan“ – und aus diesem liest Niedecken am 18. und 19. Oktober, also gleich an zwei Abenden in Folge, im Schwetzinger Rokokotheater vor. Dazu spielt der Ausnahmekünstler gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Mike Herting passende Songs von Bob Dylan und seiner eigenen Band BAP.

Im Gespräch gibt der BAP-Sänger schon vorab einen Einblick in dieses besondere Programm, beantwortet die Frage, wieso er ohne Dylan vermutlich nie Musiker geworden wäre und berichtet, wie er als Künstler durch die Corona-Pandemie gekommen ist.

Mitmachen und gewinnen

Für die Veranstaltung „Niedecken liest & singt Bob Dylan“ am Mittwoch, 19. Oktober, um 20 Uhr im Rokokotheater verlosen wir 3 x 2 Karten.

Einsendeschluss ist Montag, 17. Oktober, um 12 Uhr.

Alle weiteren Informationen unter www.schwetzinger-zeitung.de/gewinnspiel

Für diejenigen, die nicht gewonnen haben: Karten gibt es im Vorverkauf in der Geschäftsstelle unserer Zeitung, Telefon 06202/20 52 05, sowie unter www.provinztour.de.

Rollstuhlfahrerplätze und Eintrittskarten für Menschen mit 100-prozentiger Schwerbehinderung und der gleichzeitigen Notwendigkeit einer Begleitperson sind ausschließlich beim Veranstalter Provinztour, Telefon 07139/547 oder per E-Mail an ticket@provinztour.de erhältlich. ras

Herr Niedecken, die Corona-Pandemie hat den Kulturschaffenden besonders zugesetzt. Wie sind Sie als Musiker durch die Zeit gekommen?

Wolfgang Niedecken: Die beiden Covid-Jahre waren schon anstrengend. Also die ganze Verschieberei und alles, was man für die Tonne plant. Das ist schon bitter. Gerade in so einem Jubiläumsjahr – ich hätte ja eigentlich meinen siebzigsten Geburtstag in dem Jahr schön groß in der Kölnarena begangen. Das musste dann ein Jahr verschoben werden und vieles ist unglaublich durcheinandergeraten. Wenn man in der Zeit nicht flexibel war, dann war man verloren. Aber Gott sei Dank sind wir flexibel.

Sie hatten aber trotzdem einen vollen Terminkalender. Wie kam das?

Niedecken: Ja, irgendwie haben wir das alles hingekriegt. Und erfreulicherweise habe ich dann dieses Buch im ersten Corona-Jahr geschrieben. Im zweiten Corona-Jahr bin ich damit auf Tour gegangen mit Mike Herting, und das war ja wirklich ein toller Erfolg. Und das ist jetzt in die Verlängerung gegangen. Wir sind da auf die Füße gefallen, wie die Katzen, die immer wieder auf den Füßen landen, wenn sie vom Dach fallen.

Die Tour, die Sie im Oktober nach Schwetzingen führt, ist keine gewöhnliche Tour. Sie lesen aus Ihrem Buch „Bob Dylan“ und untermalen die Lesung mit Musik – und Sie sagen: „Ohne ihn wäre ich mit Sicherheit nie Musiker geworden.“ Inwiefern hat Sie Bob Dylan also zum Musizieren gebracht?

Niedecken: Er hat mich vor allen Dingen überhaupt für Kultur interessiert. Ich hab damals in der Schülerband Bass gespielt. Das war Anfang der 60er Jahre. Jeder spielte irgendwie in einer Band und wer unmusikalisch war, der hat eben Plakate geklebt und den Bus gefahren oder Verstärker geschleppt. Es war eine Befreiung: Plötzlich hatten wir Musik, die uns gehörte. Als beispielsweise die Beatles auf der Bildfläche erschienen, das war ein unglaubliches Gefühl. Wir waren gerade noch Pfadfinder und auf einmal interessierte uns Musik. Ich beispielsweise fand Paul McCartney so toll, dass ich mit dem Bassspielen anfing.

Und wie kamen Sie dann vom Bass zum Gesang?

Niedecken: Etwa im Sommer 1966 kam unser Sänger an und meinte, er müsse jetzt Abitur machen, habe keine Zeit mehr für die Band und wir müssten uns einen neuen Sänger suchen. An dem Tag brachte er aber, das war für mich wie ein Urknall, die Single „Like A Rolling Stone“ von Bob Dylan mit. Er hatte den Text schon rausgeschrieben und das hörten wir dann. Ich sagte: „Moment, wir brauchen keinen neuen Sänger. Das mache ich jetzt. Ich will auch so Stücke schreiben und singen wie der Typ mit der Sonnenbrille. Jemand anders muss Bass spielen.“ Das war eine Moment-Entscheidung. Der Song hat eine Tür aufgestoßen, hinter der ganz viele interessante Sachen waren. Und nun habe ich mich auf einmal auch für Lyrik interessiert.

Trotzdem haben Sie zunächst Malerei studiert und nicht Lyrik oder Musik. Wie kam es dann also letztendlich zu BAP?

Niedecken: Tatsächlich hatte ich mich eben durch Bob Dylan auch für die Malerei interessiert, vor allem für die Surrealisten. Auch diese Tür wurde durch ihn aufgestoßen, worüber ich sehr, sehr dankbar bin. Malerei fand ich plötzlich genauso interessant, wie die Musik. Studiert habe ich dann, um meinem Vater zu beweisen, dass ich durchhalte. Er war nämlich von meinen künstlerischen Ambitionen nicht so begeistert. Das Musizieren kam dann erst wieder beim Zivildienst. Das hat sich quasi zurückgemeldet und dann gab’s BAP. Da meine Malerei-Karriere zu dem Zeitpunkt eigentlich schon relativ weit fortgeschritten war, musste ich mich allerdings an einem gewissen Punkt entscheiden. Ich konnte nicht beides gleichzeitig machen. Denn BAP konnte man Ende der 70er, Anfang der 80er nicht mehr als Hobby betreiben. Das war schon ein Vollzeitjob.

Also haben Sie die Priorität letztlich doch auf die Musik gelegt?

Niedecken: Ja, aber geplant war das eigentlich anders. Ich dachte „Okay, das mit der Band machste mal ein, zwei Jahre und dann is’ auch wieder gut“ - und daraus sind jetzt 45 geworden. Tja.

Und den Dylan Einfluss, meinen Sie, den hört man in Ihren Songs immer noch?

Niedecken: Immer noch sehr, klar. Also, es gibt jede Menge BAP-Songs, die ohne Bob-Dylan-Songs wie „Desolation Row“ oder „Hard Rain’s Gonna Fall“ nie entstanden wären. Da sprechen wir von „Kristallnaach“ über „Bahnhofskino“ bis zu „Ruhe vor dem Sturm“. Da denke ich immer „okay, das muss es jetzt irgendwie mit diesen Dylan-Songs aufnehmen können“. An diesen Kriterien habe ich meine Songs gemessen, bis ich auch selber so zufrieden war, dass ich die auch gerne vor den Leuten spielen wollte.

Haben Sie denn einen persönlichen Dylan-Lieblingssong, den Sie vielleicht auch in Schwetzingen spielen werden?

Niedecken: Ja, also ich lese ja aus dem Buch und dann spielen wir die passenden Songs dazu. Und da sind einige Lieblingssongs dabei. Denn natürlich werde ich „Like A Rolling Stone“ spielen, weil der eben für mich der Urknall war, aber auch so ein Song wie „My Back Pages“, noch bevor Dylan elektrisch wurde. Der ist echt ein Meisterwerk. Eins meiner absoluten Lieblingsstücke, in dem ich mich wirklich auch wiederfinde. Den spielen wir natürlich auch in Schwetzingen.

Was können die Fans in Schwetzingen denn ansonsten erwarten? Immerhin ist es ja kein ganz normales Konzert. Bringt diese Mischung aus Lesung und Musik denn eine besondere Stimmung in den Saal?

Niedecken: Die Atmosphäre der Konzerte ist eigentlich so, als wenn ich die Leute in ein großes Wohnzimmer eingeladen hätte und ihnen etwas vorlese. Das ist wirklich eine sehr, sehr gemütliche Atmosphäre. Ich sitze dann an einem Tisch, Mike Herting, ein fantastischer Pianist, sitzt am Fügel und wir spielen ein ganz organisches Programm.

Mike Herting spielt aber nicht in Ihrer Band BAP. Woher kennen Sie beide sich denn? Und wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Niedecken: Mike kenne ich sogar schon länger, als es BAP überhaupt gibt. Er war damals Keyboarder in den angesagten Jazz-Rock-Combos hier in der Gegend und ich war der Maler. Mittlerweile ist er für mich tatsächlich der Pianist für die besonderen Gelegenheiten. Den habe ich zurate gezogen, als die WDR Big Band mir angeboten hat, ein Album mit ihnen aufzunehmen. Da habe ich gesagt, Mike müsste das arrangieren und dirigieren. Es war ein großes Vergnügen. Für die Lese-Tour hatte ich dann auch keine Lust, die Songs alleine zu spielen nur mit der Gitarre. Immerhin bin ich ja kein Clapton oder sowas. Ich bin auch kein Caruso, aber mit Mike an meiner Seite kann ich die Songs so interpretieren, wie das sein soll – außerdem habe ich auf diese Weise jemanden, mit dem ich auf der Bühne interagieren kann. Das ist immer eine wunderschöne Atmosphäre.

Haben Sie vor Ihren Auftritten ein bestimmtes Ritual, um sich einzustimmen – und vor allem: Ist es jetzt bei dieser Tour anders, als bei BAP-Konzerten?

Niedecken: Also bei BAP-Konzerten huldigen wir vor jedem Gig den heiligen drei Königen – in dem Fall sind das Keith Richards, Bob Dylan und Ron Wood. Die hatten ‘85 bei Live Aid einen katastrophalen Gig hingelegt, den wir aber abgefeiert haben und deshalb hing ein Foto davon immer bei uns im Probenraum und drumherum sammelten sich Devotionalien, bis wir irgendwann sagten: Das müssen wir mit auf Tour nehmen.

Seitdem huldigen wir an diesem „Altar“ vor jedem Gig diesen heiligen drei Königen mit einer winzigen homöopathischen Dosis Grappa und dann gehen wir auf die Bühne. Aber dieses Ritual können wir hier nicht machen, weil da müssten wir den Altar mitnehmen, der wäre zu sperrig. Auf dieser Tour gibt es kein Ritual, es ist alles sehr, sehr, sehr spontan. Wir fangen auch nicht direkt an zu spielen auf die Bühne. Ich erzähle den Leuten erst mal, was das überhaupt soll. Das ist auch schön, das bindet ein.

Nun haben Sie schon den ein oder anderen Dylan-Song verraten, den die Zuschauer in Schwetzingen hören werden. Können Fans auch auf BAP-Klassiker hoffen?

Niedecken: Na ja, nicht unbedingt Klassiker, aber einige BAP-Songs, die in direkter Beziehung zu Dylan stehen. Denn es gibt schon BAP-Songs, die wirklich auch etwas mit mit dieser Reise zu tun haben. Mein Buch „Die Dylan-Reise“ ist ja eigentlich eine Art Roadmovie oder sowas, wie ein Reisebericht dieser Reise, die wir für den Fernsehsender „Arte“ gemacht haben im Jahr 2017. Das ist ein Fünfteiler geworden auf „Arte“, auf den Spuren von Bob Dylan.

Und wenn ich eben von dieser Reise erzähle, kann ich auch immer wieder autobiografische Sachen einfließen lassen, die was mit meiner eigenen Geschichte zu tun haben. Insofern trifft sich das dann alles gut. Ich würde jetzt nicht sagen: „Okay, jetzt haben wir genug Dylan gehört, jetzt müssen wir mal „Verdamp lang her“ hören. Das wäre Quatsch. Das würde einfach nicht ins Programm passen.

Das heißt aber, „Verdamp lang her“ spielen Sie gar nicht?

Niedecken: Nee. Es sei denn, wir überlegen uns das nachmittags und spielen es dann doch. Aber es kommt in dem Buch nicht vor. Insofern sollte man da jetzt nicht den Dreh überlegen, wie man denn auf jeden Fall „Verdamp lang her“ krampfhaft unterbringt.

Kommt Ihnen diese andere Art von Gig dann vielleicht sogar gerade Recht, wenn Sie Hits, die Sie schon lange und oft gespielt haben, weglassen können? Gibt es BAP-Songs, die Sie eigentlich nicht mehr hören können?

Niedecken: Wenn man zu etwas keine Lust mehr hat, sind es manchmal die lustigen Songs. Das ist vergleichbar mit Witzen – egal, ob die gut oder schlecht sind – wenn man seinen Lieblingswitz schon 1000-mal erzählt hat, kann man vielleicht selber nicht mehr drüber lachen. Dann würde ich raten, den jetzt eine Zeit lang nicht mehr zu erzählen, bis man selber wieder drüber lachen kann. Dann kann man auch wieder so ein Stück spielen. So war es auch jetzt im Frühsommer mit unserem wirklich sehr beliebten BAP-Lied „Müsliman“. Das hatten wir locker fünfzehn Jahre nicht mehr gespielt und jetzt, wo wir es wieder ins Programm aufgenommen haben, hat es endlich wieder viel Spaß gemacht. Einfach weil wir es lang genug nicht mehr gespielt haben. Auf einmal kann ich wieder drüber lachen.

Bei „Verdamp lang her“ ist das aber noch mal was anderes. Das spielen wir auch nach der langen Zeit immer noch gern. Wir mögen das Stück. Alle wissen, wie die Leute sich freuen, wenn es endlich dann gespielt wird. Und man darf es auch nicht zu früh im Programm spielen, weil dann zu viele Leute denken, das wäre schon der Höhepunkt vom Konzert. Man muss es an der richtigen Stelle spielen und man sollte es nicht spielen, wenn man keinen Bock mehr dazu hat. Aber das wird nicht passieren.

Apropos Bock – wie viel Bock haben Sie auf Schwetzingen, das Rokokotheater und die Region drumherum?

Niedecken: Sehr viel. Mannheim beispielsweise kenne ich ja sehr gut. Meine Tochter hat an der Popakademie studiert. Das ist eine sehr schöne Stadt mit großen Linien – die Quadrate, die Mischung aus Ecken, die etwas härter sind und Ecken, die weniger hart sind– insgesamt gefällt mir die ganze Atmosphäre in Mannheim. Ganz besonders ist hier auch das Zusammenströmen der zwei Flüsse Rhein und Neckar. Es ist außerdem eine alte Stadt mit viel Geschichte. Sowas mag ich einfach gerne.

Schwetzingen selbst kenne ich jetzt noch nicht, aber wir haben vor ein paar Jahren ein Open-Air im Schlossgarten gespielt. Da waren die Garderoben im Schloss selbst. Ich kann mich noch an die großartigen Wandmalereinen erinnern. Auf die freue ich mich auf jeden Fall schon sehr.

Redaktion

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